Beginnen wir - wie üblich - mit einem Rückblick auf den vergangenen Monat Mai. Hat sich "sell in May bewahrheitet?
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Wenn wir den Mai isoliert betrachten, dann ja. Wer am 30. April seine Aktien verkauft und den Mai verschlafen hat, hat nicht sehr viel falsch gemacht. Der Dow hat gegenüber dem 30. April 180 Punkte verloren, der SMI 17 Punkte. Unter dem Strich also ein Nullsummenspiel. Der Verlauf des Mai war grösstenteils seitwärts und erst gegen Ende des Monats setzte eine dreitätige Abwärtswelle ein.
Was wir allerdings bis Ende Mai bisher an Korrekturen gesehen haben, war nichts weiter als eine Korrektur um 50% des Anstieges seit März. Ich bin zwar der Meinung, dass die Abwärtswelle noch nicht ganz abgeschlossen ist, aber das ursprüngliche Mai-Szenario mit neuen Jahrestiefständen hat sich nicht erfüllt.
Ein Blick auf die Saisonalität der US-Wahljahre:
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Gemäss Saisonalität müssten wir Ende Mai das Jahrestief erreicht haben und uns nun bis September zu neuen Höhenflügen aufmachen. Aber nachdem die Saisonalität im Mai nicht gepasst hat, warum sollte sie es im Juni tun?
Vielleicht hinken wir ja auch nur 3 Wochen hinter der Saison her und es erfolgt noch ein weiterer Schwung nach unten, bevor die Wahl-Hausse einsetzt?
Oder wird die Wahl-Hausse dieses Jahr ganz ausbleiben? Einerseits stehen die Chancen recht gut, dass ein demokratischer Präsident an die Macht kommt. Die Börse würde das begrüssen, denn unter Demokraten floriert die Wirtschaft besser als unter Republikanern. Andererseits hinterlässt GWB eine dermassen grosse Sauerei (Schuldenberg, Arbeitsplatzverluste, Inflation, Stagflation, militärische Abenteuer), dass der neue Präsident eine schwere Bürde übernehmen muss.
Betrachten wir mal in der Zusammenfassung, welche Probleme im Moment anstehen und wie die Lösungsansätze aussehen.
Banken können grundsätzlich gegen Hinterlegung von Sicherheiten Kredit bei der Zentralbank oder anderen Banken günstig aufnehmen und den Kredit teurer weitergeben. Die Differenz ist der Gewinn und davon leben Banken.
Die Frage ist, was sind die Sicherheiten wert?
Klassische Sicherheiten sind Hypotheken. Im Falle eines Zahlungsausfalles kann nämlich ein Haus verkauft werden und damit wird im Idealfall die Hypothek vollständig getilgt. Der Wert so einer Sicherheit ist natürlich abhängig von der Qualität des Schuldners. Hat der ein Einkommen von 100k pro Jahr und eine Hypothek von 300k, die 80% des Hauspreises ausmacht, dann kann man mit sehr grosser Sicherheit davon ausgehen, dass a) der Schuldner in der Lage ist, seine Zinsen zu zahlen und b) der Verkauf des Hauses notfalls die Hypothekarschuld decken würde.
Dummerweise wurden in der Hoch-Saison der US Immobilienblase auch Hypotheken zu 100% oder mehr vergeben und zwar an Schuldner, die sich nicht einmal die Zinsen, geschweige denn die Tilgung leisten konnten. Die provisionsgeilen Hypothekenvermittler boten teilweise Hypotheken mit eine Lockvogel-Rate von 2% an.
2% für das erste Halbjahr und danach Anpassung auf marktübliche Zinsen von 6%.
Logisch, dass unter solchen Umständen die Hypotheken nicht als Sicherheit akzeptiert werden können sondern zu einer Zwangsvollstreckung nach den anderen führen.
Die sogenannten Subprimes sind nichts anderes als eine undurchsichtige Mischung verschiedener Hypotheken. Da man nicht weiss, wie gross der Anteil der sehr guten (AAA-Rating) bis sehr schlechten (BBB-Rating) im Paket ist, gibt es keinen Markt mehr für diese Pakete.
