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Das hatte sich Ulrich Spiesshofer wohl anders vorgestellt: Nur wenige Monate nach seinem Wechsel auf den CEO-Sessel von ABB sah er sich in der zweiten Januarhälfte zu einer Gewinnwarnung gezwungen. Dies aufgrund von Projektverzögerungen sowie der schwachen Auftragslage in der Division Energietechniksysteme.

Am kommenden Donnerstag wird der in Zürich beheimatete Industriekonzern seinen Zahlenkranz für das vergangene Geschäftsjahr vorlegen. Nach der jüngsten Gewinnwarnung dürfte das Jahresergebnis als solches kaum noch Überraschungen bergen.

Allerdings liess Spiesshofer mehr als einmal durchblicken, dass er den unter seinem Vorgänger kommunizierten Mittelfristzielen seinen persönlichen Stempel aufdrücken werde. Ausserdem könnte ABB unter dem neuen CEO auch gleich einige kleinere Anpassungen am Firmenportfolio bekanntgeben. So pfeifen es zumindest die Spatzen bei der Nachrichtenagentur Reuters von den Dächern.

In einem Ausblick auf die ABB-Zahlen schreibt JP Morgan, dass sich die Umsatz- und Gewinnentwicklung mit den nach der Gewinnwarnung nach unten revidierten Konsensschätzungen decken sollte. Verhaltener schätzt der Verfasser des Ausblicks die Auftragslage ein, was sich auch in seinen gut 4 Prozent unter den Erwartungen seiner Berufskollegen liegenden Prognosen bemerkbar macht. Seinen Schätzungen zufolge sei der Auftragsbestand im Verhältnis zum Umsatz auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gefallen, so der Experte weiter.

Interessant sind auch seine Aussagen zur zukünftigen Strategie und zu den firmeneigenen Zielsetzungen von ABB. Spiesshofer werde erstmals einen Eindruck vermitteln, in welche strategische Richtung sich das von ihm geführte Unternehmen bewegen werde. Geht es nach dem Experten, dann liegt der Fokus auf organischem Wachstum und der Kostenseite. Schlagworte wie "Marktdurchdringung" und "geschäftsbezogene Kollaboration" seien nur schwierig zu erklären, weshalb man sich bei JP Morgan diesbezüglich konkrete Beispiele erhofft.

Die Firmenverantwortlichen von ABB hätten während den vergangenen 18 Monaten zu den optimistischsten unter den Investitionsgüterherstellern gezählt. Und das, obschon die Auftragsentwicklung des Unternehmens in dieser Zeit aufgrund ausbleibender Grossaufträge eher schwach zu beurteilen sei. Da bei ABB rund 60 Prozent des Jahresumsatzes aus den Sektoren Bergbau, Öl und Gas und Versorger kämen und das Unternehmen in einem hohen Grad von der Investitionstätigkeit in den Schwellenländern abhängig sei, werde der Ausblick für das laufende Geschäftsjahr eher vorsichtig ausfallen. Auf Stufe EBITDA rechnet der Experte im Jahresvergleich hingegen mit Verbesserungen.

Wer bei ABB auf grössere Veränderungen hofft, könnte am Donnerstag enttäuscht werden. Als Verantwortlicher der Division Industrieautomation und Antriebe dürfte Ulrich Spiesshofer zu den vor drei Jahren kommunizierten Mittelfristzielen beigetragen haben, was bestenfalls kleinere Anpassungen vermuten lässt. Dasselbe gilt für die vom Unternehmen verfolgte Strategie. Und obschon ABB auf einer prall gefüllten Kriegskasse sitzt, ist vermutlich nicht mit der Bekanntgabe eines Aktienrückkaufprogramms zu rechnen.

Bleibt aus Sicht der Aktionäre zu hoffen, dass der Markt nicht mit Verstimmung auf die Zahlen reagieren wird. Und falls doch, bieten sich langfristig orientierten Anlegern bei Kursen unter 22 Franken günstige Einstiegsgelegenheiten.

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Selten war ein Abstimmungswochenende mit mehr Emotionen verbunden als das vergangene. Für das knappe Ja des Schweizer Stimmvolks zur Masseneinwanderungsinitiative hagelte es denn auch harsche Kritik aus dem umliegenden Europa.

Noch sind die Auswirkungen auf das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union nicht im vollen Ausmass absehbar. Am hiesigen Aktienmarkt hat die Suche nach künftigen Verlierern der Umsetzung der Initiative allerdings begonnen.

Bei der Zürcher Kantonalbank reagiert der für die Immobilienbeteiligungsgesellschaften verantwortliche Experte mit einer Rückstufung der Aktien von Allreal und Mobimo von "Marktgewichten" auf "Untergewichten". Die Zuwanderung sei bisher ein Haupttreiber der Schweizer Wohnraumnachfrage gewesen. Nach der knappen Annahme der Masseneinwanderungsinitiative werde die erwartete Begrenzung der Zuwanderung das Wohnimmobilienentwicklungsgeschäft der beiden Beteiligungsgesellschaften bremsen. Darüber hinaus werden der ab Mitte Jahr höhere antizyklische Kapitalpuffer und die von der Finma erwartete weitere Verschärfung der Selbstregulierungsrichtlinien zur Hypothekarvergabe der Banken den Stockwerkeigentumsabsatz negativ beeinflussen.

Und auch Vontobel warnt in einem Kommentar vor den Folgen der Zuwanderungsbegrenzung, welche die Zürcher Privatbank in ihrer vorsichtigen Einschätzung der Schweizer Bauzulieferaktien wie die von Geberit, Arbonia, Metall Zug, Walter Meier oder Zehnder bestätigen würden. Es herrsche nun deutlich mehr Unsicherheit hinsichtlich der Anwerbung von hochqualifizierten Ausländern und dem Verhältnis gegenüber der Europäischen Union. Ausserdem sei die Grenzöffnung als Teil einer Reihe von Vereinbarungen verhandelt worden, die Schweizer Unternehmen Zugang zum europäischen Markt gewähren. Der Verfasser des Kommentars beurteilt den hiesigen Bausektor ab 2015 und für die Folgejahre vorsichtiger. Obwohl kurzfristig keine Gewinnreduktionen zu erwarten seien, belaste das Ganze die Grundstimmung.

Zumindest auf kurze Sicht fallen die von der Schweizerischen Nationalbank beschlossenen Massnahmen gegen die Überhitzung des Immobilienmarktes meiner Meinung nach deutlich stärker ins Gewicht als das gestrige Abstimmungsergebnis. Denn über dessen Folgen lässt sich bislang nur spekulieren. Die Aktien der möglicherweise betroffenen Unternehmen werden vom Markt heute zwar abgestraft. Aggressive Verkäufe bleiben Händlern zufolge bisher allerdings aus.