Der cash Insider ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv. Lesen Sie börsentäglich von weiteren brandaktuellen Beobachtungen am Schweizer Aktienmarkt.

***

Auch am Schweizer Aktienmarkt Schweizer Aktienmarkt geraten die Baissiers nach der jüngsten Rekordjagd immer mehr in Erklärungsnot. Wer nicht schon vor Wochen kapituliert hat, wirft spätestens jetzt das Handtuch. So wird mir zumindest aus dem hiesigen Berufshandel berichtet.

Und tatsächlich scheint der Baissier in diesen Tagen eine vom Aussterben bedrohte Spezies zu sein. Denn auch in Analystenkreisen werden seit Jahren unermüdlich immer wieder bekräftigte Verkaufsempfehlungen über Nacht und unter teilweise fadenscheinigen Begründungen zurückgezogen.

Auch heute werfen wieder zwei Experten das Handtuch. Den extremsten Sinneswandel vollzieht dabei die für Goldman Sachs tätige Analystin. In einer Studie zum europäischen Investitionsgütersektor stuft sie die Namenaktien von Geberit gleich um zwei Stufen von «Sell» auf «Buy» hoch. Nach einer Aufwärtsrevision der EBIT-Schätzungen um bis zu 30 Prozent wird den Papieren auf einen Anlagehorizont von 12 Monaten ein Aufwärtspotenzial bis auf 365 (223) Franken zugetraut.

Die Analystin begründet ihren Sinneswandel mit einer stärkeren Marktdurchdringung in Europa, dem Wachstumspotenzial in den Schwellenländern genauso wie mit dem finanziellen Spielraum für weitere Aktienrückkäufe. Allesamt Faktoren, welche eigentlich schon zum Zeitpunkt der damaligen Verkaufsempfehlung im vergangenen Oktober auf der Hand lagen.

Bis zu einem gewissen Grad entschuldigt ist hingegen der Berufskollege von JP Morgan. Der Experte wurde bei Dufry durch die Übernahme der Nuance Group auf dem falschen Fuss erwischt. In einer Unternehmensstudie stuft er die Namenaktien des Betreibers von Zollfreiverkaufsstellen an Flughäfen reumütig von «Underweight» auf «Neutral» hoch. Nach Berücksichtigung der Synergien liefert sein Bewertungsmodell neu ein Kursziel von 166 (141) Franken.

Die schon seit Wochen zu beobachtende Kapitulation der Aktienanalysten ist vermutlich ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass sich die Hausse nach nunmehr fünf Jahren in einem weit fortgeschrittenen Stadium befindet. Wird sich die für ihr pro-zyklisches Verhalten bekannte Berufsgilde ihrer Sache zu sicher, verkommt die Mainstream-Meinung zum verlässigen Gegenindikator für die Aktienmärkte.

***

Doch keine Regel ohne Ausnahme: In der Studie wartet Morgan Stanley mit anhand eines quantitativen Modells ermittelten Verkaufsempfehlungen für Europa auf.

Die verantwortlichen Experten unterteilen diese Aktien in vier verschiedene Kategorien: Solche mit schwachen fundamentalen Aussichten, zu hohen Erwartungen, zu stolzen Bewertungen sowie angeschlagenen oder schwachen Bilanzen.

Der Studie lässt sich entnehmen, dass nicht weniger als 58 Aktien bei mindestens zwei der vier Kategorien in Erscheinung treten. Sieben davon lassen sich sogar drei Kategorien gleichzeitig zuordnen. Bei diesen Aktien handelt es sich um jene von Banca Popolare Milano, CRH, FCC, Mediobanca, Norsk Hydro, Saipem und Wetherspoon. Auffällig ist, dass gleich vier südeuropäische Banken darunter zu finden sind. Bei Morgan Stanley werden alle vier auch offiziell mit «Underweight» eingestuft, was einer Verkaufsempfehlung gleichkommt.

Aus Schweizer Sicht werden in der Studie namentlich Barry Callebaut und Lonza genannt. Beide Unternehmen treten bei zwei Kategorien in Erscheinung. Anders als in der Vergangenheit sind die Aktien von Dufry nicht mehr auf der Liste zu finden.

Interessant sind meines Erachtens vor allem die generellen Aussagen zur Situation an den Aktienmärkten. Noch nie zuvor tauchten so viele kleine und mittelgrosse Firmen in mehr als einer Kategorie gleichzeitig auf. Den Experten zufolge läutete ein vergleichbarer Extremwert in der Vergangenheit in vier von vier Fällen eine unterdurchschnittliche Entwicklung europäischer Nebenwerte auf einen Zeithorizont von sechs Monaten ein.

Gleichzeitig sei der Anteil der Finanzwerte in den vier Kategorien auf den höchsten Stand seit sieben Jahren gestiegen. Letztmals habe er im Mai 2007 und damit unmittelbar vor Ausbruch der Finanzkrise einen solchen Extremwert erreicht. Im Gegenzug seien konjunkturabhängige Aktien unterdurchschnittlich stark vertreten.

Auf einer weiteren Liste zählt Morgan Stanley defensive Aktien auf, welche in letzter Zeit über das Ziel hinaus geschossen sind. Als Vergleichswert ziehen die Strategen das jeweilige Kursziel der Arbeitskollegen aus der Aktienanalyse hinzu.

Zur ziemlich genau 50 Aktien umfassenden fünften Kategorie zählen auch die Papiere von Straumann (Abwärtspotenzial zum Kursziel: 14,4 Prozent),  Novartis (Abwärtspotenzial zum Kursziel: 6,6 Prozent) und Swisscom (Abwärtspotenzial zum Kursziel: 0,9 Prozent). Auch in dieser Kategorie sehen die Experten Möglichkeiten für Baissespekulationen.

Mit diesen Verkaufsempfehlungen schwimmt Morgan Stanley ziemlich gegen den Strom. So stellt sich die Frage: Sind die Amerikaner mutig, oder einfach nur Schwarzseher?