Rückblick auf den Juni
Vor einem Monat schrieb ich:
Quote:
Zitat
Der springende Punkt ist die Entwertung der Währungen und wann genau hier eine Beschleunigung einsetzt. Entsprechend macht es wenig Sinn, über den Verlauf des SMI zu orakeln, weil wir ja nicht wissen, in welcher Art "Franken" der in ein paar Monaten noch bewertet ist.
Einen Mai-Crash gab es bisher noch nicht. Ich erwarte tiefere Kurse und evtl. sogar einen nominal endgültigen Boden mit neuen Tiefs im Verlauf des Sommers oder Herbsts.
Es gab auch im Juni keinen Crash. Höchstens eine Konsolidierung der jeweiligen Trends.
Wenn wir's mal durchgehen:
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Der Dow Jones erreichte mittelfristig kurz ein neues Hoch, befindet sich jetzt in einer Korrektur, die aber - rein charttechnisch betrachtet - nur eine Konsolidierung eines Aufwärtstrends ist. Das gilt zumindest, solange das Tief vom Mai bei 8200 nicht unterschritten wird. Alles darüber ist bullisch. Wenn sich der Trend fortsetzt, müsste gegen Mitte Juli die Marke von 8800 nach oben durchbrochen werden. Dann sind Kurse bis 9200 per August im Rahmen des Möglichen.
Aus langfristiger Perspektive befinden wir uns aber nach wie vor in einer Bärenmarktrally, die im März begann und mittlerweile knapp 20% des Absturzes von November 2007 bis März 2009 korrigiert hat.
Anders ausgedrückt: Der Dow ist derzeit in einem Aufwärtstrend, der technisch noch nicht gefährdet ist, der aber an Dynamik schon stark nachgelassen hat und auf der Kippe steht. Trader werden also Stop-Losses für Long-Positionen bei 8200 und für Short-Positionen bei 8800 plazieren.
Ein ähnliches Bild gibt's bei den Renditen der 30 jährigen US Treasuries:
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Auch hier eine Beruhigung der Lage. Von Vertrauensverlust und Kapitalflucht aus Amerika ist weniger zu spüren. Interessant ist hier die braun eingezeichnete GD50 bei 43 (= 4.3% Rendite der 30yr Bonds). Ich rechne hier mit einem Abpraller und einem langsamen Anstieg in Richtung neuer Hochs.
Der absolut langweiligste Index - sorry das sagen zu müssen - war unser SMIley, der recht trendlos um 5400 Punkte pendelt.
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Dass der Dow stärker als der SMI performte lässt sich nicht mit dem Wechselkurs Dollar/Franken erklären, denn auch der verlief im Juni seitwärts bei etwa 1.08.
Alles in allem blicken wir also auf einen recht langweiligen Börsenmonat zurück und da am 4. Juli für die Big-Boys in den USA die Sommerferien beginnen, ist auch für den Juli keine Dramatik zu erwarten. Saisonal bedingt gehört der Markt im Sommer den Kleinanlegern und da die meist optimistisch sind, steigen die Kurse im Sommer meist, wenn auch bei recht geringem Volumen.
Lassen wir den Blick also etwas weiter schweifen. Die exakte Jahresmitte ist dazu auch ein gegebener Anlass.
Was uns in den nächsten Monaten - bis Ende Jahr - bewegen wird, sind drei Themenkreise, die sehr eng ineinander verflochten sind:
* Das Vertrauen in Währungen und insbesondere in den Dollar. Also Inflation und Deflation
* Eine bevorstehende Bewährungsprobe für das kapitalistische System
* Die weitere wirtschaftliche Entwicklung
Inflation und Deflation
Über dieses Thema habe ich bereits im Juni-Thread wie auch im "Inflations-Thread" http://classic.cash.ch/node/2934 regelmässig geschrieben.
Wir haben derzeit eine Deflation, weil sich Konsumenten weigern, ihre Schulden weiter auszubauen und statt dessen sogar die Frechheit haben zu sparen und ihre Schulden zurückzuzahlen.
Wir haben eine Deflation, weil Unternehmen abspecken und keine Kredite mehr aufnehmen oder bekommen.
Wir haben eine Inflation, weil der Staat in die Bresche springt und vermehrt Schulden macht.
Und wir haben eine Geldentwertung, weil sämtliche Notenbanken der Welt ihre Blüten drucken als gäbe es kein morgen.
