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Zwei Schritte vor und einer wieder zurück - treffender liesse sich das hiesige Handelsgeschehen der letzten vier Wochen wohl kaum umschreiben. Am vergangenen Donnerstag stiess der Swiss Market Index (SMI) sogar mal kurz in die Nähe von 10'000 Punkten vor. Es sollte bei einem blossen Flirt blieben. Die Dividendenabgänge aufgerechnet, trennen das renommierte Börsenbarometer keine fünf Prozent mehr vom Stand von Anfang Januar.

Das ändert allerdings nichts daran, dass ein paar wenige Gewinner unzähligen Verlierern gegenüberstehen. Mit anderen Worten: Geld verdiente seit Jahresbeginn nur, wer auf die richtigen Aktien setzte. Nicht ohne Grund umschreibt Merrill Lynch die seit Mitte März zu beobachtende Börsenerholung als 'die am meisten gehasste Börsenhausse aller Zeiten'.

Was die amerikanische Investmentbank nicht schreibt: Eigentlich lässt sich die besagte Erholung fundamental nicht vernünftig erklären. Denn noch immer sind die Gewinnerwartungen der Analysten im Fallen begriffen. Und ob die Belebung des Tagesgeschäfts bei den hiesigen Unternehmen in den nächsten Wochen und Monaten auch wirklich im erhofften Umfang und mit der erhoffen Geschwindigkeit einsetzt, wird sich zeigen müssen. Vermutlich wird die hierzulande ab Mitte Juli anlaufende Halbjahresberichterstattung die Aktionäre nicht weniger Unternehmen auf den harten Boden der Realität zurückholen.

In was für einer verkehrten (Börsen-)Welt wir leben, zeigt sich eindrucksvoll an Adecco. Da streicht der für die Zürcher Kantonalbank tätige Marco Strittmatter seine Gewinnerwartungen für den Stellenvermittler nach einer virtuellen Road-Show mit Firmenvertretern zusammen - und dennoch legt der Aktienkurs selbentags kräftig zu.

Am Freitag schrieb ich in diesem Zusammenhang:

Auch sonst sind Übertreibungen mittlerweile wieder an der Tagesordnung. Nur wenige Wochen, nachdem Lonza eine Zusammenarbeit mit der amerikanischen Moderna bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das heimtückische Coronavirus bekanntgab, ist der Pharmazulieferer aus Basel an der Börse knapp vier Milliarden Franken mehr wert.  

Bilanz der letzten Jahre

JahrAktienfavoritenSPI
2013+40,1 Prozent+23,9 Prozent
2014+11,4 Prozent+15,2 Prozent
2015+  4,1 Prozent+  2,4 Prozent
2016-   3,7 Prozent-   1,7 Prozent
2017+23,6 Prozent+20,1 Prozent
2018-19,1 Prozent-   8,8 Prozent
2019+25,4 Prozent+30,6 Prozent
2020*-10,3 Prozent-   5,6 Prozent

* Schlusskurse vom 29. Mai 2020

Dass es sich beim Rennen um einen Impfstoff nicht um einen Kurzdistanz-Lauf, sondern vielmehr um einen Marathon handelt, scheint dabei völlig vergessen zu gehen. Bis Moderna den Impfstoff auf den Markt bringt, fliesst auch in Basel noch viel Wasser den Rhein hinab.

Ausserdem stehen die knapp vier Milliarden Franken in einem völligen Missverhältnis zum kommerziellen Potenzial eines solchen Impfstoffs. Erst kürzlich schrieb ich nämlich:

Lonza und Adecco sind nicht allein. Auch für viele andere Aktien gilt: Die Kurse steigen, während die Gewinnerwartungen fallen. Man braucht kein eingefleischter Börsenprofi zu sein, um zu erahnen, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann.

Ich muss mich bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2020 selber ein bisschen an der Nase nehmen, wäre ich bei den Papieren von Lonza doch besser dabeigeblieben. Rückblickend ist man halt immer schlauer.

Ansonsten konnten meine Aktienfavoriten in den letzten Wochen aber weiter Boden gutmachen. Seit Ende Dezember errechnet sich noch ein durchschnittliches Minus von 10,3 Prozent. Dem steht ein um 5,6 Prozent tieferer Swiss Performance Index (SPI) gegenüber.