Hier als Beispiel der Kursverlauf der Hypotheken mit AA-Rating:
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Ohne die Möglichkeit, Kredite für Hypotheken zu bekommen, haben die Banken ein Problem. Bear Stearns wäre daran beinahe Pleite gegangen.
Um die Banken nun zu retten bzw. die Liquidität der Banken zu gewährleisten, hat die FED nun angeboten, diese Subprime-Pakete gegen US-T-Bonds (also Staatsanleihen höchster Güte) in Zahlung zu nehmen. Das Ergebnis sind TAF, TSLF, PDF und andere lustige Begriffe aus der Buchstabensuppe der FED.
TSLF (Term Securities Lending Facility) bedeutet also nichts anderes als: Du (Bank) darfst mir (FED) einen Teil Deines unverkäuflichen Subprime Giftmülls übergeben und ich gebe Dir dafür hochwertige T-Bonds, die Du auf dem Markt zu Geld machen kannst. Allerdings gilt diese Abmachung nur für 28 Tage. Danach musst Du mir die Bonds zurück geben.
(Wer eine präzisere Erklärung sucht: http://www.newyorkfed.org/markets/tslf_faq.html)
Die Idee dahinter ist, für die unverkäuflichen Subprimes wieder einen Markt mit einem fairen Preis zu schaffen. Funktionniert hat es offenbar noch nicht, wie wir am obenstehenden Kursverlauf der AA-Hypotheken sehen.
Zumindest aber haben die Banken nun wieder kurzfristig Liquidität, können aufatmen und entsprechend sind die Börsenkurse seit März (da wurden TSLF zum ersten mal eingesetzt) gestiegen.
Die Macht der FED ist dabei begrenzt durch die Menge der T-Bonds im eigenen Portofolio. Sprich: $700 Mrd.
Im dümmsten Fall, muss die FED die Subprimes von den Banken übernehmen und die TSLF von 28 Tagen auf unbestimmte Zeit erweitern. Dann nämlich, wenn die Banken nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Subprimes wieder gegen T-Bonds auszulösen. Z.B. weil sie die T-Bonds bereits verkauft und den Erlös ausgegeben haben.
Dann müsste die FED schlussendlich die Subprimes abschreiben, würde weniger Gewinne machen, weniger Steuern zahlen und so wird der Subprime-Müll im Endeffekt von den Banken auf den Steuerzahler umgelagert. "Sozialisieren" nennt man das.
Eine weitere wichtige Frage lautet: Sind wir bereits am Höhepunkt der Immobilienkrise angekommen oder steht uns das schlimmste noch bevor?
Derzeit sind die US Immopreise bereits um 15% gesunken. Teilweise wird geschätzt, dass sie bis 50% einbrechen können. Massgebend ist die Anzahl der Zwangsvollstreckungen. Denn: Wird ein Haus in einem Quartier zwangsversteigert, sinkt dadurch automatisch der Wert der umliegenden Häuser. Und dies wiederum hat einen negativen Effekt auf deren Besitzer.
Ich hatte weiter obern angetönt, dass viele Hypotheken mit Lockvogelangeboten vergeben wurden. "Teaser Rates" von 2%, die nach einer gewissen Zeit (meist 6-12 Monate) an den realen Zins von derzeit 6% angepasst werden müssen.
Die nachfolgende Grafik zeigt, dass die Spitze der Anpassungen im März 2008 lag:
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Ist also das schlimmste vorbei? Nein, ist es nicht. Denn von dem Zeitpunkt an (März) an dem die neuen Zinsen zum ersten mal fällig werden bis zum Zeitpunkt einer Zwangsversteigerung vergehen in der Regel ca. 6 Monate. Zunächst gibt's eine Mahnung, dann eine zweite, dann Androhung der Zwangsversteigerung etc.
Wir können also davon ausgehen, dass die grösste Zwangsversteigerungs-Welle etwa im September 2008 auf uns zukommen wird. Erst danach können sich dann die Häuserpreise langsam erholen.