Hier als Beispiel die Geldmengenausweitung (Inflation) des Franken (Quelle: SNB)
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Siehe auch: http://classic.cash.ch/node/200#comment-60562
Anders ausgedrückt: In den letzten 10 Jahren hat sich die Menge der Franken nahezu verdoppelt, (von 204 auf 375 Mrd). Die Goldmenge jedoch von 2000 t auf 945 t halbiert.
Wo sind diese Milliarden?
Eines weiss ich sicher, sie sind nicht auf meinem Bankkonto.
Sie sind in erster Linie in die USA geflossen bzw. haben Verluste gedeckt, die die UBS in ihrer unendlichen Dummheit in den USA eingefahren hat.
Michael Mross hat die Krise sehr schön wie folgt zusammengefasst:
Michael Mross wrote:
ZitatAlles anzeigen
1. Im Rahmen der Deindustrialisierung brauchten die USA zunehmend mehr Geld, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Da sie ihn nicht selbst erwirtschaften konnten, pumpten sie die ganze Welt an.
2. Mithilfe der Fed und den großen US-Banken wurden Kreditpakete geschnürt, die in betrügerischer Absicht auch deutschen Banken angedreht wurden. Diese überwiesen Hunderte Milliarden ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten und bekamen dafür zweifelhafte Schuldscheine.
3. Dies geschah mit Einwilligung deutscher Politiker und den zuständigen Aufsichtsbehörden, die dem Betrug tatenlos zusahen.
4. Als sich die Banken mit dem US-Kreditmüll vollgesogen hatten, stellten sie fest, dass er eigentlich wertlos ist.
5. Also wandten sich die Geldhäuser an den Staat mit der Drohung, dass sie bankrott gehen würden, wenn sie kein Milliardenschutzschirm bekommen. Geld, für das letztlich der Steuerzahler aufkommen muss.
6. Politiker garantieren den Banken Milliarden und erhöhen Steuern, um ans Geld zu kommen.
Eingefügt aus http://www.mmnews.de/index.php…s/Die-Steuerdiktatur.html
Soweit die Vergangenheit, wie wir sie kennen. Die Zukunft wird so aussehen, dass die Steuern erhöht werden müssen, um diese neuen Milliarden zu finanzieren und zurückzuzahlen. Denn man darf nie vergessen, dass die SNB die 170 Mrd. der letzten Jahre ja nicht gratis zur Verfügung stellt sondern zu einem Zinssatz. Auch bei nur 1% Zins macht das 1.7 Mrd pro Jahr oder Fr. 243 für jeden Schweizer Einwohner (Rentner und Kinder eingeschlossen). Und das alleine für die Zinsen des in den letzten 10 Jahren neu gedruckten Geldes.
Wir werden also in den nächsten Jahren das Vergnügen haben, dass wir ultimo ratio über unsere Steuern die Häuser von Joe Sixpack und Jane Dow in Cleveland, Ohio bezahlen. God bless America!
Gleichzeitig sorgt die Entwertung unserer Währung durch Gelddruckerei dafür, dass die Kaufkraft unserer Ersparnisse (AHV, PK, Sparbuch) abnimmt. Wir werden also durch die Vordertür über erhöhte Steuern, durch die Hintertür über Entwertung unserer Ersparnisse entreichert. Und es sieht nicht so aus also würde das unserem US-hörigen Bundesrat irgend eine schlaflose Nacht bereiten.
Bewährungsprobe für das kapitalistische System
Das Problem des Kapitalismus besteht darin, dass die Wirtschaft zum Wachstum verdammt ist. Und zwar mindestens in Höhe der laufenden Zinsen. Wie oben gesehen, wird das Geld der Zentralbanken ja nicht gratis verliehen sondern zu einem Zinssatz. Die Banken wiederum geben dieses Geld zu einem höheren Zinssatz an Unternehmen und Private weiter.
Nehmen wir an, im Jahr Null beträgt die Geldmenge 1000 und wird zu 4% Zins zur Verfügung gestellt, dann müssten theoretisch am Ende des Jahres 1040 zurück bezahlt werden. Doch das ist unmöglich, denn die letzten 40, die Zinsen, existieren ja gar nicht. Also muss die Geldmenge um diesen Betrag erhöht werden, was bedeutet: Irgend jemand muss sich für 40 verschulden. Im Jahr 1 beträgt die Geldmenge also bereits 1040. Und so weiter.