Um der ungesunden Abkoppelung der Aktienkurse von der Entwicklung der Unternehmensgewinne und den erneuten Spannungen zwischen den beiden Wirtschaftssupermächten USA und China Rechnung zu tragen, reduziere ich die Titelposition beim Sensorenhersteller AMS auf rund 10'000 Franken. Dazu nehme ich auf 450 Aktien die aufgelaufenen Gewinne mit. Im Gegenzug kaufe ich bei LafargeHolcim zu aktuellen Kursen 65 Titel zu.

Mir ist durchaus bewusst, dass der amerikanische Präsident Donald Trump mit diesem Geplänkel bloss von den eigenen Versäumnissen rund um die Coronavirus-Pandemie sowie von den gewaltsamen Protesten nach dem tragischen Tod des Afroamerikaners George Floyd ablenken will. Dennoch kommen die erneuten Spannungen zwischen Washington und China für die Finanzmärkte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – als hätte die Welt nicht schon mit genügend anderen Problemen zu kämpfen.

Aktuelle Positionen Aktienfavoriten

TitelAnzahlEinstandakt. Wert*ErfolgG/V
Barmittel    12'837,36  
ABB N    425  23,58    8'028,25-  1'993,25-   19,89 Prozent
AMS I1'100     8,98  15'895,00+ 6'017,20+  60,92 Prozent
LafargeHolcim N    185  53,90    7'351,90-  2'619,60-   26,27 Prozent
Swatch Group N   200  41,62    8'415,10-     856,00-   10,28 Prozent
UBS Group N   817   12,24    8'415,10-  1'584,98-   15,85 Prozent
Ascom N   930   10,74    6'426,30-  3'561,90-   35,66 Prozent
Klingelnberg N   411   24,30    5'301,90-  4'685,40-   46,91 Prozent
OC Oerlikon N   993   10,94    7'750,36-  3'116,44-   28,68 Prozent
Stadler Rail N   250  39,30 10'160,00+    335,00+    3,41 Prozent
      
Total    89'634,17 -   10,36 Prozent

* Schlusskurse vom 29. Mai 2020

Standardwerte (aus dem Swiss Leaders Index):

ABB (-19,9 Prozent)

Die Aktien von ABB haben sich noch nicht so von den Mehrjahrestiefstkursen von Mitte März nach oben gelöst, wie das hätte erwartet werden können. Der neue Firmenchef Björn Rosengren äusserte sich zwar erst kürzlich in der hiesigen Wochenendpresse zu Wort. So richtig liess er sich allerdings nicht in die Karten blicken. Und so konnte er auch nicht punkten. Das könnte sich kommende Woche ändern, wenn ABB zum Strategie-Update lädt. Wartet der neue Firmenchef an diesem Tag mit glaubwürdigen Plänen auf, dürfte das den im Kurs zurückgebliebenen Aktien helfen. Wichtige Impulse erhoffe ich mir ab dem Sommer vom milliardenschweren Aktienrückkaufprogramm.

 

AMS (+60,9 Prozent)

Die Aktien von AMS unterliegen auch weiterhin starken Kurs- und Stimmungsschwankungen. Die milliardenschwere Kapitalerhöhung vom März scheint mittlerweile verdaut. Seit meinem Einstieg in zwei Etappen konnten die Papiere kräftig im Kurs zulegen. Nach einem erfreulichen Ergebnis für das erste Quartal und einem nicht weniger erfreulichen Ausblick für das Folgequartal durch AMS selbst, wusste auch Osram Licht zu überzeugen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass AMS-Chef Alexander Everke mit der teuer erkauften Übernahme von Osram Licht doch noch einen Mehrwert für seine Aktionäre schaffen kann. Dennoch nehme ich im Wissen um eine mögliche Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China auf rund einem Drittel der Titelposition die aufgelaufenen Gewinne mit...

