Anders als in früheren Zyklen führt der aktuelle Ölpreisanstieg nicht zu höheren Investitionen in die  Förderung. (Bild: Shutterstock.com/Egorov Artem)
Anders als in früheren Zyklen führt der aktuelle Ölpreisanstieg nicht zu höheren Investitionen in die Förderung. (Bild: Shutterstock.com/Egorov Artem)

Der Ölpreis boomt. Das freut die grossen Ölkonzerne wie Exxon Mobil, Chevron, Royal Dutch/Shell oder TotalEnergies, die derzeit rekordhohe Cash-Flows generieren.

Anders das Bild bei den Investitionen in neue Ölprojekte. Schon vor der Covid-Pandemie war der Trend rückläufig. Die US-Energiebehörde EIA veröffentlicht monatliche Auswertungen. Diese zeigen, dass die Bohraktivitäten jüngst zwar wieder zunehmen, jedoch weiterhin unterhalb des Vor-Covid-Niveaus verharren. Darüber hinaus sinkt weiterhin die Anzahl von gebohrten, aber nicht vollständig abgeschlossenen Bohrlöchern. "Die Reserven an vorhandenen Bohrprojekten gehen somit ebenfalls zurück" stellt Stefan Breintner von DJE Kapital fest.

Die nachlassenden Investitionsanstrengungen haben auch damit zu tun, dass Energiekonzerne ebenfalls "grüner“ werden möchten und begonnen haben, ihre Produktportfolios von fossilen Brennstoffen hin zu CO2-ärmeren Energiequellen zu diversifizieren.

Darüber hinaus sie schlechte Erfahrungen mit in kürzester Zeit hochgefahrenen Investitionen in Förderaktivitäten gemacht. In den Jahren 2011 bis 2014 investierten sie hohe Summen in Förderprojekte, die sich aber nicht wie gewünscht auszahlten. Im entsprechenden Zeitraum stiegen die Produktionsvolumen schneller als die globale Nachfrage, was dazu führte, dass der Ölpreis zuerst seitwärts tendierte, bevor er sich im Jahr 2014 von 100 r auf 50 US-Dollar halbierte.

Auch der ESG-Trend trug einen erheblichen Teil dazu bei, dass die Branche unattraktiver für viele Investoren wurde und Investitionen aufgrund von verschärften ESG-Richtlinien nicht Ölprojekte zugute kamen, erklärt der Leiter Research und Portfoliomanagement des deutschen Vermögensverwalters.

Hohe Preise führen zum Umdenken

Der Ölpreisboom der letzten Monate führte zu einem Umdenken bei vielen Staaten. Fossile Brennstoffe werden weiterhin benötigt, um den Übergang hin zu erneuerbaren Energien nachhaltig stemmen zu können. Man kann davon ausgehen, dass die globale Ölnachfrage erst nach 2030 den Höhepunkt erreicht haben wird, unter der Voraussetzung, dass Investitionen in erneuerbare Energien weiterhin stark gefördert und ausgebaut werden. Bis dahin werden weitere Investitionen in die Branche nötig sein, um die globale Nachfrage bedienen zu können.

Um die Nachfrage zu drosseln, könnte der Wirtschaftszyklus eine Art "Joker" sein. In den letzten Wochen verdichteten sich die Anzeichen, dass die Wachstumsdynamik in den wichtigsten Volkswirtschaften abnimmt. Zentralbanken straffen zur Inflationsbekämpfung die Geldpolitik in einem Ausmass, wie wir es seit den 70-er Jahren nicht mehr gesehenen haben. Wenn diese Straffung in eine Rezession mündet, würde sich die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen drastisch verringern. "Es wäre nicht das erste Mal, dass Zentralbanken den schmalen Grat zwischen geldpolitischer Straffung und abflachendem Wirtschaftswachstum falsch einschätzen und die Wirtschaft in eine Rezession stürzen", bemerkt Breintner.

Schulden reduziert

Besonders US-Ölkonzerne haben die aus den steigenden Rohölpreisen anfallenden Gewinne genutzt, um ihre Schuldenlast zu reduzieren. Das war auch dringend nötig, weil gerade US-Ölkonzerne stark verschuldet waren und im kurzzeitige Ölpreis-Crash im März 2020 manche Unternehmen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit standen. Aktuell zahlt sich der Schuldenabbau aus den vergangenen zwei Jahren umso mehr aus, erklärt Breintner, als die Refinanzierung von Verbindlichkeiten durch steigende Kapitalmarktzinsen in den jüngsten Monaten teurer geworden ist. Darüber hinaus sind die Dividendenrenditen bei Ölaktien mit oftmals über 4% attraktiv.