Im Jahr 10 beträgt die Geldmenge bereits 1480, im Jahr 20 2191 und im Jahr 50 7106.
Da alles Geld, das sich im Umlauf oder einem Konto befindet ursprünglich von der Notenbank geschaffen und verliehen wurde, kann man sagen: Geld = Schuld
Jeglichem Vermögen steht eine Schuld gleicher Höhe gegenüber. Und würden morgen alle Schulden bezahlt, gäbe es kein Geld mehr!
Diese Zinseszinskurve ist exponentiell. Und da die Wirtschaft nicht ebenfalls exponentiell sondern bestenfalls linear wachsen kann, laufen irgendwann die Schulden und Zinsen aus dem Ruder.
Diese Grafik dürfte den meisten von Euch bereits bekannt sein:
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Unser Arbeitseinkommen ist die Differenz aus Wirtschaftsleistung (BIP) minus Kapitaleinkommen (den Zinsen). Ist der Kreuzpunkt erreicht und BIP = Zins, dann müssten wir theoretisch nur noch für die Zinsen schuften, könnten also nichts mehr konsumieren. Das System muss also bereits vorher korrigieren.
Die beiden grossen Wirtschaftstheoretiker John Meynard Keynes und Karl Marx haben dieses Problem erkannt, sind aber zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen. Während Marx geschlossen hat, das System müsse eines Tages kollabieren und der Kapitalismus sich selbst zerstören, war Keynes der Meinung, es würde sich selbst bereinigen. Durch Phasen von Deflation oder durch Crashes, bei denen Schulden und Vermögen vernichtet werden. Dadurch sinkt auch die Zinslast wieder auf erträgliches Niveau und somit kann das Spiel wieder ein paar Jahrzehnte weitergehen.
Um das ganze auf ein einfaches Beispiel zu reduzieren:
Wenn ich Joe Sixpack einen Kredit von $1000 gebe, den er nicht zurückzahlen kann. Muss ich das Geld abschreiben. Joes Schulden und mein Vermögen verringern sich also gleichermassen um $1000. Wir erinnern uns: Geld=Schulden.
In der aktuellen Finanzkrise findet aber diese Abschreibung nicht oder nur in geringem Ausmasse statt:
Joe Sixpack kann den Kredit an seine US-Bank nicht zahlen. Diese wiederum nicht den Kredit der UBS, diese hat auch kein Geld und so muss der Schweizer Staat die $1000 finanzieren und lässt sie entsprechend von der SNB drucken.
Statt einer Abschreibung haben wir nun das Problem einfach auf zukünftige Schulden der Steuerzahler weltweit verteilt. Die Schulden sind also nicht weg. Sie hat nur ein anderer!
Was uns also noch bevorstehen wird ist eine Palastrevolution, wenn der Bürger merkt, dass seine Ersparnisse schleichend entwertet werden und er gleichzeitig höhere Steuern zahlen muss für einen Schaden, den andere angerichtet haben. Aber so weit sind wir noch nicht.
Ich will keine Prognose wagen, ob der Kapitalismus als System, diese Krise überlebt. Es gibt keine erprobten Alternativen. Der Konkurrent Kommunismus hat sich also noch unfähiger erwiesen. Aber vielleicht finden ein paar findige Köpfe ernst zu nehmende Alternativen. Wünschenswert wäre ein System, das die Wirtschaft nicht zu exponentiellem Wachstum treibt. Das ist nämlich wie gesagt unmöglich.
Wirtschaftliche Aussichten
Eine langanhaltende Wirtschaftskrise wie die aktuelle beginnt damit, dass die Unternehmen in erster Linie ihre Reserven angreifen. Sie verkaufen Vermögenswerte, Bonds, Aktien, greifen Barreserven an etc. Diese Phase ist abgeschlossen und hat 2008 ja auch zu den enormen Preisstürzen an allen Märkten geführt.
Wenn das nicht mehr ausreicht, wird gespart. Zunächst rationalisiert aber schlussendlich und schweren Herzens werden Mitarbeiter entlassen. Die Firma magert bis aufs Gerippe ab.
In dieser Phase stecken wir jetzt in den USA. Dort explodieren die Arbeitslosenzahlen. Arbeitslose fallen als Konsumenten weitgehend weg und auch jene, die noch einen Job haben, bekommen Angst und geben weniger aus, um für den Fall der Arbeitslosigkeit besser gerüstet zu sein. Das reduziert den Konsum, die Umsätze und Gewinne der Unternehmen und somit verstärkt sich die Abwärtsspirale.
