...dünne Eigenkapital-Decke, Kurs crasht
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Spekulationen um Kapitalbedarf
Deutsche Bank gibt sich stark
von Christine Mai (Frankfurt)
Die Deutsche Bank weist Spekulationen um eine Kapitalerhöhung zurück. Experten bewerten die Finanzstärke des Instituts hingegen als kritisch.
Die Aktie der Deutschen Bank hat am Dienstag erneut massiv an Wert verloren. In der Spitze sackte das Papier um 15 Prozent ab und fiel damit auf den tiefsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Die Aktie schloss mit einem Minus von 8,9 Prozent bei 43,58 Euro. Am Dienstagmorgen waren Gerüchte über eine bevorstehende Kapitalerhöhung aufgekommen, die die Bank entschieden zurückwies: Per Ende des dritten Quartals erwarte sie eine Kernkapitalquote (Tier 1) von "um die zehn Prozent" und plane folglich keine Kapitalerhöhung.
An den Finanzmärkten machen immer neue Spekulationen um kapitalbedürftige Banken die Runde. Etliche Häuser mussten nach Abschreibungen bereits frisches Kapital einsammeln. Je stärker sich die Krise zuspitzt, desto geringer die Bereitschaft der Investoren zu Geldspritzen. Kapitalerhöhungen gelingen oft nur zu hohen Rabatten. Dass Banken gleichzeitig versuchen, ihre angegriffenen Bilanzen durch den Abbau von Risikopositionen zu reparieren, verschärft das Problem. Verkäufe mit Abschlägen führen zu neuen Abschreibungen - und dazu, dass Banken weniger Kredite vergeben, was der Wirtschaft insgesamt schadet. In Großbritannien ist die Situation so prekär, dass die Regierung eine Kapitalbeteiligung an Banken plant.
Die Deutsche Bank hat wiederholt erklärt, sie benötige keine Kapitalerhöhung, um Abschreibungen oder Verluste abzufedern. Lediglich zur Finanzierung ihres Einstiegs bei der Postbank hat sie jüngst 2,2 Mrd. Euro aufgenommen. Sie wolle überdurchschnittlich kapitalisiert bleiben, begründete sie den überraschenden Schritt.
Dunke Wolken über der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt
Die Kernkapitalquote nach den Eigenkapitalregeln Basel II ist eine wichtige Größe zur Bewertung der Kapitalausstattung einer Bank. Gemessen daran ist die Deutsche Bank im Vergleich zu vielen Konkurrenten gut kapitalisiert. Setzt man allerdings das sogenannte Tangible Equity (Eigenkapital abzüglich Geschäfts- oder Firmenwerte) ins Verhältnis zur Bilanzsumme, ist die Deutsche Bank deutlich schwächer ausgestattet als ihre US-Konkurrenten und auch viele andere europäische Institute. Vor allem Kritiker aus den USA halten der Bank daher vor, mit zu großem Hebel zu agieren. Dort ist die sogenannte Tier1-Leverage-Ratio mittlerweile Teil der Regularien für Banken und Bank-Holdings.
Die Analysten von Morgan Stanley etwa halten die Situation der Deutschen Bank zwar für belastbar. Sie verweisen aber darauf, dass Investoren die Leverage Ratio der Bank künftig stärker mit denen ihrer Rivalen vergleichen könnten. "Sollte es weitere erhebliche Turbulenzen geben, können wir das Risiko bedeutender zunehmender Verluste nicht ausschließen, die sich auf die Kapitalposition der Deutschen Bank auswirken würden", schreiben die Analysten in einer aktuellen Studie.
Die Bank weist die Kritik zurück. Nicht die Bilanzsumme, sondern die Risiken müssten betrachtet werden. Würde die Bank nach dem Standard US-GAAP bilanzieren, würde sich die Bilanz zudem um rund ein Drittel verkleinern. Dennoch zeigt die Kritik Wirkung: Das Institut hat damit begonnen, die Bilanzsumme abzubauen. Per Ende des zweiten Quartals belief sie sich auf 1991 Mrd. Euro, ein Rückgang um 159 Mrd. Euro im Vergleich zum Ende des ersten Quartals. Diesen Ansatz will die Bank fortführen. "Wir reduzieren die Bilanzsumme, um bestimmte Risiken zu mindern", sagte ein hochrangiger Bankmanager. Dazu gehörten komplexe Produkte wie forderungsbesicherte Anleihen (Asset-Backed Securities, ABS). Es gebe aber keine Sorgen, unterkapitalisiert zu sein, betonte er.
Dieser von vielen Instituten gewählte Weg verschlimmert die Krise jedoch. "Man kann nicht nur die Bilanzsumme verkürzen, das tut irgendwann richtig weh, nicht nur der einzelnen Bank, sondern der Wirtschaft insgesamt", sagte Bert Flossbach, Vorstand beim Vermögensverwalter Flossbach & von Storch. "Die meisten Banken brauchen dringend mehr Eigenkapital, denn viele Aktiva haben nachhaltig an Wert verloren." Dies gelte auch für die Deutsche Bank, die sich aus seiner Sicht durch ihre Absagen an eine Kapitalerhöhung diesen Weg verbaut hat. "Jetzt könnte sie, wie einige englische Banken, in eine Situation kommen, wo sie zu einer staatlich gestützten Kapitalmaßnahme gezwungen wird."