Rückblick auf den August
Den Rückblick auf den August können wir uns - zumindest, was mein Orakel betrifft - schenken, denn ich habe mich vor einem Monat zu keiner Prognose hinreissen lassen:
MarcusFabian wrote:
Zitat
Ich habe bereits mehrmals erwähnt, dass sich in den volumenschwachen Sommermonaten die Richtung nur schwer abschätzen lässt. Deshalb lasse ich das Orakeln bis in den September. Nur soviel: In den nächsten Tagen ist zumindest eine Korrektur zu erwarten. Die Rally der letzten 20 Tage hat doch so einige Gaps produziert.
Ich gebe allerdings zu, dass ich mit dem Sprung von 6000 auf 6200 nicht gerechnet hätte:
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Wenn ich mal unterstelle, dass das Interesse an Aktien (= Volumen) in den USA und der Schweiz ähnlich ist, dann stellen wir fest, dass das Volumen seit März im Dow stetig gesunken ist:
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Das ist durch die Sommerferien zu erklären und per se weder etwas gutes noch schlechtes. Es zeigt nur auf, dass dem Chart nicht zu trauen ist. Schliesslich ist es für eine Aktie leichter, sich stark zu bewegen, wenn sie nur mit kleinem Volumen gehandelt wird. Entsprechend zeigen grosse Volumen ein starkes Interesse und Bewegungen sind dann stärker zu gewichten.
Ausblick auf den September
Alle Trader wissen, dass wir uns nun der schwächsten Zeit des Jahres nähern.
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Traditionell sind September und Oktober die schwächsten Börsenmonate. Entsprechend ist zu erwarten, dass die Big-Boys demnächst ihre Gewinne sichern werden.
Dafür, dass die Frühlingsmonate stark und die Herbstmonate schwach sind, gab es übrigens vor 100 Jahren eine sehr einfache und logische Begründung:
Damals haben Bauern noch nicht an der Börse gezockt sondern sich auf die Produktion von Nahrungsmitteln konzentriert. Im Frühling kauften die Bauern Saatgut, Maschinen etc. in den Städten. Es floss also Geld vom Land in die Stadt und die Städter legten die Gewinne an der Börse an.
Im Herbst dann das umgekehrte Spiel: Die Bauern verkauften ihren Waren in die Städte und so wurden Aktienpositionen aufgelöst und das Geld floss von der Stadt aufs Land.
Heute dürfte diese Begründung weitestgehend ausser Kraft gesetzt sein. Warum also immer noch die Frühlingsmonate stark und die Herbstmonate schwach sind, dafür fehlt heute die Basis. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass diese Erfahrung dermassen in den Köpfen der Börsianer verankert ist, dass sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung geworden ist: Wenn alle damit rechnen, dass ab Mitte September die Kurse sinken und entsprechend keiner mehr kauft und jeder verkauft, dann können die Kurse ja nur sinken.
Mal abgesehen von dieser Saisonalität gibt es derzeit aber keine Anzeichen für eine Abschwächung der Börsen. Zumindest nicht, wenn man die Charts betrachtet. Der Kampf zwischen Bulle und Bär ist also noch nicht entschieden und die Schätzungen über den weiteren Verlauf des SMI im September gehen weit auseinander.
Chris hat hier http://classic.cash.ch/node/3494 unter dem Titel "Schätze SMI per Ende September" eine Umfrage gestartet, wie wir, die Cash-Leser den SMI per Ende September sehen.
Hier die Zusammenfassung der Votings (danke, Green Shoot)
Kapitalist /-----------/ <5400
M.A. aus A./---------/ 5800
MarcusFabian /------/ erste 3 Wochen auf 6500 danach runter Richtung 5800
tschonas /----------/ <6000
Hugo2901 /---------/ exakt 6014.73
kleinerengel /-------/ 6060
pacha /-------------/ 6150
jon /---------------/ 6200
freebase /----------/ 6400
Miami /-------------/ 6550
Neu-SG /----------/ 6600
Mali-P /------------/ 6700
Chris /-------------/ 6700
Joesy /-------------/ 6731
Green Shoot /-----/ zwischen 6750 und 6850
yzf /---------------/ 6900
Im Konsensus ergibt sich somit ein Durchschnittswert von: SMI 6300.36
Most bullish: yzf
Most bearish: Kapitalist
Nearest to Konsens: freebase
Eingefügt aus
Rezession, Inflation?
