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Hätte der cash Insider gedacht, dass der Schweizer Aktienmarkt den Oktober mit positiven Vorzeichen beenden kann?

Nein, ich bin ehrlich gesagt ziemlich überrascht. Schliesslich lag der breit gefasste Swiss Performance Index zur Monatsmitte um über 10 Prozent tiefer, nachdem er zuvor nicht nur seinen langjährigen Aufwärtstrend, sondern auch gleich noch das Zwischentief vom August verletzt hatte. Dass sich das Börsenbarometer so schnell wieder fangen konnte, ist zweifelsohne beeindruckend. Dieser Meinung sind auch befreundete Pensionskassenverwalter und Fondsmanager.

Dann hat der cash Insider die Situation also völlig falsch eingeschätzt?

Ja, das schleckt keine Geiss weg. Ich habe zwar schon im Spätsommer mehrmals vor einem grösseren Rückschlag gewarnt, letztmals in meiner Kolumne vom 1. Oktober. Allerdings ging ich rückblickend nicht nur von einer sehr viel längeren, sondern auch von einer umfassenderen Korrektur aus. Die Angst, dass es sich bei der anschliessenden Erholung nur um ein Strohfeuer handeln könnte, erwies sich bislang als völlig unbegründet. Asche über mein Haupt.

Wenn nicht hiesige Pensionskassenverwalter und Fondsmanager, wer hat den Rückschlag dann zum Einstieg genutzt?

Zumindest bei uns in der Schweiz kursierten in der Nähe der Tiefststände von Mitte Oktober Gerüchte, wonach grosse angelsächsische Marktakteure zugegriffen hätten. Und tatsächlich wurden diese Gerüchte von grossen ausserbörslichen Blocktransaktionen in Milliardenhöhe begleitet. Die Transaktionen konzentrierten sich neben den drei defensiven Indexschwergewichten Nestlé, Roche und Novartis auch auf die Aktien von Givaudan. Diese vier Titel haben alle eines gemeinsam: Sie kletterten in den letzten Tagen auf neue Rekordstände oder notieren zumindest in der Nähe davon. Ich vermute prominente Hedgefonds hinter diesen ausserbörslichen Blocktransaktionen.

Weshalb ausgerechnet grosse Hedgefonds?

Gemäss Erhebungen von Morgan Stanley hielten angelsächsische Hedgefonds in europäischen Aktien Ende September gerademal ein Nettoengagement von 37 Prozent, was dem tiefsten Stand seit November 2011 entspricht. Zu diesem Zeitpunkt waren viele dieser Fonds schon seit Monaten in Aktien unterinvestiert und warteten nur auf günstige Einstiegsgelegenheiten. Da kam der Rückschlag von Anfang Oktober gerade zum richtigen Zeitpunkt. Vermutlich handelte es sich bei den Käufen nicht nur um Anlage- sondern vielmehr auch um wenig nachhaltige Deckungskäufe.

Rät der cash Insider Anlegern jetzt noch zum Einstieg?

Nein, ich bleibe unbeirrt bei meiner Empfehlung, in stärkere Tage hinein selektiv Gewinne mitzunehmen. Den Aktienmärkten rund um den Globus steht die Bewährungsprobe nämlich erst noch bevor. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob die Kraft für einen Vorstoss auf neue Rekordstände ausreicht. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen.

Was macht ihn da so sicher?

Zumindest bei uns in der Schweiz sind die bisher für das zurückliegende dritte Quartal veröffentlichten Unternehmensergebnisse mehrheitlich solide ausgefallen. Auch bei ihren Aussichten für das Gesamtjahr krebsten nur wenige Firmen zurück. Beides darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewinne europäischer Unternehmen seit nahezu drei Jahren stagnieren. Und das obschon die Zinskosten genauso wie jene für Rohstoffe und Rohmaterialien in dieser Zeitspanne substanziell gefallen sind und zu einer Entlastung auf der Kostenseite geführt haben. In der Folge hat sich die Aktienkursentwicklung bei den meisten Firmen von jener der Gewinne losgelöst.

Sagen Aktienstrategen für das kommende Jahr aber nicht eine Erholung bei den Unternehmensgewinnen vorher?

Doch, das tun sie. Auf Basis der aktuellen Konsensschätzungen wird den europäischen Unternehmen im nächsten Jahr ein Gewinnwachstum von 10 Prozent zugetraut. Noch vor wenigen Monaten lag diese Prognose sogar bei 15 Prozent. Allerdings muss an dieser Stelle gesagt werden, dass Aktienstrategen schon seit Jahren vergeblich mit einem prozentual zweistelligen Gewinnwachstum rechnen. Ein solches verzeichneten bislang nur amerikanische Firmen – und das auch nur mit Hilfe aggressiver Aktienrückkaufprogramme zur Verdichtung der Gewinne.

Was trägt sonst noch zur vorsichtigen Haltung für die Aktienmärkte bei?

In erster Linie die Sorglosigkeit der Marktakteure. Es mag zwar stimmen, dass man als Anleger aufgrund der historisch tiefen Zinsen nicht an Aktien vorbeikommt. Das gilt nicht zuletzt auch für institutionelle Grossinvestoren, die unter einem ungeheuren Renditedruck stehen. Die Marktakteure sind sich ihrer Sache aber zu sicher geworden. Das gilt insbesondere für die Banken und ihre Aktienstrategen. Neun von zehn Experten sind optimistisch, wenn nicht sogar euphorisch, was die weitere Entwicklung an den Märkten anbetrifft. Nicht ohne Grund, erwiesen sich Rückschläge wie jener von Anfang Oktober an den Aktienmärkten in den vergangenen fünf Jahren doch als günstige Einstiegsgelegenheit. Ausserdem vertritt man an den Märkten die gefährliche Haltung, dass es die Notenbanken mit ihrer ultralockeren Zins- und Geldpolitik schon richten werden. Erst am Freitag zündete die Bank of Japan mit dem Ausbau ihrer Wertpapierkäufe ein Kursfeuerwerk.

Ist das denn kein Grund, optimistisch zu sein?

Mit ihrer ultralockeren Zins- und Geldpolitik bewahrten die Notenbanken das Finanzsystem während der Krise zweifelsohne vor einem Kollaps. Dabei handelt es sich aber um nichts anderes als Symptombekämpfung. Die strukturell bedingten Probleme schwelen weiter vor sich hin. Die Politik der Notenbanken hat dafür gesorgt, dass bei verschiedenen Staaten auch der letzte Reformwille verlorengegangen ist. In Europa hat die Staatsverschuldung längst ein neues Rekordhoch erreicht. Und wie mir aus Spanien und Italien berichtet wird, gilt das auch für die notleidenden Kredite dortiger Banken. Mich überrascht, dass die Medien solche Themen gar nicht erst aufgreifen.

Was rät der cash Insider den Anlegern?

In den letzten zwei Wochen galt die Devise: Die Flut hebt alle Boote. Vermutlich wird das Handelsgeschehen auch am Schweizer Aktienmarkt schon in den nächsten Tagen wieder sehr viel selektiver. Chancen sehe ich derzeit bei Aktien von Unternehmen mit einem hohen Ergebnisbeitrag aus Nordamerika (siehe die beiden Kolumnen vom 28. und 31. Oktober). Zum einen wächst die dortige Wirtschaft deutlich schneller als in anderen Regionen und zum anderen bin ich noch immer sehr positiv für den Dollar. Der Greenback könnte schon im Frühjahr über die Franken-Parität klettern und hiesigen Firmen satte Währungsgewinne bescheren.