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Etwas haben die letzten Tage eindrücklich gezeigt: «Defensiv» ist weiterhin schwer angesagt. Egal ob Nestlé, Lonza Group oder Roche - Aktien von Unternehmen mit einem weitestgehend von der konjunkturellen Entwicklung unabhängigen Tagesgeschäft sind momentan einfach nicht zu bremsen.

Die Aktien von Nestlé trotzen am heutigen Freitag sogar einer Herunterstufung von "Buy" auf "Hold" durch Jefferies. In Erwartung, dass der Nahrungsmittelhersteller aus Vevey die sich selbst gesteckten Mittelfristziele verfehlen wird, streicht der für die amerikanische Investmentbank tätige Analyst Martin Deboo das Kursziel auf 107 (zuvor 118) Franken zusammen.

Noch vor wenigen Wochen hätten solch warnende Worte nicht nur dem Indexschwergewicht, sondern auch dem Swiss Market Index (SMI) zugesetzt. Dass die Verkäufe soweit gut absorbiert werden, ist nicht zuletzt einer überraschenden Heraufstufung des europäischen Nahrungsmittelsektors von "Neutral" auf "Overweight" durch Kepler Cheuvreux sowie Safe-Haven-Käufen aus dem angelsächsischen Raum zu verdanken. Im Gegenzug senkt der für Kepler Cheuvreux tätige Chefstratege Chris Potts übrigens den europäischen Chemiesektor von "Neutral" auf "Underweight". Wirklich konsequent ist er dann aber nicht: Trotz der geradezu erdrückenden Dominanz von Nestlé im SMI hält er an seinem "Neutral" lautenden Urteil für den Schweizer Aktienmarkt fest.

Festgefahren sind hingegen die Aktien von Stadler Rail. Die Angst vor einer möglicherweise enttäuschenden zweiten Jahreshälfte liess sie  zuletzt etwas von den Höchstkursen bei 50 Franken zurückfallen. Die Auftragsbücher des Herstellers von Schienenfahrzeugen sind randvoll - zweifelsohne. Allerdings sind randvolle Auftragsbücher das eine, daraus Umsätze und Gewinne zu schlagen etwas ganz anderes. Letzteres verlangte den Verantwortlichen um Firmengründer Peter Spuhler zuletzt angeblich ganz schön viel ab. Wie gut ihnen das in der zweiten Jahreshälfte gelungen ist, verrät die Ergebnisveröffentlichung vom 5. März.

Kursentwicklung der Stadler-Rail-Aktien seit dem Börsengang vom vergangenen April (Quelle: www.cash.ch)

Was die Wettbewerbssituation in Europa anbetrifft, so ziehen sich über dem Himmel von Stadler Rail dunkle Wolken zusammen. Nachdem der Versuch von Alstom, das eigene Schienenfahrzeuggeschäft mit jenem von Siemens zusammenzuführen, am Widerstand der Wettbewerbshüter scheiterte, streben die Franzosen eine transatlantische Lösung an. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge befindet sich Alstom in Verhandlungen mit der kanadischen Rivalin Bombardier. Sollten sich die beiden Unternehmen einig werden, liesse sich das zukünftig auch für Stadler Rail spüren.

Ähnliches könnte Geberit blühen. Wie aus den Handelsräumen der Berenberg Bank zu hören ist, führt der deutsche Rivale Villeroy & Boch Übernahmeverhandlungen mit der im mittleren Preissegment positionierten Ideal Standard. Es liegt geradezu auf der Hand, dass Villeroy & Boch mit diesem Vorstoss den anderen Anbietern - und damit wohl auch dem Marktführer Geberit - in Deutschland Marktanteile abspenstig machen will.

Den Aktionären von UBS und Credit Suisse dürften hingegen die Tränen der Verzweiflung in die Augen schiessen: Während die Papiere der beiden Schweizer Grossbanken hartnäckig in der Nähe ihrer langjährigen Tiefstkurse verharren, kosten jene der Zurich Insurance Group so viel wie seit fast 20 Jahren nicht mehr.

Doch selbst davon lässt man sich bei der britischen HSBC nicht abschrecken. In einer Studie zur europäischen Versicherungsindustrie stufen die Autoren um Thomas Fossard die dividendenstarken Aktien der Zurich Insurance Group als Schlüsselkaufempfehlung von "Hold" auf "Buy" herauf. Besser spät als nie, so ist man geneigt zu sagen. Und obschon sie ihre letztjährigen Gewinnschätzungen um 3 Prozent reduzieren, veranschlagen die Analysten neuerdings sogar ein Kursziel von 480 (zuvor 355) Franken.

Fossard und seine Abteilungskollegen argumentieren einerseits mit der soliden Bilanz, andererseits aber auch mit der geringen Anfälligkeit der Gewinnentwicklung, dem beeindruckenden Leistungsausweis der letzten Jahre sowie mit der attraktiv hohen Dividendenrendite. Wirklich neu scheint mir keine dieser Erkenntnisse.

Für den Tabubruch der Woche sorgte Analyst Chris Turner von der Berenberg Bank. Er sprach am gestrigen Donnerstag als einziger seiner Gilde eine Verkaufsempfehlung für die ansonsten beliebten Aktien der Partners Group aus. Mit 607 Franken liegt das Kursziel fast 40 Prozent unter dem Schlusskurs vom Vortag.

Darf man Turner Glauben schenken, dann überschätzt die Börse die Widerstandsfähigkeit der Gewinnentwicklung beim Spezialisten für Risikokapitalanlagen masslos. Er schliesst einen Gewinneinbruch nicht aus, sollte sich die Stimmung an den Finanzmärkten eintrüben.

Dem widerspricht sein für Julius Bär tätiger Berufskollege Roger Degen aufs schärfste. Er könne diese Argumentation nicht nachvollziehen, so lässt der Analyst seine Kundschaft wissen und bestätigt sowohl die Kaufempfehlung als auch das Kursziel von 1000 Franken.

Die Verkaufsempfehlung trat bei den Aktien der Partners Group am Donnerstag einen Kursrutsch los (Quelle: www.cash.ch)

Während Degen sich diesbezüglich von der Veröffentlichung des detaillierten Jahresabschlusses vom 17. März wichtige Erkenntnisse erhofft, bin ich mir dessen nicht ganz so sicher. Denn angesichts des Renditedrucks dürften institutionelle Grossinvestoren der Partners Group auch in der zweiten Hälfte letzten Jahres regelrecht die Tür eingerannt haben. Ob sich insbesondere die erfolgsabhängigen Kommissionserträge als widerstandsfähig erweisen, werden wir wohl erst erfahren, wenn die Stimmung an den Finanzmärkten kippt.

Das wird vermutlich auch nächsten Freitag noch nicht so weit sein, wenn es an dieser Stelle wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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