Zunächst wie immer der Rückblick auf den Oktober.
Damals schrieb ich in Antizipation eines QE3 der FED:
MarcusFabian wrote:
ZitatAbsinken der Aktienmärkte auf das Tief August oder darunter. Danach überraschendes QE3 der FED mit entsprechender Trendwende, die den Dow vielleicht 500, den SMI 300 Punkte nach oben treibt.Alles anzeigen
Danach das übliche Spiel der bisherigen QE: Top-Bildung, wenn die Pumpenkohle der FED verbraucht ist.
Entsprechend für Währungen: QE3 löst eine Verkaufswelle von Dollars aus und entsprechend steigen Euro, Franken, Gold.
Daraus leite ich folgende konkrete Empfehlungen ab:
Aktien: Im Moment shorten. Aber immer mit Blick auf die FED. Und wenn sich zeigt, dass Ben QE3 ankündigt, volle Kanne kaufen.
Nun, QE3 der FED kam nicht. Diesmal kam QE aus Europa. Aber dazu später mehr.
Der SMI hat wie angenommen das 50% Retracement um 5700 nach oben durchbrochen. Der Kurs ist bis zum 61.8% Retracement bei 5871 gelaufen und dort technisch korrekt abgeprallt.
Die untere Marke des nach aufwärts gerichteten Trendkanals bei 5648 wurde im Oktober von den Bullen erfolgreich verteidigt.
Im Moment befindet sich der SMI charttechnisch im Niemandsland:
Aus bärischer Sicht sollte die Bärenmarktrally gelaufen sein. Mit dem Abprallen am 61.8er Retracement bei 5871 dürfte sie beendet sein und die Kurse sollten jetzt wieder sinken.
Aus bullischer Sicht ist ebenfalls diese Marke von 5871 von Interesse: Sollte sie nach oben durchbrochen werden, stehen weitere steigende Kurse an.
Das bedeutet für Bären: Short mit Stop-Loss um 5871.
Für Bullen: Am besten auf den Durchbruch bei 5871 warten. Für die mutigen oder jene, die bereits investiert sind: Einsteigen, drin bleiben aber mit Stop-Loss um 5647.
[Blockierte Grafik: http://img819.imageshack.us/img819/934/snagprogram0320.png]
Damit ist der SMI aus meiner Sicht abgehandelt. Ich möchte mich in dieser Monatseröffnung drei Themen widmen:
Schwerpunkt: Die diversen Rettungsschirme der Euro-Zone.
Des weiteren möchte ich kurz auf unsere letzte Woche gelaufene Diskussion über Währungsreform und Goldverbot eingehen und das dritte Thema ist Occupy Wallstreet.
Beginnen wir mit der
Buchstabensuppe der diversen QE-Massnahmen in Europa:
Da gibt es im wesentlichen drei: ESM, EFSF und ELA
Aber keine Angst, ich halte mich kurz
ESM: Europäischen Stabilisierungsmechanismus
Landläufig auch bekannt als Rettungsschirm, wobei noch nicht klar ist, ob es sich dabei um einen Regenschirm oder einen Fallschirm handelt.
Der ESM ist eine Schuldenunion. Sozusagen "Die vereinigten Schulden von Europa".
An Hand eines Phantasiebeispieles erklärt: Deutschland zahlt für seine Staatsanleihen 3%. Griechenland 16%.
Wenn nun Griechenland Geld braucht (und das tut es und nicht zu knapp!), sich aber 16% nicht leisten kann, nimmt Deutschland dieses Geld für Griechenland auf und verleiht es für vielleicht 4% oder 5% Zins an Griechenland weiter.
Gegenüber dem Gläubiger haftet nun Deutschland für die Schuld der Griechen.
Das perfide am ESM ist, dass er juristisch immun ist und über seine Transaktionen keine Rechenschaft ablegen muss. Hier wird die Demokratie also ausgehebelt. Siehe hierzu:
http://www.youtube.com/watch?v=8kmcloVZu1o
EFSF: European Financial Stability Facility
(Wer solche Ausdrücke erfindet, sollte standrechtlich erschossen werden! )
Der EFSF ist wurde am 26. Oktober mit €440 Mrd. bewilligt. Es soll ein Hebel von 4 zur Anwendung kommen.
Hä?
Was bedeutet das konkret?
Nun, der Ausdruck "Hebel" ist verwirrend, weil damit kein Hebel gemeint ist, wie wir ihn von Derivaten kennen.
Am besten erklärt man das an einem Beispiel:
Angenommen, Griechenland benötigt €1000 als Kredit.