Die alles beherrschende Frage lautet im Moment: "Ist die Rezession vorbei"?
Wir hatten in den letzten Wochen Wirtschaftsdaten, die klar anzeigen, dass die Fallgeschwindigkeit der Wirtschaft abgenommen hat. Das heisst: Wir haben zwar immer noch sinkende Häuserpreise in den USA und steigende Arbeitslosigkeit aber die Geschwindigkeit hat abgenommen. Und das könnte auf einen Boden hindeuten. Entsprechend die Kaufwut der Trader, denn es gibt nur eines, was einen Spekulanten mehr ärgert als ein Verlust: Eine verpasste Chance.
Doch selbst wenn ein Boden gefunden wird, bedeutet das einen neuen Aufschwung oder wird die Wirtschaft über längere Zeit auf niedrigem Niveau vor sich hin siechen (Roubini)?
Um das zu verstehen, müssen wir etwas genauer betrachten, was eine Rezession eigentlich ist und was sie für den Einzelnen bedeutet.
Betrachten wir es aus Sicht von John Dow, der 2008 seinen Job noch hat aber langsam Angst bekommt, er könne seinen Arbeitsplatz verlieren. Er liest von Bankenkrise, von steigender Arbeitslosigkeit, Konkursen … und das macht ihm Angst.
Er hat ein 8 jähriges Auto, das er eigentlich gerne ersetzen würde. Aber er beschliesst, die alte Karre doch noch ein paar Jahre zu fahren. Jetzt nur keine neuen Schulden machen! Im Gegenteil: Sparen und bestehende Schulden abbauen. Die Ferien fallen dieses Jahr flach und die Tochter muss auf Nike-Turnschuhe verzichten. Die Billiglatschen aus WalMart tun's auch. Den Frühstückskaffe nimmt man von zu Hause mit, statt bei Starbucks jeden Tag $5 auszugeben. Auf auswärts Essen wird verzichtet. Gekocht wird wieder mehr zu Hause. Ist billiger und gesünder.
Das Haus macht auch sorgen. Zwar kann er sich die Zinsen noch leisten. Die Regierung hat zum Glück schnell genug reagiert und die Hypothekarzinsen sind zum Glück bei 6% stabil geblieben. Aber der Wert des Hauses ist dramatisch gesunken.
Als John das Haus vor 3 Jahren gekauft hat, hat er $500'000 dafür bezahlt. Ach wie glücklich war er doch, als es ein Jahr später $550'000 Wert war!
Und jetzt? Als Nachbar Jim vor 6 Monaten seinen Job verlor und sein Haus verkaufen musste (notabene ein baugleiches Modell wie Johns Haus), hat er noch $420'000 dafür gekriegt. Und letzten Monat musste Bill aus der Parallelstrasse seines sogar für $350'000 verschleudern! Wo soll das noch enden?
Es gibt kaum noch Käufer aber jene Anzahl Menschen, die ihr Haus verkaufen müssen.
In der ersten Phase der Rezession wird also der Konsum heruntergeschraubt. Die Sparquote ist in den USA von -2% auf 6% nach oben geschossen. Schulden werden abgebaut. Das ist durchaus eine positive Entwicklung und auch sehr gesund und bitter nötig. Aber durch den stark sinkenden Konsum kann die in den Boom-Jahren aufgebaute Überproduktion nicht mehr verkauft werden. Entsprechend werden Geschäfte und Firmen der Konsumgüterindustrie so lange in Konkurs gehen, bis sich das Angebot auf das Niveau der gesunkenen Nachfrage abgeschwächt hat. Nach einer Phase sinkender Preise von Privatimmobilien folgt entsprechend zeitverzögert ein Crash der Preise von Geschäftsliegenschaften. So zum Beispiel das Schuhgeschäft für teure Sportschuhe, das fast keinen Umsatz mehr macht, weil die Leute vermehrt chinesische Billigschuhe in WalMart kaufen.
Dass WalMart entsprechend in der Krise mehr Umsatz macht, bringt der amerikanischen Wirtschaft auch nichts, denn 80% der WalMart Produkte stammen aus China.
Der Dritte Schritt der Rezession - nach Privatkonsum und Konsumgüterindustrie - betrifft die Investitionsgüterindustrie. Die haben am Anfang der Rezession noch volle Auftragsbücher und Arbeit für die nächsten 6 Monate. Aber im Verlauf der Rezession nehmen die Aufträge ab und es lässt sich abschätzen, dass auch sie 9-12 Monate nach Ausbruch der Rezession vermehrt Mitarbeiter entlassen und Firmen schliessen müssen.