"Aufgrund der fundamentalen Lage, struktureller Angebotsengpässe und damit in Zukunft hoher Ölpreise erscheint es realistisch, dass weiterhin hohe Dividenden gezahlt werden". Viele Unternehmen setzten zurdem auf ausgiebige Aktienrückkaufprogramme. "Bei Ölpreisen über 90 US-Dollar sollte dieser Trend in den kommenden Jahren anhalten," so der Anlageexperte von DJE Kapital.

In die nahe Zukunft blickend, versprechen die grossen Player, am Markt ihre Investitionen über die kommenden Jahre wieder leicht ausbauen zu wollen, jedoch weitaus diversifizierter als in den vergangenen Jahren, wie beispielsweise 2011 bis 2014, einer Zeit, in der die Investitionen in Förderprojekte ihren letzten Höhepunkt erreichten.

Investitionserwartungen der Ölbranche

In der Statistik von Statista wurden Ende letzten Dezembers 131 Führungskräfte aus dem Öl- und Gassektor zu ihren Einschätzungen auf Investitionen in ihren Unternehmen im Vergleich zu 2021 befragt. 78% erwarten eine leichte oder deutliche Erhöhung der Investitionsausgaben im Vergleich zu 2021. Hervorzuheben gilt es dabei , dass es sich bei der Statistik lediglich um US-Unternehmen aus dem Bereich Produktion (Upstream) handelt, also genau um die Marktteilnehmer, die letztlich in der Lage sind, die Produktion kurzfristig zu erhöhen.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob die angekündigten Investments in neue Bohrprojekte tatsächlich wahr werden und ob die Bemühungen ausreichen, um die globale Nachfrage bedienen zu können. Das US-Investmenthaus Goldman Sachs geht derzeit davon aus, dass es einen grossen Unterschied zu früheren Investitionszyklen in der Branche der fossilen Brennstoffe geben wird.

Während in früheren Investitionszyklen bei Energiepreisen auf solch hohen Niveaus wie jetzt die Investitionen innerhalb von zwei bis drei Jahren verdoppelt wurden, "werden wir dieses Mal über die nächsten zwei bis drei Jahre wohl maximal eine Steigerung von 20 bis 30% sehen", schätzt Stefan Breintner. "Die strukturellen Rahmenbedingungen und das Dilemma der Ölkonzerne wird sichtbar: Investitionen in erneuerbare Energien oder CO2-freundlichere Technologien sind zwar bei weitem nicht so rentabel wie Investitionen ins klassische Öl/Gas-Geschäft, zur Einhaltung von Klimazielen führt daran aber kein Weg vorbei."

Europäer sind den Amerikanern voraus

Die Energiebranche setzen sich nicht darüber hinweg und gestalten ihre Capex-Ausgaben nachhaltiger. Breintner nennt Beispiele: TotalEnergies sieht vor, 25 bis 50% des Investmentbudgets über die nächsten vier Jahre erneuerbaren Energien und der CO2-armen Energiegewinnung zukommen zu lassen. Royal Dutch/Shell plant, bis zum Jahr 2025 die Hälfte der Investitionen im gleichen Sektor zu tätigen. Der britische Energiekonzern BP steckt sich das identische Ziel bis 2030.

US-Konzerne hinken bei den Investitionen in erneuerbare Technologien den europäischen Unternehmen massiv hinterher. Hohe Energiepreise können dazu beitragen, den Wandel in eine CO2-neutralere Gesellschaft zu beschleunigen. Ganz getreu dem Motto: Je teurer die fossilen Brennstoffe, desto billiger werden im Verhältnis die erneuerbaren und CO2-freundlicheren Alternativen, bilanziert Breintner.

Dieser Artikel wurde cash von Investrends.ch zur Verfügung gestellt. Verpassen Sie keine News zu aktuellen Themen aus der Fonds- und Asset-Management-Branche. Investrends.ch liefert Ihnen im Newsletter zweimal wöchentlich die Zusammenfassung der Nachrichten und informiert Sie über Sesselwechsel und wichtige Veranstaltungen. Hier abonnieren