China hat €1000 rumliegen und wäre bereit, den Kredit zu übernehmen.
"Hebel 4" bedeutet nun, dass der EFSF von diesen €1000 einen Viertel garantiert. Also €250.
Das bedeutet aus Sicht der Chinesen: Geht Griechenland Pleite, kann es nicht die ganzen €1000 verlieren sondern nur 3/4 davon also €750, weil der EFSF einen Viertel garantiert.
Aus Sicht Europas: Mit den €440 Mrd. im Fonds können bis maximal 4*440=1'760 Mrd. an Krediten gedeckt werden.
Ob sich die Chinesen oder andere potentielle Kreditgeber mit dieser 25%-Deckung zufrieden geben werden, ist im Moment noch ungewiss und auch zweifelhaft!
ELA: Emergency Liquidity Assistance
Ist das unbekannteste, geheimste und meiner unmassgeblichen Meinung nach das heisseste aller Eisen!
Per Definition geht es darum, dass eine Bank, die einen Liquiditätsengpass hat und somit unter enormem Druck steht, kurzfristig und unbürokratisch von der EZB Liquidität bekommt.
So weit so gut: Kann sich einer von euch vorstellen, dass das vielleicht auf die eine oder andere griechische Bank zutreffen könnte?
Ja?
Richtig geraten! Kein Wunder, nachdem wir ja wissen, dass viele reiche Griechen ihr Geld bei griechischen Banken abheben, um es in der Schweiz, Deutschland oder Österreich zu parkieren.
Wie viele ELA-Milliarden deswegen ausserplanmässig bereits an griechische Banken geflossen sind, wissen wir nicht, denn das wird absichtlich geheim gehalten. Schliesslich will man vermeiden, dass bekannt wird, dass eine Bank ELA in Anspruch genommen hat. Denn das würde zu Panik bei deren Kunden führen, die würden erst recht ihr Geld dort abheben und somit müsste weiteres ELA ausgeschüttet werden.
Siehe auch: http://www.rottmeyer.de/die-lizenz-zum-geld-drucken-ela/
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Fazit: Die diversen europäischen Rettungsschirme lösen kein Problem.
Das Problem ist z.B., dass die Griechen oder Italiener mehr Geld ausgeben als sie einnehmen. Und das erhöht die Schulden. Das schleckt keine Geiss weg!
Bestehende Schulden mit neuen Schulden und günstigen Zinsen aufzustocken, verlängert das Leiden, löst aber das Problem nicht. Die Spekulation der europäischen Politiker (zumindest das, was sie offiziell verlautbaren lassen) geht in die Richtung: "Wir müssen dem Land xy Zeit geben, um seine Wirtschaft zu sanieren und seine Schulden in den Griff zu kriegen. Wenn das gelungen ist, kann es durch seine Mehreinnahmen die Schulden zurückzahlen."
Das klingt in der Theorie überzeugend. Das Problem: Ein Land kann nur einen Handelsüberschuss erzielen, wenn es irgendwo ein Land gibt, das ein Handelsdefizit erzielt. Beispiel China <-> USA.
Die EU als Ganzes hat eine neutrale Handelsbilanz gegen aussen. Das heisst, dass im wesentlichen Handelsdefizite und -überschüsse innerhalb der EU generiert werden. Somit gehen z.B. die Überschüsse Deutschlands zu Lasten von Italien und Spanien. Wie soll also Italien zu Überschüssen kommen, wenn die ganze Welt am Sparen ist?
Wie dem auch sei: Die neuen QE-Programme Europas spülen Geld in die Banken, was sich kurzfristig positiv auf die Aktienpreise auswirkt, wie wir die letzten Tage beobachten konnten. Wie lange dies vorhält, wissen wir noch nicht. Jeder Depp - Politiker ausgenommen - weiss, dass diese Geldspritzen in Billionen-Euro-Höhe keine Lösung darstellen für Länder, die kein funktionierendes Business Modell haben. Aber nach dem Motto "die Hoffnung stirbt zuletzt" wird alles auf Kosten der Steuerzahler ausprobiert.
Diskussion um Goldverbot
Ich fasse mal die Diskussion zu Währungsreform, Goldverbot etc. der letzten Woche zusammen:
// Ironie On
Interessant ist, dass die Verschwörungstheorie "Goldverbot" aus Ecke jener Goldhasser kommt, die ja bereits brillianter Weise erkannt haben, dass Gold ein absolut archaisches, sinnloses und eigentlich wertloses Metall ist, das man nicht essen kann und das auch keine Zinsen zahlt und es somit eines Zustandes hochgradiger Idiotie bedarf, diesen Mist überhaupt zu kaufen!