Nach neusten Zahlen liegt das KGV des Dow Jones bei 47. 14.5 wäre fair. Der Dow müsste also von aktuellen 8400 auf etwa 2625 fallen, wenn die Investoren nur das KGV im Blick hätten. Das tut er nicht, denn die Aktionäre sehen Licht am Ende des Tunnels (wie sie es die ersten Jahre einer Krise immer tun.)
Andererseits zeigt die Erfahrung, dass Bärenmärkte ihren Boden bei etwa 7 finden, was einem Dow von 1300 Punkten entsprechen würde. Auch dieser Wert dürfte nicht angesteuert werden aber so wahnsinnig unrealistisch ist er nicht.
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Man kann nämlich argumentieren, dass die Zeit von 1985 bis 2007 nur eine gigantische Blase war und wir nun wieder auf den ursprünglichen langfristigen Trend zurückkommen werden, der in etwa die reale Wirtschaftsleistung widerspiegelt. Demnach läge der faire Wert des Dow heute bei etwa 1600 Dollars von 1985. Da aber der Dollar in der Zwischenzeit rund 70% seines Wertes verloren hat, entspräche das heute einem Preis von 5300.
Aber jetzt bin ich abgeschweift. Wo waren wir?
Ach ja, bei der steigenden Arbeitslosigkeit. In dieser Phase wird nun wie gesagt weniger konsumiert und die schlechteren Gewinne bzw. Verluste werden in den kommenden Quartalen erst in die Erfolgsrechnungen der Unternehmen einfliessen und für sinkende Aktienpreise sorgen.
In der Schweiz passiert das etwas zeitverzögert und hoffentlich weniger dramatisch aber auch bei uns werden Firmengewinne noch sinken und die Arbeitslosenzahl steigen.
Die Finanzkrise ist vorbei. Die Banken konnten sich auf Kosten des Staates sanieren und streichen nun wegen des Zins-Spreads enorme Gewinne ein. In der Realwirtschaft kommt die Krise aber erst noch an. Und hier wird es keine staatlichen bailouts geben.
Es wird zu Konkursen, Abschreibungen und Vermögensvernichtungen kommen, bis ein Grossteil der Schulden=Vermögen vernichtet ist. Erst dann wird sich die Wirtschaft wieder erholen und die wenigen überlebenden Unternehmen wie Phönix aus der Asche steigen.
Aussichten August und weiter
Ich rechne in allen Indizes mit etwa seitwärts verlaufenden bis steigenden Kursen. Wie gesagt, die Big-Boys sind demnächst in Urlaub und sie dürften auf höherem Preisniveau enorme Aktienpakete zum Verkauf gestellt haben. Und während sie ihre ausgiebigen Ferien geniessen, kaufen die Kleinanleger über 1-2 Monate hinweg nach und nach diese Aktien auf. (Stichwort: Schafsweide).
Wenn wir also demnächst nach kleinen Rallys immer wieder an gewissen hohen Chartmarken (8800 im Dow, 5800 im SMI) den "Kopf anschlagen", dann wissen wir, dass die Kurse erst darüber hinaus gehen können, wenn die Verkaufsorders der Big-Boys abverkauft sind.
Nach den Ferien werden dann die Big-Boys die übrigen Aktien auch zu günstigeren Preisen verschleudern. Gut möglich also, dass wir erst im Oktober neue Tiefs sehen während im August/September die Märkte unspektakulär seitwärts tendieren.
Das Ganze wie schon im Juni unter dem Vorbehalt, dass unser Papiergeld einigermassen seinen Wert behält.
Zum Schluss noch was in eigener Sache: Dies ist ein Börsenthread und wenn ich auch das Thema nicht zwingend auf den SMI beschränken mag, dann doch zumindest auf die Themenkreise Börse, Wirtschaft und politische Ereignisse, die erstgenannte beeinflussen.
Für die Freunde der leichten Unterhaltung und jene, die am liebsten über sich selbst schreiben, hat marco netter Weise den SMI Stammtisch eingerichtet. ( http://classic.cash.ch/node/3321 ).
Hier wird auch freebase zu finden sein, der versprochen hat, hier nicht mehr zu stören.
Happy Trades
Marcus