Fundamental werden uns also die diversen Belastungen des US-Konsumenten - von dem die US-Wirtschaft zu 70% abhängt - weiterhin beschäftigen.
Die offiziellen Zahlen der diversen Statistiken werden immer unglaubwürdiger. Den Vogel hat die Statistik im Mai abgeschossen, als behauptet wurde, die Benzinpreise seien (saisonal bereinigt und was auch immer) im vergangenen Jahr um 10.4% gesunken. Diese Zahl hat nun auch der allerdümmste Joe Sixpack nicht geglaubt und so macht sich nun endlich ein wachsendes Misstrauen gegenüber geschönten offiziellen Statistiken breit.
Ausblick charttechnisch
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Der zweimal gescheiterte Versuch beim Dow die GD200 zu nehmen, hat den Bullen einen schweren Schlag versetzt. Entsprechend rasant ging es dann nach unten.
Die Stärke des Abstiegs deutet darauf hin, dass noch mindestens eine weitere Abwärtswelle folgen wird. Man beachte hierbei, dass es keine extremen Nachrichten gab. Der Absturz wurde rein charttechnisch, also aus dem "Nichts" heraus ausgelöst!
Derzeit wird die Korrektur korrigiert. Von 800 P. nach unten wurden bisher 200 wieder zurückerobert. Wie weit der Anstieg noch gehen wird, ist unklar. Mögliche obere Wendepunkte liegen bei 12700 (Unterkante des gelb markierten Seitwärtstrends) sowie wieder bei der berühmten GD200 bei 12'984.
Ein ähnliches Bild beim SMI:
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Die GD100 wurde wieder zurückerobert und der SMI hat nun exakt 50% des Abstiegs wieder zurückerobert.
Dennoch steht das Minimal-Ziel des ausgebrochenen Bärkeils von 7287 Punkten noch im Raum.
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Grob skizziert stelle ich mir den Juni-Verlauf etwa so vor:
Nochmals ein massiver Abrutscher sozusagen als verspätetes "Sell in May". Danach dürften die Jahrestiefs gegessen sein. Zumindest bis Oktober.
Bei den US-Verbrauchern sorgen derzeit die Steuergeschenke für gute Laune. In wieweit diese allerdings die hohen Benzinpreise und sinkenden Häuserpreise ausgleichen können, sei dahingestellt. Wir werden abwarten müssen, wieviel der durchschnittlich $600 die US-Konsumenten nun auch tatsächlich ausgeben und wie nachhaltig das die Wirtschaft oben hält. Langfristig ist es auch hier so: Die Steuergeschenke sind nichts anderes als Kredite, die der Staat - also der Bürger - irgendwann zurückzahlen muss.
Wir werden noch ein paarmal zu hören und lesen bekommen, dass die Krise überwunden und das schlimmste überstanden sei. Doch jedesmal, wenn diese Aussage sich als trügerische Hoffnung herausstellt, werden die Anleger etwas misstrauischer.
Für die nächsten Tage heisst die Devise also "short the tops".
Danach geht es dann darum, den Tiefpunkt für die nächste Bärenmarktrally nicht zu verpassen.
Im wesentlichen erwarte ich für Juni und Juli eine grosse Seitwärtsbewegung ohne allzu heftige Übertreibungen in irgendeine Richtung.
Das gilt nicht nur für die Aktienmärkte sondern auch für Rohstoffe und Edelmetalle.
Ach ja, wenn wir schon bei den Rohstoffen sind: Rohstoff Nummer 1, Erdöl, hat ja in den letzten Tagen für gute Laune gesorgt. Immerhin ist der Preis von $135 auf derzeit $128 zurückgekommen.
Nächste Unterstützungen liegen bei der GD38 bei 120, GD50 bei 116 und GD200 bei 94.
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Saisonal müsste Öl demnächst sein Jahrestief erreichen. Der Abschwung begann Ende Mai, passt insofern also recht gut mit nur 2 Wochen Verspätung.
Mitte Juni dürfte dann die Korrektur beendet sein und die nächste Aufwärtswelle beginnen. Spätestens am 4. Juli, dem Beginn der "driving-season" in den USA.
Happy Trades!
Marcus