Nichts desto trotz unterstellen genau jene Anti-Gold-Gurus den verehrten, vertrauenswürdigen, hochgelobten und in allen Lebenslagen hochkompetenten Politikern, das Eigentumsrecht (eines der Grundrechte im Kapitalismus) zu brechen, um den Besitz ausgerechnet dieses sinnlose Metalles zu verbieten.
Das macht für mich irgendwie keinen Sinn: Warum sollte man etwas verbieten, das doch so offensichtlich sinnlos ist???
//Ironie Off
Die grösste Gefahr für die nächsten Jahre ist ein Kollaps unsers Geldsystems. Sprich, dass Vermögen von oben nach unten umverteilt wird (das wäre die beste Variante) oder aber das das Geldsystem wieder mal einen Reset erlebt und Geld entwertet wird.
Um das zu verdeutlichen, versuche ich mal, das in einen überschaubaren Vergleich zu packen:
Stellt euch vor, 4 Männer versuchen eine auf der Spitze stehende Pyramide im Gleichgewicht zu halten: Wenn wir mal davon ausgehen, dass die Jungs Stehvermögen haben, nicht schlafen und nicht müde werden (oder abgelöst werden), sind es zwei Faktoren, die bestimmen, ob, wie lange und unter welchen Umständen die Pyramide gehalten werden kann.
Der eine Faktor ist die Kraft der Männer, die ich mal mit etwas über 100kg oder 1000 Newton veranschlage.
Der andere Faktor ist das Gewicht der Pyramide. Ist sie aus Styropor und wiegt 100kg, dann werden die 4 Männer diese Pyramide unendlich lange halten können.
Auch die auf dem Kopf stehende Cheops-Pyramide mit 5.75 Mio Tonnen könnte theoretisch von den 4 Männern gehalten werden, sofern sie perfekt austariert, keinem Windstoss ausgesetzt ist und kein Vogel draufkackt.
In meinem Beispiel entspricht die Kraft der Männer dem Eigenkapital der Banken und das Gewicht der Pyramide dem Volumen der ausstehenden Derivate.
Des Rätsels Lösung lautet: Die 4 Männer haben eine Pyramide von 10 Tonnen Gewicht im Gleichgewicht zu halten.
(6 Billionen EK der Banken (Quelle: http://brandirectory.com/leagu…500_2011/index.php?page=1)
vs. 600 Billionen Derivate = Faktor 100. 100k Kraft eines Mannes * 100 = 10'000 kg)
Das ist wie gesagt machbar, solange der Wind nicht bläst. Und auch dann können wir noch nicht genau bestimmen, ab welcher Windstärke einer der Männer einbrechen wird. Wir können Abschätzen, dass die Windstärke irgend wann erreicht wird. Aber wann genau? Morgen? In 10 Jahren?
Um beim Vergleich mit der Schuldenlast zu bleiben, wissen wir, dass regelmässig neues Material auf die Pyramide draufgeladen wird. Wir wissen auch, dass die Gewichtszunahme immer schneller - exponentiell - verläuft. Je schwerer die Pyramide, desto geringer der notwendige Wind, um sie zu Fall zu bringen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis unsere Pyramide, unser Geldsystem umfällt. Wir wissen nicht, wann es genau passiert aber wir wissen, dass es passieren wird.
Gegen einen Kollaps des Geldsystems kann man sich schützen, indem man möglichst wenig Geldvermögen hat und umschichtet in Sachwerte.
Konkret sind das drei Beine:
Immobilien, Aktien, Edelmetalle.
Mit Geldvermögen meine ich Bargeld, Giroguthaben, Festgelder, Obligationen, Lebensversicherungen und Pensionskassen.
Bei Immobilien kann man keine allgemeinen Tipps abgeben. Es kommt auf die Lage des Objektes an, selbst bewohnt oder als Mietobjekt, Eigenkapital ... etc.
Immobilienbesitzer müssen sich bewusst sein, dass nach Resets sehr oft die Staaten gezielt die Immobilienbesitzer abgreifen, um Steuereinnahmen zu generieren. Aber ansonsten sind Immobilien ein sehr guter Inflationsschutz.
Bei Aktien sollte man unbedingt auf gute Dividendentitel Wert legen. Auf Firmen setzen, die auch eine allfällige Finanzkrise 2 überstehen werden. Darunter gehören sicher die Versorger (Lebensmittel, Pharma, Energie, Rohstoffe).
Strong Finger weg von FIRE-Aktien (Finance, Insurance, Real-Estate), denn die dürften bei einer Finanzkrise 2 ganz gewaltig unter Druck kommen.