 

LafargeHolcim (-26,3 Prozent)

...und reinvestiere einen Teil davon in die zurückgebliebenen Aktien von LafargeHolcim. Mir ist durchaus bewusst, dass sich auch der Weltmarktführer unter den Zementherstellern einer Verschärfung des Handelsstreits nicht vollständig entziehen kann. Unter Firmenchef Jan Jenisch dürfte das Unternehmen nun aber erste Früchte der Sparmassnahmen ernten. Ich bin jetzt schon neugierig, wie sich LafargeHolcim im schwierigeren zweiten Quartal schlägt. Die Dividendenrendite bleibt attraktiv. Zudem lässt die Nettoverschuldung ergänzende Firmenübernahmen zu, sollten sich interessante Gelegenheiten ergeben. Auch davon geht aus Aktionärssicht Fantasie aus.

 

Swatch Group (-10,3 Prozent)

Die kürzlich veröffentlichte Schweizer Uhrenexportstatistik lässt bei der Swatch Group nichts Gutes erahnen. Die Coronavirus-Krise trifft den Wirtschaftszweig mit voller Wucht. Der Tourismus bleibt aus, die Verkäufe brechen ein. Hinzu kommt, dass die Lager beim Bieler Uhrenhersteller schon vor der Krise besorgniserregend voll waren – eine Entwicklung, die man unbedingt im Auge behalten muss. Was mir bei den Aktien der Swatch Group neuerdings auffällt: Negative Neuigkeiten aus der Uhrenbranche werden nicht mehr länger mit Kursverlusten abgestraft. Das wiederum scheint mir eine ziemlich ermutigende Entwicklung.

 

UBS Group (-15,9 Prozent)

Die Aktien der UBS konnten sich zuletzt wieder über 10 Franken etablieren. Nach einem deutlich besser als erwartet ausgefallenen ersten Quartal häufen sich die Anhaltspunkte für ein nicht viel weniger solides Folgequartal. Und selbst wenn die grösste Schweizer Bank in einem geringeren Ausmass von einem starken Investment Banking als die ewige Rivalin Credit Suisse profitieren würde, lassen die Aussagen von J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon hoffen. Kann die UBS in wenigen Wochen mit einem soliden Zahlenkranz für das laufende zweite Quartal aufwarten, sind noch einmal deutlich höhere Kurse möglich – immer unter der Voraussetzung, dass die Ergebnisqualität nicht plötzlich wieder zu wünschen übrig lässt. Seit Freitag kursieren Gerüchte, wonach ein grösserer Stellenabbau anstehen könnte. Ich selber rechne frühestens nach dem Amtsantritt von Ralph Hamers im Herbst mit Einschnitten. Auch was den Berufungsprozess gegen das milliardenschwere Bussgeld in Frankreich anbetrifft, müssen sich die Aktionäre pandemiebedingt wohl noch in Geduld üben. Letztendlich dürfte das Urteil im Berufungsprozess darüber entscheiden, ob auch die zweite Dividendentranche zur Auszahlung kommt.

 

Nebenwerte:

Ascom (-35,7 Prozent)

Schon seit Wochen bietet sich den Aktionären von Ascom dasselbe zermürbende Bild: Die Papiere des Spezialisten für Spitalkommunikation bewegen sich in einem engen Kursband seitwärts. Ermutigendes wusste kürzlich die UBS zu berichten. Nachforschungen in den Absatzmärkten von Ascom lassen die Grossbank ein solides erstes Quartal erwarten. Das wäre doch wenigstens schon mal was, enttäuschte das Unternehmen in der Vergangenheit doch regelmässig. Mit Jeannine Pilloud und Valentin Chapero sind bei Ascom zwei erfahrene Wirtschaftskapitäne am Ruder. Ich traue es diesem Führungsduo zu, das als "Dauerbaustelle" verschrieene Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Nach Jahren der Enttäuschung darf man es der Börse nicht übelnehmen, wenn sie nun zuerst Fakten sehen will.

 

Klingelnberg (-46,9 Prozent)

Momentan vergeht kaum ein Tag, ohne dass nicht unangenehme Nachrichten aus der Automobilindustrie eintreffen würden. Das trifft viele Zulieferunternehmen – darunter auch Klingelnberg – sogar noch stärker als die ungleich grösseren Abnehmer. Was wurde den Anlegern nicht alles versprochen, als sich Klingelnberg im Frühsommer vor zwei Jahren dem Publikum öffnete. In völlig neue Märkte ausserhalb der Automobilindustrie wollte das Unternehmen vorstossen. Nach den grossmarkigen Worte von damals wartet man bis heute vergeblich auf Taten. Anders als andere Zulieferfirmen verfügt Klingelnberg über eine ziemlich solide Bilanz. Das ist nicht eben unwichtig, braucht es doch Geduld, bis sich die Nachfrage in den Absatzmärkten belebt.

