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Wer als Weltkonzern etwas auf sich hält, kommt nicht um eine Zweitkotierung an der New York Stock Exchange herum. Wenig überraschend sind deshalb neben den führenden Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) etwa auch Logitech oder der hochverschuldete Backwarenhersteller Aryzta mit sogenannten American Deposit Receipts (ADRs) vor Ort vertreten.

Und das wiederum hat seinen Preis: Das dortige Börsengesetz gilt als eines der strengsten der Welt und die amerikanische Börsenaufsicht SEC als nicht gerade zimperlich bei Widerhandlungen gegen das Regelwerk.

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Zumindest in Sachen Transparenz kann die Schweizer Börse SIX noch so einiges von der New York Stock Exchange lernen. Das gilt insbesondere für die Erhebungen rund um die Geschäfte mächtiger Leerverkäufer.

Wie diese Statistiken verraten, haben amerikanische Leerverkäufer in der zweiten Hälfte Mai bei den in New York gehandelten Aktien bekannter Schweizer Unternehmen ihre Karten neu gemischt. Was der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock kann, können die Leerverkäufer auch (siehe "Weltgrösster Vermögensverwalter schichtet kräftig um" von gestern).

Den stärksten Anstieg verzeichneten dabei die Wetten gegen den Rückversicherungskonzern Swiss Re. Innerhalb von gerademal zwei Wochen schwollen diese um 19 Prozent auf 96'100 ADRs an.

Allerdings entspricht das nicht einmal einem Fünftel des durchschnittlichen Tagesvolumens der in der Schweiz gehandelten Aktien. Überzeugung sieht anders aus.

So lange die Gespräche mit dem japanischen Technologiekonzern rund um eine strategische Beteiligungsnahme liefen, machten amerikanische Leerverkäufer einen grossen Bogen um Swiss Re. Nach dem Scheitern der Gespräche melden sie sich nun langsam zurück, zumal dem Rückversicherungskonzern an der Börse grössere Anleihenengagements in Südeuropa nachgesagt werden.

Einen leichten Anstieg um 3 Prozent auf 198'000 der in New York gehandelten Aktien verzeichneten die Wetten gegen Nestlé. Wer sich beim Nahrungsmittelhersteller aus Vevey unter Mark Schneider einen raschen Befreiungsschlag erhofft hatte, dürfte enttäuscht sein.

Evolution, nicht Revolution, lautet die Devise des Nestlé-Chefs. So überrascht es mich nicht, aus seinem Umfeld von unzähligen kleinen, aber wenig medienwirksamen Anpassungen hinter den Kulissen zu vernehmen (siehe "J.P. Morgan preist Nestlé neuerdings als «Substanzperle» an" vom 1. Juni).

Es darf angenommen werden, dass den mächtigen angelsächsischen Fondsgesellschaften der Umbruch beim führenden Nahrungsmittelhersteller viel zu langsam geht. Zu gross ist ihre Renditedruck in Zeiten von Facebook, Amazon und Netflix.

Auch bei Roche sitzen die Leerverkäufer seit Monaten fest im Sattel. Im Vorfeld des diesjährigen Treffens der American Society of Clinical Oncology, kurz ASCO, trimmten sie ihre Wetten gegen den Pharma- und Diagnostikkonzern aus Basel allerdings um 19 Prozent auf 3,35 Millionen ADRs. Dieser Rückgang darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit achtmal mehr Titel auf rückläufige Kurse spekuliert wird, als noch vor einigen Wochen.

Die Valoren von Roche (rot) und Nestlé (grün) kranken schon seit Wochen (Quelle: www.cash.ch)

Die Angst vor einem Umsatzzerfall bei vom Patentablauf betroffenen Schlüsselmedikamenten wie Rituxan, Herceptin oder Avastin ist allgegenwärtig. Ob Roche diesem Zerfall mit neuen und vielversprechenden Wirkstoffen wie Ocrevus oder Tecentriq Herr werden kann, wird sich zeigen müssen. Spätestens seit dem vergangenen Wochenende zeichnet sich ab, dass es zumindest das Krebsmedikament Tecentriq im Wettbewerb mit dem Konkurrenzpräparat Keytruda der amerikanischen Merck schwer haben könnte (siehe "Wie Roche für den SMI zur Last wurde" von heute).

Auf einen strategischen Befreiungsschlag - beispielsweise in Form einer Übernahme des von Novartis gehaltenen Aktienpakets oder einer Vereinfachung der als veraltet geltenden Kapitalstruktur - warten die Aktionäre und Genussscheinhalter bis heute vergebens (siehe auch "Es ist Zeit, dass Roche endlich kreativ wird" vom 5. Februar).

Dass die in der Schweiz gehandelten Genussscheine gestern kurzum auf den tiefsten Stand seit dem Frühsommer 2013 tauchten, lässt jedenfalls tief blicken...

Den Rückzug haben amerikanische Leerverkäufer hingegen bei ABB und der Credit Suisse angetreten. Gegen ABB laufen noch Wetten in Höhe von 4,08 Millionen ADRs. Das sind 11 Prozent weniger als vor gut zwei Wochen und fast halb so viel wie Ende April. Die Wetten gegen die Credit Suisse gingen um ein Prozent auf 4,19 Millionen ADRs zurück, was substanziell unter den Durchschnittswerten der vorangegangenen Monate liegt.

Unvergessen bleibt, dass Konzernchef Tidjane Thiam vor zwei Jahren seinem Ärger über einen damaligen Angriff amerikanischer Leerverkäufer öffentlich Luft verschaffte und diese letztendlich in die Knie zwang.

Nun wäre es eigentlich an seinem Gegenspieler Sergio Ermotti von der UBS, sich zu beklagen - setzen amerikanische Leerverkäufer bei seinem Arbeitgeber doch mit 8,85 Millionen ADRs auf fallende Kurse.

Die letzten zwei Quartalsergebnisse in Folge offenbarten gewisse Schwächen im Wealth Management und damit im erklärten Kerngeschäft der Schweizer Grossbank.

Am Beispiel von Logitech zeigt sich, dass Leerverkäufer ihrer Sache nie zu sicher sein dürfen. Von aggressiven Deckungskäufen angetrieben, kletterten die Aktien des Lausanner Peripheriegeräteherstellers mal rasch auf den höchsten Stand in der langjährigen Firmengeschichte.

Imposanter Höhenflug der Logitech-Aktien im Zehnjahresvergleich (Quelle: www.cash.ch)

Zuletzt liefen in New York noch Wetten in Höhe von 2,52 Millionen ADRs gegen Logitech. Noch vor wenigen Monaten waren es deutlich mehr.

Unter Konzernchef Bracken Darrell gelang dem Unternehmen ein bilderbuchmässiger Turnaround (siehe "Ist die Logitech-Aktie masslos unterbewertet" vom 22. Januar). Über lange Jahre wussten sich die Leerverkäufer trotzdem zu behaupten – bis der Damm vor wenigen Tagen endlich brach...

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