Sollte es zu einer Finanzkrise 2 kommen - und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch - werden Aktien wie 2008/09 massiv im Preis einbrechen. Wer sich dessen bewusst ist und dennoch Aktien halten will, kann sie über Put-Optionen absichern.
Bei Edelmetallen ist wichtig, dass man physisches Metall kauft und nicht Papiere (ETF's, Optionen, Metallkonto).
Edelmetalle liefern keine Zinsen oder Dividenden, bieten aber einen besseren Inflationsschutz als Aktien und Immobilien, da sie in einem Umfeld steigender Inflation im Preis stärker steigen als die Teuerung. Da im Moment die Zinsen/Dividenden ohnehin verschwindend gering sind, setze ich mehr auf Edelmetalle als auf Aktien.
Renditeüberlegungen sollten aber heutzutage gar nicht im Vordergrund stehen. Es muss rein darum gehen, sein Vermögen möglichst sicher über durch die Krise zu bringen.
Unter dem Strich bedeutet das also, sich möglichst unabhängig von Banken zu machen. Also zum Beispiel keine Wertpapiere zu halten, die im Falle eines Banken-Konkurses wertlos werden könnten. Bankkonten gehören genau so in diese Kategorie wie ETF's oder andere Papiere, die "Versprechen" von Banken darstellen.
Wer Bank-Aktien hält, muss sich bewusst sein, dass Risiko und Rendite eineiige Zwillinge sind. Banken haben in den letzten 20 Jahren (bis 2007) sehr gute Gewinne gemacht, sind aber ein entsprechend hohes Risiko gefahren.
Kommt es zu einer zweiten Finanzkrise, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Die Bank überlebt. Dann wird sie sich nach der Krise seriöser aufstellen müssen. Den Eigenkapitalanteil nach oben, den Risiko-Hebel nach unten fahren. Aktionäre erhalten dann sicherere aber weniger Dividende. Entsprechend dürfte der Preis der Aktie sinken.
2. Die Bank überlebt nicht, dann ist die Aktie für den Aktionär ohnehin ein Totalverlust.
Occupy WallStreet (OWS)
OWS wird in den Massenmedien durchgängig ignoriert.
Und wenn nicht, dann wird die Bewegung entweder lächerlich gemacht oder mit - je nach Gusto - kommunistischen, sozialistischen oder faschistischen negativen Stereotypen belegt.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass OWS sehr schnell wächst und sich mittlerweile innert zweier Monate auf knapp 2400 Städte (s. http://www.meetup.com/occupytogether/) ausgebeitet hat.
Weiterhin ist interessant, dass Barack Obama wie auch Hillary Clinton die Idee von OWS voll unterstützen, wie man in folgendem Video nachvollziehen kann: http://www.youtube.com/watch?v=zjfhOPCPJnE
Zugegeben: Obama und Hillary beziehen sich in ihren im Video zitierten Reden auf Ägypten, Libyen, Syrien oder Iran. Aber - hey - warum sollen Bürgerrechte und Freiheiten, die aus amerikanischer Sicht für diese Länder gelten, nicht auch für die Bürger der USA gelten?
Um was es bei OWS geht und was die konkreten Ziele sind, ist noch nicht klar. Ist OWS ein Wendepunkt in der Politik oder einfach nur Woodstock ohne Musik?
Was sich bisher herauskristallisiert ist, dass es ein bunt gemischter Haufen jener 99% der Bevölkerung ist, die die Nase voll hat von Banken-Bailouts und Banker-Boni auf Kosten der Steuerzahler, die als Gegenleistung ihr Haus und ihren Job verlieren.
Was OWS will oder nicht will, ist selbst den Aktivisten von OWS noch nicht klar. Ich habe vor 3 Wochen im damals neu eröffneten Forum von OWS meine Fragen und Bedenken gepostet: http://www.themultitude.org/forum/viewtopic.php?f=4&t=5. Die Antworten sind sehr aufschlussreich.
Wer sich weiter für das Thema interessiert: Hier im Forum führt Ramon Lull den folgenden empfehlenswerten Thread: http://classic.cash.ch/node/5019
Einer der Slogans der Demonstranten von OWS auf der Strasse lautet: "This is what democracy looks like".
Und ja, wenn die Bürger auf die Strasse gehen, um ihrem Unmut gegen die Politik und Staatsmacht Ausdruck zu verleihen, dann ist das wohl die direkteste Form der Demokratie. Höchstens noch vergleichbar mit dem Bajonett-in-die-Höhe halten auf dem Marktplatz von Herisau, AR.
Happy Trades
Marcus