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Dank dem altehrwürdigen Maison Cartier ist Richemont im Schmuckgeschäft eine richtig grosse Nummer. Seit sich der französische Mischkonzern LVMH für viel Geld die amerikanische Tiffany angelacht hat, spielen die Genfer weltweit allerdings nur noch die zweite Geige. Das kratzt am Ego.

Dass die Übernahmefantasien in der Luxusgüterindustrie seit Wochen auch den Aktien von Richemont Auftrieb verleihen, reicht nicht. Ein Plan muss her.

Für den bekannten Luxusgüteranalyst Luca Solca von Bernstein Research gibt es eigentlich nur eine vernünftige Antwort durch die Genfer: Ein Zusammenschluss mit dem mächtigen Rivalen Kering.

Das dadurch entstehende Unternehmen würde LVMH von der Grösse her zwar nicht überholen, den Franzosen zumindest aber das Wasser reichen können. Ausserdem würden wichtige Lücken im Produktangebot geschlossen und die Stellung der Richemont-Tochter Yoox-Net-a-Porter (YNAP) gestärkt.

Ganz uneigennützig ist der für Bernstein Research tätige Solca mit diesem Übernahmeszenario nicht - schliesslich wollen die "Outperform" lautende Kaufempfehlung und das Kursziel von 90 Franken begründet sein. Und wie es der Zufall will, stuft der Luxusgüteranalyst auch die Papiere von Kering mit "Outperform" ein.

Hauptsache die Investmentthese "stimmt": Kursentwicklung der Richemont-Aktien in den letzten zwei Wochen (Quelle: www.cash.ch)

Interessant ist, dass Solca verstanden haben will, dass er keine Kenntnis von konkreten Plänen einer Übernahme oder eines Zusammenschlusses habe. Mit anderen Worten: Seine Planspiele sind blosse Effekthascherei, mehr nicht.

Erst kürzlich griff auch sein Berufskollege Eric Le Berrigaud von Bryan Garnier tief in die Effektkiste und fabrizierte eine Geschichte um den Basler Pharma- und Diagnostikkonzern Roche. Er rechnete vor, dass die Genussscheine auf einen Schlag bis zu 375 Franken wert sein würden, sollte das Traditionsunternehmen das Diagnostik- vom Pharmageschäft abspalten und verselbständigen. Wenig überraschend zählt Le Berrigaud die Valoren von Roche zu den Schlüsselkaufempfehlungen in der europäischen Pharmaindustrie. Den rechnerischen fairen Wert setzt er mit 350 Franken etwas unter den rechnerischen 375 Franken an.

Bei aller Sympathie für Le Berrigaud - das Geschäftsmodell von Roche scheint er nicht wirklich verstanden zu haben. Gerade weil die Basler über eine führende Rolle in der Diagnostik verfügen, sind sie der Konkurrenz im Bereich der personalisierten Medizin einen entscheidenden Schritt voraus. Ob es wirklich ratsam wäre, diesen Vorteil für ein kurzsichtiges Manöver aufzugeben, ist fraglich.

Angesichts der zuletzt stark gestiegenen Kurse ist bei den "Bons" von Roche Kreativität gefragt (Quelle: www.cash.ch)

Dass es auch anders geht, zeigt Analystin Gabriella Abderhalden von Julius Bär. Sie stuft die Aktien von Richemont ohne grosse Schnörkel von "Hold" auf "Buy" herauf. Auf Basis des von LVMH für Tiffany bezahlten Kaufpreises räumt sie auch dem Schmuckgeschäft des Genfer Luxusgüterkonzerns einen höheren Wert ein. Dadurch steigt das Kursziel auf 83 (zuvor 78) Franken. Im Wissen um die starke Stellung Richemonts in diesem Geschäftszweig und in Erwartung von Marktanteilsgewinnen zu Lasten kleinerer und unbekannter Schmuckhersteller traut Abderhalden den Papieren zukünftig eine überdurchschnittliche Kursentwicklung zu.

Wenn man den Analysten etwas nicht vorwerfen kann, dann mangelnde Kreativität. Ohne einen tiefen Griff in die Effektkiste lässt sich das hohe Kurs- und Bewertungsniveau einiger Schweizer Aktien auch kaum noch rechtfertigen. Neben den genannten Übernahme- oder Aufspaltungsszenarien bedienen sich Analysten noch anderer Kniffe – beispielsweise in dem sie im Rahmen sogenannter "Blue-Sky-Szenarien" von den bestmöglichen Annahmen ausgehen, nur um sich daraus ein attraktiv hohes Kursziel zurechtzulegen. Beliebt ist auch, die Barmittel eines Unternehmens bei dessen Bewertung auszuklammern oder stattdessen gar ein Aktienrückkaufprogramm oder eine gewinnverdichtende Firmenübernahme ins Modell einzubauen. Gesund ist anders...

 

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