In der Folge werden immer weniger Arbeitnehmer Waren produzieren. Das Angebot nimmt ab. Dennoch bleiben dank Staat auch die Arbeitslosen als Konsumenten erhalten. Auch wenn sie weniger konsumieren können als Arbeitnehmer.
Sind die Schulden dereinst abgebaut und alle schwachen Firmen Konkurs gegangen, wird sich auch die Arbeitslosenquote stabilisieren. Die überlebenden Firmen haben sich mit der Situation arrangiert. Die besten davon konnten ihre Umsätze sogar halten, denn es war ihnen möglich, die Kunden der Konkursiten Konkurrenz zu übernehmen. Wirtschafts-Darwinismus pur: Die Starken haben den Winter überlebt und sind nun stärker als je zuvor und die Schwachen sind gestorben.
John Dow wird dann die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust verlieren. Seine Schulden sind nun bezahlt, er hat sogar einen kleinen Notgroschen angelegt und schwört sich, in Zukunft nie mehr Schulden zu machen. (Vom Haus mal abgesehen). Die nur 10 Jahre alte Karre muss jetzt aber endgültig ersetzt werden. Er beginnt wieder zu konsumieren und kauft sich das neue Auto.
Was ich hier als Geschichte um Johns Auto verpackt habe, lässt sich genau so auf den Charts nachweisen:
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Im Schnitt lieget die Kapazitätsauslastung der US Automobilindustrie so grob bei 80%.
Wenn wir die Rezession 1981 betrachten, so sind dort die Autoverkäufe sehr stark zurückgegangen.
Nach Ende der Rezession stiegen die Autoverkäufe stark an und zwar kurzfristig weit über das normale Niveau hinaus. Es ist während der Rezession ein Nachholbedarf entstanden. Was während der Rezession zu wenig verkauft wurde, wird jetzt zusätzlich verkauft.
Betrachten wir die kleine Rezession 2001, sehen wir nur einen vergleichsweise kleinen Nachholbedarf im Jahr 2003. Der Grund: Greenspan hatte die Zinsen gesenkt und die US Automobilindustrie konnte Autos sehr attraktiv mit 0% Leasing anbieten. Damit sind die Verkaufszahlen weniger stark gesunken als man für eine Rezession erwarten müsste. Entsprechend wurde aber auch weniger Nachholbedarf aufgebaut, der 2003 zu höheren Zahlen hätte führen müssen.
Betrachten wir die aktuelle Rezession, die stärker und länger als jene von 1981 ausfällt, dann lässt sich abschätzen, dass derzeit ein ungeheurer Nachfragedruck aufgebaut wird. In einigen Jahren werden die Amis also Autos wie blöd kaufen. Allerdings wissen wir noch nicht, ob das GM oder Toyota sein werden.
Aber noch ist es nicht soweit, obschon ich die Vorfreude auf die kommende Erholung gerne teilen würde: Die Arbeitslosigkeit in der Investitionsgüterindustrie wird noch steigen, die Preise für Geschäftsliegenschaften werden noch fallen und der Abbau von Schulden ist noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, die Schuldenlast wird nur von Privaten, Banken und Unternehmen auf den Staat verlagert.
Es ist also noch zu früh, auf eine Erholung der Wirtschaft zu spekulieren. Auch wenn die Börsen dies derzeit voraus nehmen.
Der private Konsum ist derzeit jedenfalls immer noch im freien Fall.
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Ebenso die ausbezahlten Löhne.
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Es ist schwierig abzuschätzen, wann sich die Anleger sagen werden: "Uups, zu früh gefreut, die Erholung wird doch noch etwas auf sich warten lassen." und ihre Aktien wieder verkaufen.
Der September ist auf alle Fälle ein Monat, der für Aktienverkäufe prädestiniert ist. Aber ob eine Verkaufswelle bereits in der ersten oder doch erst in der dritten Septemberwoche anrollt und welche Ausmasse sie - wenn überhaupt - annimmt, lässt sich kaum abschätzen.
Grob-Prognose deshalb: Stabile bis steigende Kurse für die ersten beiden Septemberwochen und danach schneller Abverkauf.
Happy Trading
Marcus