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Über Jahre hinweg führten Thomas Jordan und seine Direktoriumskollegen einen unermüdlichen Kampf gegen mächtige Devisenspekulanten. Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Morgen des 15. Januars 2015 überraschend den Euro-Mindestkurs aufgab, kam dies einer Kapitulation gleich - der Kampf schien verloren.

Heute - gut drei Jahre später - erinnern neben dem negativen Einlagesatz für die Geschäftsbanken nur noch die Fremdwährungsreserven in Höhe von 743 Milliarden Franken in der Bilanz der SNB an die Turbulenzen von damals. Die letzten Interventionen gehen in den Frühsommer 2017 zurück.

Seit wenigen Tagen flirtet der Euro nun sogar mit dem einstigen Mindestkurs von 1,20 Franken. Währungsstrategen sind sich einig: Selbst diese historische Marke dürfte schon bald nachhaltig fallen.

Allerdings denken Jordan und seine Mitstreiter nicht im Traum daran, ihren geldpolitischen Kurs zu überdenken. Man habe es nicht eilig, so lässt man heute gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg durchblicken (siehe "SNB hält an Kurs in Geldpolitik fest" von heute).

Dieses Zögern kommt nicht von ungefähr, lässt sich doch nur schwer abschätzen, ob und wie ein solcher Kurswechsel an den Finanzmärkten ankäme. Dabei geht es längst nicht mehr um den Franken alleine.

Höhenflug des Euro-Franken-Kurses der letzten Wochen (Quelle: www.cash.ch)

Die SNB zählt heute zu den wichtigsten Anleihegläubiger der europäischen Nachbarländer sowie zu den bedeutendsten Aktionären amerikanischer Grosskonzerne. Nicht auszudenken was wäre, wollte sie ihre Bilanz zurückfahren...

...und doch laufen unsere Währungshüter Gefahr, eine günstige Gelegenheit für den Kursschwenker in der Schweizer Geldpolitik ungenutzt verstreichen zu lassen.

Das gilt insbesondere für das Experiment mit den negativen Einlagezinsen für Geschäftsbanken. Denn dass Schuldner von den Gläubigern dafür bezahlt werden, dass sie ihr Geld entgegennehmen, entbehrt jeglichem gesundem wirtschaftlichem Verständnis. Dadurch öffnen sich Fehlallokationen längerfristig Tür und Tor - von den Problemen bei der beruflichen Vorsorge gar nicht erst zu sprechen. Den Preis, den wir langfristig für dieses Experiment bezahlen, ist schon jetzt hoch.

Die Signalwirkung für die Finanzmärkte und die direkte Abhängigkeit von der Europäischen Zentralbank (EZB) im Hinterkopf, bedarf es bloss etwas Mut und Kreativität. Die SNB sollte die Gunst der Stunde nutzen.

Weshalb gibt sie beispielsweise nicht ein über mehrere Jahre laufendes Programm zur Rückabwicklung der 743 Milliarden Franken schweren Fremdwährungsreserven bekannt? Die Finanzmärkte wüssten dann, was sie erwartet und mit einem linearen Abbau der Anlagen wäre wohl sämtlichen Interessen zur Genüge Rechnung getragen.

Es kann jedenfalls kein Dauerzustand sein, dass die SNB die durch Schulden finanzierte Politik der Nachbarländer mitträgt und amerikanischen Firmen Risikokapital zur Verfügung stellt.

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Allen Unkenrufen zum Trotz wartete ABB gestern mit einem überraschend soliden Zahlenkranz für die ersten drei Monate auf. Der Auftragseingang stieg im Jahresvergleich um beachtliche 16 Prozent, der operative Gewinn um 12 Prozent und der Umsatz immerhin noch um 10 Prozent.

So weit, so gut. Und doch sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. Denn der Industriekonzern aus Zürich legt in Dollar Rechnung ab. Dadurch bliesen Währungseffekte den Zahlenkranz künstlich auf. Um diese Effekte bereinigt lag das organische Umsatzwachstum gerademal bei einem Prozent (siehe "Analysten finden Haare in der «Zahlen-Suppe»" von gestern).

Das hält Alfred Glaser von Oddo heute jedoch nicht davon ab, die Aktien von ABB von "Hold" auf "Buy" heraufzustufen. Nach einer Aufwärtsrevision seiner Gewinnschätzungen um bis zu 4,4 Prozent errechnet er neu ein Kursziel von 27 (bisher 24,50) Franken.

Kursentwicklung der Aktien von ABB (rot) im 12-Monats-Vergleich mit dem SMI (grün) (Quelle: www.cash.ch)

Glaser sieht das Unternehmen nach mehreren Übergangsjahren endlich auf den Wachstumspfad rückkehren und erhofft sich dank der schlankeren Kostenbasis deutliche Gewinnverbesserungen.

Diese Einschätzung teilt auch sein Berufskollege Andreas Koski von Nordea. Auch er stuft die Aktien von ABB heute von "Hold" auf "Buy" herauf und veranschlagt ein Kursziel von 232 schwedischen Kronen für die in Stockholm gehandelten Valoren.

Ein mehr oder weniger gutes Quartal macht nicht einfach so acht Jahre mit einem organischen Nullwachstum wieder vergessen. Der Druck auf Konzernchef Ulrich Spiesshofer bleibt, selbst wenn die seit gestern beobachtete Kurserholung kommende Woche eine Eigendynamik entwickeln sollte.

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