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Wenn Goldman Sachs am Schweizer Aktienmarkt in Erscheinung tritt, dann schlucken selbst unsere grossen Institutionellen zweimal leer. Die amerikanische Investmentbank gilt als das mit Abstand mächtigste und am besten vernetzte Bankinstitut der Welt. Nicht nur in der Politik, auch bei den führenden Notenbanken haben ehemalige Mitarbeiter von Goldman Sachs Schlüsselpositionen inne.

In einer mir aus London zugespielten Strategiestudie beantworten die Amerikaner die wichtigsten von der eigenen Anlagekundschaft eingebrachten Fragen zur Lage an den Finanzmärkten. Unter anderem auch, weshalb von den Anleihenmärkten derzeit andere Signale ausgehen, als die Aktienmärkte vermuten lassen.

Was diese Beobachtung betrifft, schlagen die Studienverfasser versöhnliche Töne an. Zumindest in den USA sei die Rendite 30-jähriger amerikanischer Staatsanleihen seit Jahresbeginn zwar von über 4 Prozent auf zuletzt 3,6 Prozent gefallen. Und obschon der Aktienmarkt neue Rekordstände erklommen habe, seien in den letzten Monaten bei vielen Momentum-Aktien schmerzhafte Rückschläge zu beobachten gewesen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeige allerdings, dass sich die Anleihen- immer mal wieder vorübergehend von den Aktienmärkten abgekoppelt hätten. Obschon einige Aktien und Sektoren mittlerweile eine konjunkturelle Delle vorwegnehmen, erachten die Strategen den Anstieg der breiten Aktienindizes als ermutigend und als ein Beweis für die sich laufend verbessernden Rahmenbedingungen.

Auch auf die Frage, ob die rückläufigen Zinsen nicht doch auf eine Verschlechterung der Wachstumsaussichten hinweisen würden, antworten die Experten von Goldman Sachs mit einem klaren Nein.

Die bankintern für die Anleihenmärkte verantwortlichen Berufskollegen seien sich einig, dass der jüngste Zinsrückgang nicht sonderlich überrasche. Die Rendite 30-jähriger amerikanischer Staatsanleihen liege derzeit auf dem Durchschnitt der vergangenen vier Jahre und habe zuvor über weite Strecken deutlich tiefer gelegen. Die langfristigen Wachstumsaussichten seien nach der Rezession vor wenigen Jahren zwar gefallen, hätten sich seither jedoch stabilisiert. Die Aussichten hätten sich zuletzt nicht sonderlich eingetrübt, so heisst es. Sei man vor 2007 von einem längerfristigen Wirtschaftswachstum für die USA von 3 bis 3,25 Prozent ausgegangen, so liege die Erwartung mittlerweile nur noch bei 2,25 Prozent.

Wieso die Zinsen denn trotzdem gefallen seien, begründen die Strategen mit derjenigen zu Jahresbeginn beobachteten Übertreibung. Rückblickend sei die Rendite der 30-jährigen amerikanischen Staatsanleihen im Vergleich zu der mit einer Laufzeit von zehn Jahren schlichtweg zu hoch gewesen. Das habe sich nun korrigiert. In Erwartung besserer Wirtschaftsnachrichten sei über die kommenden Monate mit einem erneuten Zinsanstieg zu rechnen.

Mit ihrer Antwort auf die Frage, wie die Aktienmärkte auf einen Anstieg der kurzfristigen Zinsen in den USA reagieren würden, lehnen sich die Experten nicht sonderlich weit aus dem Fenster. Von einem solchen Anstieg profitiere zuerst einmal der Dollar, der sich gegenüber dem Euro festigen würde. Das wiederum spreche für europäische Aktien. Sei die Zinsentwicklung das Ergebnis höherer Wachstumserwartungen, würden sich die Auswirkungen auf die Aktienmärkte alles in allem in Grenzen halten. Mit anderen Worten: Die Strategen sehen in diesem Fall keinen Rückschlag an den Märkten.

Goldman Sachs rät der eigenen Anlagekundschaft weiterhin auf Aktien zu setzen. Das fundamentale Umfeld werde sich kontinuierlich verbessern, was für eine moderat aber anhaltend rückläufige Risikoprämie spreche. Höhere Kurse seien auch aufgrund der Beschleunigung bei den Unternehmensgewinnen und den Dividenden, den in Zukunft tieferen Eigenkapitalkosten sowie der zunehmenden Verwendung der reichlich vorhandenen Barmittel zu rechnen. Die Amerikaner setzen auf Aktien von Unternehmen mit guten Dividendenaussichten sowie auf solche mit einem hohen Ergebnisbeitrag aus der westlichen Welt.

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich schon seit Wochen zur Zurückhaltung mahne. Die umfangreichen Umschichtungen aus den konjunkturabhängigen Wachstumsaktien in die defensiven Schwergewichte haben den Aktienindizes zuletzt noch einmal einen Höhenflug beschert. Letzterer wird aber immer mehr von Einzelaktien getragen, was nicht gerade ein Zeichen der Stärke ist.

Dadurch, dass sich die Aktienmärkte während den letzten zwei Jahren substanziell von den stagnierenden Unternehmensgewinnen nach oben abgekoppelt haben, ist die Bewertung zumindest in Übersee ans obere Ende der historischen Bandbreite gestiegen. Nicht zuletzt aufgrund der historisch tiefen Zinsen und der in der Vergangenheit vollzogenen Optimierungen auf der Kostenseite werden viele Firmen ihre Margen kaum noch weiter steigern können. Sie sind damit geradezu auf ein Wachstum in den Absatzmärkten angewiesen.

Da ein solches Wachstum auf sich warten lässt, weichen immer mehr Unternehmen auf grosse Übernahmen und Zusammenschlüsse aus, um so wenigstens in den Genuss von Synergieeffekten zu kommen. Aus diesem Grund hat die zuletzt sehr deutliche Belebung der Übernahme- und Fusionstätigkeit meines Erachtens einen fahlen Geschmack.

Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass sich die Hausse an den westlichen Aktienmärkten nach nunmehr fünf Jahren in einem weit fortgeschrittenen Stadium befindet. Auch wenn ich mich als ein von Natur aus von Zuversicht strotzender Optimist bezeichnen würde.