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Nach dem Kursfeuerwerk der vergangenen Monate sind die europäischen Aktienmärkte dringend auf frische Impulse angewiesen. Da kommt der wiedererwachte Appetit auf Übernahmen und Zusammenschlüsse aus Aktionärssicht gerade richtig - sofern der Preis stimmt.

Nachdem das weltweite Transaktionsvolumen im letzten Jahr um 38 Prozent auf umgerechnet 2800 Milliarden Franken gestiegen ist, zeichnet sich ein noch stärkeres 2015 ab. Denn in den ersten drei Monaten wurden so viele Firmenübernahmen angekündigt wie letztmals vor der Finanzkrise. Einige Experten halten im weiteren Jahresverlauf sogar das Erreichen eines neuen Rekordwerts für möglich.

Über einen guten Nährboden für Zusammenschlüsse verfügen vor allem stark fragmentierte Wirtschaftszweige. Mit anderen Worten: Dort wo sich viele verschiedene Anbieter einen Markt teilen. Einer dieser Wirtschaftszweige ist die Chemieindustrie, was die jüngsten Spekulationen rund um Clariant erklärt. Vor wenigen Wochen hiess es, dass der deutsche Rivale Evonik nicht weniger als 23 Franken je Aktie für den Basler Spezialitätenchemiehersteller bieten wolle. Losgetreten hatte die Spekulationen ein Artikel in der viel beachteten "Financial Times". Gestern brachte die britische Tagespresse mit Johnson Mathey und Dow Chemical zwei weitere finanzkräftige Interessenten ins Spiel. Neu ist auch, dass mittlerweile von einem Übernahmepreis von 25 Franken je Aktie die Rede ist. In der heutigen Ausgabe legt die "Financial Times" übrigens noch einmal nach, was diese Spekulationen anbetrifft.

In der Folge kletterten die Aktien vorübergehend bis auf 21,70 Franken, bevor Gewinnmitnahmen einsetzten. Anders als in den Basiswerten hielt sich das Kaufinteresse in den Call-Warrants in Grenzen. Es wird allem Anschein nach nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird.

Dennoch zählt Kepler Cheuvreux Clariant in einer Strategiestudie zu den heissesten Übernahmekandidaten aus der Schweiz. Das attraktive Firmenportfolio mache das Unternehmen für einen Rivalen wie Evonik oder auch BASF zu einem attraktiven Ziel. Die Studienverfasser erachten die Wahrscheinlichkeit eines Angebots an die Aktionäre als hoch.

Ebenfalls als hoch wird die Wahrscheinlichkeit bei AMS eingeschätzt. Der Halbleiterhersteller und Zulieferer von Grosskunden wie Apple oder Samsung ist zwar in Österreich beheimatet, wird aber an der Schweizer Börse SIX gehandelt. Den Experten zufolge ist AMS nicht zuletzt dank der starken Stellung im Geschäft mit optischen Sensoren von strategischem Wert für grosse Anbieter wie NXP Semiconductors, Analog Devices, Maxim Integrated Products, Microchip Technology und Texas Instruments. Was sie allerdings nicht schreiben, ist, dass ein Interessent vermutlich tief in die Tasche greifen müsste.

Als Dritten im Bunde nennen die Studienverfasser Lindt & Sprüngli. Das Traditionsunternehmen sei im Premiumsegment angesiedelt und verfüge über attraktive Wachstumsaussichten. Neben einer Übernahme durch den grösseren Rivalen Nestlé wird auch ein Zusammenschluss mit der italienischen Ferrero nicht ausgeschlossen.

Neben den drei genannten Schweizer Firmen halten die Experten von Kepler Cheuvreux auf längere Sicht auch den Backwarenhersteller Aryzta (durch Nestlé), die Traditionsbank Julius Bär (durch die Credit Suisse), die Biotechnologieunternehmen Actelion (durch AstraZeneca) und Basilea (durch Astellas), Kaba (durch Assa Abloy) sowie den Halbleiterhersteller U-blox (durch Infineon) für mögliche Ziele einer Übernahme aus dem In- oder Ausland.

In meiner gestrigen Kolumne habe ich Beobachtungen aufgezählt, die darauf schliessen lassen, dass sich die Aktien-Hausse in einer weit fortgeschrittenen Phase befindet. Auch der Dammbruch bei den Firmenübernahmen und -zusammenschlüssen passt bestens in dieses Bild.

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Interessant ist, dass Syngenta in der Strategiestudie von Kepler Cheuvreux mit keinem Wort erwähnt wird. Erst vergangene Woche musste der Basler Agrarchemiehersteller mit einem ziemlich ernüchternden Zahlenkranz für das erste Quartal aufwarten.

Wie mir berichtet wird, wollen die Forderungen aus dem Aktionariat nach einem strategischen Befreiungsschlag seither nicht mehr verstummen. Die Unzufriedenheit scheint gross.

Dennoch macht weder die Geschäftsleitung noch der Verwaltungsrat Anstalten, auf diese Forderungen einzugehen. Allerdings könnten die Entscheidungsträger am Hauptsitz in Basel schon bald dazu gezwungen werden, Farbe zu bekennen. Denn beim amerikanischen Partnerunternehmen DuPont zeichnet sich immer mehr eine Zerschlagung in Einzelteile ab.

Eine Verschmelzung des Agrarchemiegeschäfts von DuPont mit Syngenta hätte meines Erachtens bestechende Vorteile. Beide Unternehmen arbeiten schon seit Jahren zusammen und verfügen über nicht unbeträchtliche Synergien. Gleichzeitig könnte Syngenta mit einem Zusammenschluss die Abhängigkeit vom hartumkämpften Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln verringern.

Mit einem solchen Vorschlag würden die Basler bei DuPont vermutlich offene Türen einrennen. Ist aus Aktionärssicht bloss zu hoffen, dass sich Geschäftsleitung und Verwaltungsrat endlich mit einem solchen Vorhaben auseinandersetzen.
 

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