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Nicht selten räumen Anleger den Erwartungen ein ungleich grösseres Gewicht ein als den harten Fakten. Auf der Suche nach einem Paradebeispiel für dieses Phänomen landet man am Schweizer Aktienmarkt früher oder später bei Galenica.

Im August letzten Jahres äusserte der in Bern beheimatete Gesundheitskonzern erstmals die Absicht, sich in zwei voneinander unabhängige Publikumsgesellschaften aufzuspalten. Wenn auch mit etwas Verspätung, diese Aussage verfehlte ihre Wirkung rückblickend nicht. Heute sind Anleger bereit, gut 1500 Franken für die Aktie zu bezahlen. Das ist beinahe zweimal soviel wie noch zu Jahresbeginn.

Freuen dürfte dies vor allem Martin Ebner und seine Frau. Über ihre Beteiligungsgesellschaft Patinex und die BZ Bank kontrollieren die beiden 18,4 Prozent der Stimmen, unter anderem über tief im Geld liegende Call-Warrants.

Ausländische Leerverkäufer haben längst das Handtuch geworfen. Noch vor wenigen Monaten liefen Wetten im Umfang von gut 30 Prozent aller ausstehenden Aktien gegen Galenica. In der jüngsten von Markit erstellten Rangliste der zehn am häufigsten leerverkauften Schweizer Unternehmen sucht man den Namen jedoch vergeblich.

Das wiederum lässt panikartige Deckungskäufe, ausgelöst durch einen starken Zahlenkranz für die erste Jahreshälfte und eine Aufnahme in den viel beachteten Aktienindizes von MSCI, als treibende Kraft hinter dem Höhenflug der vergangenen Wochen vermuten.

Darüber hinaus wird der Berner Gesundheitskonzern als heisser Kandidat für eine Nachfolge auf Transocean im Swiss Market Index (SMI) gehandelt.

Die von Martin Ebner vor sich her geschobenen Call-Warrants dürften die Aufwärtsspirale zusätzlich angeheizt haben. In der Folge sind die Aktien von Galenica weit über ihr Ziel hinausgeschossen. Denn auf Basis der nächstjährigen Schätzungen errechnet sich ein Verhältnis von Unternehmenswert (Enterprise Value) zum operativen Gewinn (EBITDA) von stolzen 17 beziehungsweise ein rekordverdächtig hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27.

Erst vor wenigen Tagen sah sich der für J. Safra Sarasin tätige Experte aufgrund der ausufernden Bewertung zu einer Herabstufung der Aktien von "Neutral" auf "Reduce" veranlasst. Die Börsenkapitalisierung impliziere einen substanziellen, aber nicht gerechtfertigten Aufschlag für das Pharmageschäft, so die nachvollziehbare Begründung.

Im Hinblick auf die Ende nächsten Jahres anstehende Aufspaltung dürfte sich bei Galenica in Zukunft alles um die Gesamtsumme der einzelnen Unternehmensteile (Sum-of-the-Parts) drehen. Weil im Pharmageschäft schon in zwei Jahren mit Konkurrenz aus der Generikaindustrie zu rechnen ist und kaum neue Produkte nachkommen, liegt der von Kepler Cheuvreux mit diesem Ansatz ermittelte faire Aktienkurs bei gerade mal 1100 Franken.

Die Bewertungsmodelle anderer Banken würden zu ähnlichen Ergebnissen führen, so lasse ich mir übrigens aus dem Berufshandel sagen.

Galenica haftet der Ruf einer Modeaktie an, daran gibt es keinen Zweifel. Nach einem Kursfeuerwerk wie demjenigen der letzten Wochen und Monate bedarf es aus eigener Erfahrung jedoch nicht viel, dass eine solche deutlich von ihren Höchstkursen zurückfällt. Die Aktionäre von Leonteq wissen, wovon ich spreche.

Gerade die Hoffnung auf eine ausserplanmässige Aufnahme in den SMI scheint mir fehl am Platz. Im Hinblick auf die geplante Aufspaltung gegen Ende nächsten Jahres wird der Berner Gesundheitskonzern dem Hörgerätehersteller Sonova höchst wahrscheinlich den Vortritt lassen müssen.


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Seit wenigen Tagen wissen wir: Martin Senn, seines Zeichens langjähriger Chef der Zurich Insurance Group, tritt auf Ende Jahr zurück. Ein Nachfolger steht noch nicht fest, wird aber ausserhalb des Unternehmens gesucht.

Frischen Wind ist es denn auch, was der traditionsreiche Versicherungskonzern jetzt am dringendsten braucht. Den Nachfolger von Martin Senn erwartet bei seinem neuen Arbeitgeber eine ganze Menge Arbeit. Bei der Umsetzung der erst kürzlich bekanntgegebenen Kosteneinsparungs- und Restrukturierungsmassnahmen wird es nicht bleiben, sind diese doch bloss die Spitze des Eisbergs.

Ein wichtiges Thema wird, zumindest aus Aktionärssicht, auch die zukünftige Dividendenpolitik sein. Geht es nach dem für Bernstein Research tätigen Experten, wird diese mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 bis 80 Prozent weniger grosszügig als in früheren Jahren ausfallen. An dieser Stelle sei allerdings gesagt, dass er die Aktien der Zurich Insurance Group schon eine ganze Weile mit "Underperform" und einem optisch tiefen Kursziel von 245 Franken zum Verkauf empfiehlt.

Der Experte rechnet bei den für ihre hohe Dividendenrendite beliebten Papieren mit einem Kurseinbruch um 10 bis 20 Prozent, sollte er Recht erhalten.

Das Unternehmen hat zuletzt mehrfach betont, dass es an der bisherigen Dividendenpolitik festhalten wolle. Diesbezüglich im Nachhinein einen Rückzieher zu machen, wäre fatal. Dennoch wäre die Aktie in einen panikartigen Kurseinbruch hinein vermutlich das, was im Berufshandel mit dem Begriff des "blinden Kaufs" gemeint ist.
 

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