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Noch vor einem Jahr herrschte im Segment der Schweizer Nebenwerte fast so etwas wie Goldgräberstimmung. Auf der Suche nach im Kurs zurückgebliebenen Aktien waren die Analysten gezwungen auf immer kleinere und exotischere Unternehmen auszuweichen. Und da diese Papiere meist nur einen sehr engen Markt aufwiesen, zündeten die Analysten mit ihren Kaufempfehlungen nicht selten ein Kursfeuerwerk - was appetitanregend wirkte und Trittbrettfahrer auf den Plan rief.

Von Goldgräberstimmung ist mittlerweile nicht mehr viel zu spüren. Ganz im Gegenteil: "Rette sich, wer kann" lautet vielmehr die Direktive. Oder wie man im angelsächsischen Sprachgebrauch auch sagt: "Take the money and run!"

Der enge Markt rächt sich nun in vielen Fällen. Denn der Einstieg bei Aktien mit einem sehr engen Markt ist das Eine, der Ausstieg bekanntlich das Andere. Gerade grössere Anleger wie Pensionskassen, Vermögensverwalter oder Fonds sehen sich nicht selten in ihren Engagements gefangen.

Seit Wochen präsentiert sich ihnen fast täglich dasselbe zermürbende Bild: Die Kurse einst gefeierter Nebenwerte wie etwas jene des Sensorenherstellers AMS, des Telekommunikationsspezialisten Ascom oder des noch nicht lange an der Börse gehandelten Medizinaltechnikunternehmens Medartis fallen und fallen. Sämtliche dieser Aktien notieren zwischen 47 und 67 Prozent unter den letztjährigen Höchstkursen.

Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass die Börse halt doch keine Einbahnstrasse nach oben ist und sich viele kleinere und mittelgrosse Unternehmen sichtlich schwer tun, sich in einem anspruchsvolleren wirtschaftlichen Umfeld behaupten zu können.

Kursentwicklung der Aktien von AMS (rot), Ascom (grün) und Medartis (gelb) über die letzten zwei Wochen. (Quelle: cash.ch)

Schlimm erwischte es auch die Börsendebütanten der letzten zwei Jahre, allen voran die Aktien des Baselbieter Pharmaunternehmens Polyphor - wobei sich der Kurszerfall bei diesen Papieren wenigstens mit handfesten Fakten wie dem Rückschlag beim Schlüsselmedikament Murepavadin erklären lässt.

Bei anderen Börsendebütanten wie etwa Medartis und Asmallworld oder Klingelnberg und Sensirion lässt sich bloss über die Gründe für die Kursschwäche spekulieren. Verleiderverkäufe alleine können es nämlich nicht sein.

Interessant ist, dass sich seit wenigen Wochen nun auch Fondsanbieter aus dem Aktionariat kleiner und mittelgrosser Schweizer Unternehmen zurückziehen - sei es nun Swisscanto bei Komax, Credit Suisse Funds bei Sulzer und Georg Fischer oder T. Rowe Price und UBS Fund Management bei Julius Bär. Meine Vermutung: Rücknahmen zwingen diese Fondsanbieter zum Verkauf von Nebenwerten, um welchen Preis auch immer.

Wenn ich in meinen fast drei Jahrzehnten an der Börse etwas gelernt habe, dann, dass Panik – genauso wie Gier - ein schlechter Ratgeber ist. Und Panik beschreibt nicht schlecht, was sich bei vielen Schweizer Nebenwerten seit Wochen abspielt.

Anlegern mit einem "guten Sitzleder" bieten sich selektiv interessante Kaufgelegenheiten. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, würden sich die Ergebnisängste bei hiesigen Industrieperlen wie Komax, Georg Fischer oder OC Oerlikon rückblickend als übertrieben erweisen.

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Als im Dezember letzten Jahres erstmals Spekulationen laut wurden, dass sich der deutsche Chemiegigant BASF vom Bauchemiegeschäft trennen wolle, wurde neben bekannten Finanzinvestoren auch Sika ein Interesse an den zum Verkauf kommenden Geschäftsaktivitäten nachgesagt.

Spätestens nach der 2,5 Milliarden Franken schweren Übernahme des französischen Mörtelherstellers Parex war dann auch Laien klar: Der Bauchemiespezialist hat es sich trotz geradezu unwiderstehlich hohen Synergien anders überlegt. Denn eine weitere Grossübernahme - man spricht von einem Unternehmenswert von umgerechnet mehr als 3 Milliarden Franken - wäre für Sika finanziell wohl nicht auch noch zu stemmen gewesen.

Die Kursentwicklung der LafargeHolcim-Aktien während den letzten zwölf Monaten. (Quelle: cash.ch)

Wie ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg verrät, zieht sich ein Finanzinvestor nach dem anderen aus dem Rennen um das Bauchemiegeschäft von BASF zurück. Wie der Autor weiter schreibt, gehen die Geschäftsaktivitäten vermutlich an einen industriellen Käufer.

Dieser industrielle Käufer könnte LafargeHolcim heissen. Schliesslich ist Firmenchef Jan Jenisch als ehemaliger Chef von Sika bestens mit der Bauchemieindustrie vertraut. Ein Vorstoss ins Bauchemiegeschäft käme für Jenisch einem Heimspiel gleich.

Ob und wie die Aktien von LafargeHolcim auf eine solche Grossübernahme reagieren würden, darüber lässt sich bloss mutmassen. Womöglich hängt das - wie so oft - vom Kaufpreis ab.
 

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