 

OC Oerlikon (-28,7 Prozent)

OC Oerlikon konnte sich der Sparte Drive Systems rückblickend zwar zu einem guten Zeitpunkt entledigen und die Abhängigkeit von der Automobilindustrie reduzieren. Auch der beim Verkauf an den amerikanischen Rivalen Dana erzielte Erlös liesse sich heute wohl nicht mehr so schnell erzielen. Doch auch im Oberflächentechnologiebereich – dem erklärten Kerngeschäft des Unternehmens – hat der Abschwung im ersten Quartal tiefe Spuren hinterlassen. Für gewöhnlich erfährt das Kerngeschäft von OC Oerlikon schon ziemlich früh in einem Wirtschaftsaufschwung eine kräftige Belebung. Das wiederum lässt hoffen. Ich erachte die Aktien bei Kursen unter 10 Franken als ziemlich attraktiv.

 

Stadler Rail (+3,4 Prozent)

Stadler Rail machte in den letzten Wochen mit einer Serie von Negativmeldungen auf sich aufmerksam. Zuerst wurde der Hersteller von Schienenfahrzeugen Opfer eines Hacker-Angriffs, dann trat der Firmenchef nach gerade mal zweieinhalb Jahren zurück. Selbentags kassierte das Unternehmen aus Bussnang auch noch die nur wenige Wochen zuvor kommunizierten Zielvorgaben für dieses Jahr. Und zu allem Unglück trennte sich auch noch die deutsche RAG-Stiftung von gut der Hälfte des Aktienpakets. Zumindest bei Firmenpatron Peter Spuhler scheint die Zuversicht ungebrochen. Er kaufte bei Kursen unter 40 Franken kräftig Titel zu und übernahm auch 1,5 der 5,5 Millionen angebotenen Aktien aus den Beständen der RAG-Stiftung. Alleine schon die randvollen Auftragsbücher versprechen auf Jahre hinaus Vollbeschäftigung. Die Schwierigkeit für Stadler Rail dürfte vielmehr darin liegen, die Produktion auszubauen, ohne dass die Vorabinvestitionen die Margen zu sehr belasten. Und das ist in Zeiten des Coronavirus beinahe schon ein Luxus-Problem.

 

Bisherige Transaktionen Aktienfavoriten

DatumTitel AnzahlKurs Total
27.12.2019ABB NKauf42523,58Franken10'050,50-
27.12.2019LafargeHolcim NKauf18553,90Franken10'000,50-
27.12.2019Lonza NKauf28355,50Franken9'983,00-
27.12.2019Swatch Group IKauf37269,80Franken10'011,60-
27.12.2019Temenos NKauf65154,05Franken10'042,25-
27.12.2019UBS NKauf81712,24Franken10'029,08-
27.12.2019Ascom NKauf93010,74Franken10'017,20-
27.12.2019Klingelnberg NKauf41124,39Franken10'016,30-
27.12.2019OC Oelikon NKauf87611,41Franken10'024,16-
11.02.2020Put WTEA1VKauf3'2500,25Franken874.00-
02.03.2020Put WTEA1VVerkauf3'2500,58Franken1'856,00+
02.03.2020Swatch Group IVerkauf37223,20Franken8'229,40+
02.03.2020Swatch Group NKauf20041,62Franken8'353,00-
26.03.2020AMS IKauf5409,27Franken5'034,80-
01.04.2020AMS IKauf5608,70Franken4'901,00-
09.04.2020OC Oerlikon NKauf1177,45Franken900,65-
24.04.2020Put AMSBBZKauf11'0000,065Franken744,00-
30.04.2020Put AMSBBZVerkauf11'0000,03Franken301,00+
04.05.2020Lonza NVerkauf28431,00Franken12'039,00+
26.05.2020Temenos NVerkauf65149,20Franken9'669,00+
26.05.2020Stadler Rail NKauf25039,30Franken9'854,00-

 

 

 

 

 

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