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Auf den ersten Blick wächst die Wirtschaftsleistung in China noch immer mit respektablen 7 Prozent – sofern man den Erhebungen der nationalen Statistikbehörde glauben darf. Nach dem unkontrollierten Wachstum der letzten Jahre reicht das allerdings nicht länger aus, um die strukturell bedingten Ungleichgewichte wettzumachen.

Es überrascht deshalb nicht, dass die Regierung in Peking mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die heimische Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Zumindest mit dem Versuch, den Binnenkonsum über eine künstlich geschaffene Börsenhausse anzukurbeln, scheiterte man kläglich. Nun soll der zuletzt stark rückläufigen Exporttätigkeit mittels eines flexibleren Wechselkursregimes entgegengehalten werden. Ausserhalb Chinas kam diese geldpolitische Massnahme allerdings alles andere als gut an, wird sie doch als Zeichen der Schwäche verstanden.

Die Angst vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft und der fragwürdige Aktionismus der Regierungsverantwortlichen in Peking sorgen auch bei uns für erhebliche Verunsicherung. Das nicht ohne Grund: Denn noch bis vor wenigen Monaten schien China für unsere multinationalen Firmen eine schier unerschöpfliche Wachstumsquelle. Doch auf die Euphorie vergangener Tage folgt Ernüchterung und die Präsenz im Reich der Mitte verkommt immer mehr zum Bumerang.

In der Folge erlitt in den letzten Tagen auch unser Schweizer Aktienmarkt einen Rücksetzer. Am Freitag tauchte der breit gefasste Swiss Performance Index erstmals wieder unter 9000 Punkte und damit mehr als 6 Prozent unter seine Bestmarke von Anfang August.

Hört man sich hierzulande bei privaten und institutionellen Marktakteuren um, so steht uns nur ein vorübergehender Rückschlag ins Haus. Und tatsächlich berichtet man mir aus dem Berufshandel auch heute wieder von Gelegenheitskäufen, vergleichbar mit jenen von Mitte Oktober und Anfang Dezember vergangenen Jahres. Die Frage ist, ob und wann diesen Käufern der Atem ausgeht.

Zumindest in Expertenkreisen könnte der Rücksetzer der letzten Tage unterschiedlicher nicht beurteilt werden. Interessant ist eine Strategiestudie aus dem Hause Merrill Lynch. Für die Verfasser steht fest: Die Panik an den Aktienmärkten legt sich erst dann, wenn die führenden Zentralbanken in Panik verfallen. Mit anderen Worten: Bei der amerikanischen Grossbank wird im Hinblick auf das Treffen des Offenmarktausschusses der dortigen Notenbank von Mitte nächsten Monats mit einem zinsseitigen Nullentscheid, wenn nicht gar auf ein viertes Rückkaufprogramm für Staatsanleihen und verbriefte Hypothekarforderungen spekuliert.

Die Strategen geben sich zuversichtlich, dass den Aktienmärkten und dem Dollar noch einmal neue Höchststände bevorstehen. Bei den Anleihenrenditen und bei der Volatilität sei die Talsohle allerdings endgültig durchschritten worden, so lautet die Botschaft. Und um letzterer Nachdruck zu verleihen, bekräftigen die Experten das Jahresendziel von 2200 Punkten für den amerikanischen S&P-500-Index.

Überraschend vorsichtige Töne schlägt hingegen der für das Cross Asset Research von Kepler Cheuvreux tätige Berufskollege an. Seines Erachtens sind die Probleme in China von tiefgreifender Natur, weshalb er nicht ausschliesst, dass im ungünstigsten Fall eine Schwellenländerkrise nach dem Vorbild der Jahre 1997/98 drohen könnte.

Die Aussichten für Europa erachtet der Stratege weiterhin als gut. Vermutlich werde der alte Kontinent jedoch für die amerikanische Leitbörse sowie für die von Asien ausgehende Unsicherheit in Sippenhaft genommen, so seine Befürchtung. In unseren Breitengraden macht der Experte deshalb ein Rückschlagspotenzial von bis zu 10 Prozent aus.

Kleinlaut gibt man sich mittlerweile auch bei der Citigroup. Noch bis vor wenigen Monaten machte die amerikanische Grossbank mit geradezu euphorischen Prognosen für die europäischen Aktienmärkte Schlagzeilen (siehe Kolumne vom 22. April). Auch jetzt noch trauen die verantwortlichen Strategen dem Stoxx-600-Index bis in den nächsten Juni hinein einen Anstieg um 25 Prozent auf 470 Punkte zu. Dennoch werden sie in einem am Freitag erschienenen Kommentar nicht müde, Besorgnis über den Aufwärtsschwung an den Börsen und die enttäuschende Gewinnentwicklung seitens der Unternehmen zu äussern.

Der eigenen Anlagekundschaft raten die Experten zwar weiterhin zu einem Übergewicht in europäischen, amerikanischen und japanischen Aktien, im selben Atemzug aber auch zu einem vorübergehenden Ausbau der Barmittelquote.

So ganz ohne ist der jüngste Rückschlag an den Börsen nicht. Denn in einem Punkt unterscheidet sich die aktuelle Ausgangslage mit jener der letzten beiden Rückschläge von Mitte Oktober und Anfang Dezember vergangenen Jahres: Anders als damals macht die Leitbörse in New York einen ziemlich angeschlagenen Eindruck. Erst kürzlich hat der gleitende Durchschnitt auf 50 Tage beim Dow Jones Industrial Index jenen auf 200 Tage zu einem "Kreuz des Todes" nach unten durchbrochen. Freitagnacht tauchte das Börsenbarometer im Laufe der letzten Handelsstunde dann sogar unter die charttechnische Schlüsselunterstützung zwischen 17000 und 17020 Punkten - womit die Situation langsam aber sicher ziemlich ungemütlich wird (siehe Kolumne vom 13. August).

 

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