In SIG kann man jetzt wieder günstig einsteigen. In der FuW von gestern ist dieser Artikel erschienen:
" SIG-Führung muss Schlagkraft beweisen
Zwei Jahre auf fokussierter Strategie – Europadominanz wird verringert – Kapazitätsveränderungen verzögert – Aktien mit Potenzial
Von Thomas Hengartner
Vor zwei Monaten war die oppositionelle Aktionärin Sterling Strategic Value an der Generalversammlung des Getränkeverpackungskonzerns SIG mit ihren Anträgen für Veränderungen im Verwaltungsrat knapp unterlegen. Weil anschliessend kurzfristig agierende Investoren und Hedge funds ihre Bestände losschlugen, gaben die SIG-Aktien rund 15% nach. Damit ist der Vorsprung auf den Gesamtmarkt, den sie ab 2004 gewonnen hatten, eingebüsst. Damals stoppten Verwaltungsratspräsident Lambert Leisewitz und Konzernleiter Rolf-Dieter Rademacher, die beide neu ins Amt gekommen waren, fehlgeschlagene Diversifikationen. Die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft Getränkekartons fand Anklang.
Im Visier der Interessenten
Leisewitz, der vor zwei Monaten nur knapp der Abwahl aus dem Verwaltungsrat entgangen ist, steht zusammen mit den weiteren Ratsmitgliedern in der Beweispflicht für den Erfolg des eingeschlagenen Wegs. Die Verantwortlichen von SIG setzen sich ein für eine Zukunftsmeisterung in Selbständigkeit. Angebote für ein Zusammengehen mit anderen Industriellen oder eine Übernahme durch ein Private-equity-Haus hatten sie im vergangenen Jahr abgeblockt. Die Stellung von SIG als kräftige Nummer zwei im Getränkekarton (nach Tetrapak) mit einem Umsatz von gut 1,2 Mrd. € wird sie im Visier von Übernahmeinteressenten halten.
Im operativen Geschäft stehen die SIG-Chefs vor Prüfsteinen, denn der dominierende Europaabsatz droht durch Entscheide von Grossabfüllern zu Gunsten von Gebinden aus Pet destabilisiert zu werden. Im Spätherbst wurden deshalb Restrukturierungsmassnahmen ergriffen, die rund 25 Mio. € kosten. Sie haben zum Ziel, die Abhängigkeit der Getränkekartonsparte Combibloc vom Heimmarkt Deutschland möglichst rasch zu verkleinern und das ausserhalb Europas erst beschränkt genutzte Potenzial eilends zu erschliessen (vgl. Grafik zu den Absatzmärkten). Das traditionelle Kundensegment Getränkeabfüller soll zudem um die Nahrungsmittelbranche erweitert werden. Adaptierte Lösungen zeigen, dass das SIG-Systemgeschäft mit Abfüllmaschinen und Packmaterial auch für Gemüse und Fertiggerichte eingesetzt werden kann.
Die am Hauptproduktionsstandort Deutschland geplanten Kapazitätsveränderungen benötigen indes länger als erwartet. «Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat verzögerten sich wegen Neuwahlen. Wir rechnen mit einem Abschluss in den nächsten Wochen», sagt Kommunikationsleiter Thomas Werder. Andererseits hält er fest, dass SIG Combibloc in Europa erfreulich wachse – in Deutschland immerhin besser als erwartet – und dass in anderen Weltgegenden, vor allem in China, die Märkte boomten. Der für Deutschland erwartete Umsatzrückgang werde erst in der zweiten Jahreshälfte spürbar werden, ergänzt er. Durchaus möglich ist, dass einige Grossverteiler nicht im befürchteten Ausmass auf Pet-Gebinde umstellen. Umsatzwachstum und Ertragsspanne könnten heuer weniger schwinden, als die SIG-Geschäftsleitung noch an der Jahreskonferenz Anfang März vorhergesagt hatte. Nächste Referenz sind die Semesterzahlen, die am 22. August vorgelegt werden.
Die Internationalisierung des Absatzes schreitet voran. In China beliefert SIG die beiden führenden Milchverarbeiter mit Combibloc-Abfüllern und Packmaterial. Im Jahr 2005 hatten diese Kunden die Zahl verbrauchter Getränkekartons bereits verdoppelt, sodass SIG das erst ein Jahr zuvor erstellte Packstoffwerk in Suzhou mit Hochdruck erweitern muss. Nach Belieferverträgen mit zusätzlichen Referenzkunden im arabischen Raum ist auch die im November in Riad eröffnete Getränkekartonherstellung bereits gut ausgelastet.
Der nächste Schritt führt SIG nach Brasilien. Mit Batavia und Frimesa zählt SIG Combibloc zwei der bedeutendsten Nahrungsmittelkonzerne des grössten südamerikanischen Landes zu den Kunden. Das vereinbarte Liefervolumen rechtfertigt es, den Bau eines Packstoffwerks in Brasilien zu planen.
Rascher aus der Gewinndelle?
Die ermutigenden Fortschritte ausserhalb Europas nähren die Zuversicht, dass sich SIG in ihrer Kernsparte Getränke- und Nahrungsmittelkartons bereits 2007 und damit ein Jahr eher als angekündigt in die Nähe des früheren Ertragsniveaus zurückkämpfen kann. Damit würde nächstes Jahr der für 2006 in Aussicht gestellte Gewinn von lediglich rund 45 Mio. € oder umgerechnet 11 Fr. je Aktie deutlich überboten. Für langfristig disponierende Anleger kann das ein Argument sein, an den Papieren festzuhalten, obschon sie gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis 2006 von 23 hoch bewertet erscheinen.
SIG und die anderen Grossen der Branche – die privat gehaltene Tetrapak und die norwegische Elopak – werden mitbetroffen sein von der vorgesehenen Abspaltung des Getränkeverpackungsbereichs von International Paper. Der US-Konzern trennt sich davon, um Schulden zurückzahlen zu können. SIG überlegt sich, für die zu ihr passenden Teile zu bieten. «Wir sind im Evaluationsprozess und werden nächstens entscheiden», bestätigt Werder. Organisches Wachstum hat Vorrang, doch ergänzende Akquisitionen will sich der Verwaltungsrat nicht entgehen lassen. SIG stehen zur Finanzierung eine schuldenarme Bilanz und einige vorrätige Aktiven in Form von vermieteten Immobilien am Sitz in Neuhausen zur Verfügung. Auf die weiteren Taten der SIG-Führung darf die Anlegergemeinde gespannt sein.
Finanz und Wirtschaft vom 7. Juni 2006"