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Vor wenigen Tagen wurde mir aus London ein Strategiepapier aus dem Hause Goldman Sachs zugespielt. Darin rät die vermutlich mächtigste Investmentbank der Welt den Anlagekunden zum Kauf von europäischen Turnaround-Kandidaten.

Den Studienautoren haben es vor allem Aktien von Unternehmen angetan, die das Zeug haben, den hausgemachten Problemen aus eigener Kraft Herr zu werden. Dazu zählen die Strategen jene von Brenntag, Randstad, Europcar, Smurfit, Orange, FiatChrysler, Smith & Nephew, Just Eat, Moeller-Maersk, Imperial Tobacco, United Internet, Telefonica, Nokia, GlaxoSmithKline und Schibsted. Erfahre dann auch noch das Umfeld eine Aufhellung, sei für zusätzliche Fantasie gesorgt.

Aus Schweizer Sicht fällt die Ausbeute äusserst mager aus, wird in der Studie doch nur gerade Geberit erwähnt. Und das vermutlich auch nur, weil die Aktien des in Rapperswil-Jona beheimateten Sanitärtechnikkonzerns auf der viel beachteten "Conviction Buy List" der amerikanischen Investmentbank stehen.

Rückblickend hat sich Geberit mit der milliardenschweren Übernahme von Sanitec ein Problemkind ans Bein gebunden. Es dürfte mehr als nur ein Zufall sein, dass die Geschäftsentwicklung den Analystenerwartungen just seit damals hinterherhinkt. Wie lange es dauern wird, bis sich das Wachstum belebt und sich eine Margenverbesserung einstellt, darüber lässt sich nur spekulieren. Vermutlich müssen sich die erfolgsverwöhnten Aktionäre für einmal etwas länger als gewöhnlich in Geduld üben.

Ich habe mich, vom Strategiepapier angestachelt, mal etwas genauer am Schweizer Aktienmarkt nach aussichtsreichen Turnaround-Kandidaten umgeschaut. Mein Bauchgefühl sagt mir nämlich, dass beinahe täglich weitere Unternehmen unter den Leidensdruck des starken Frankens und des immer intensiveren Wettbewerbs geraten.

Bereits erste Erfolge kann Logitech vermelden. Unter ihrem neuen Chef Bracken Darrell haben die Westschweizer an Innovationskraft gewonnen. Wie mir aus Lausanne berichtet wird, gleicht die Firmenkultur mittlerweile der eines Start-Up-Unternehmens. Das ist auch nötig, um sich im kurzlebigen Geschäft mit Peripheriegeräten für Smartphones und Tablet-PC erfolgreich gegen andere Anbieter durchsetzen zu können.

In den vergangenen zwölf Monaten übertraf Logitech die Analystenerwartungen Quartal für Quartal teilweise recht deutlich. Selbst das widrige Währungsumfeld stellt den Turnaround nicht in Frage. Irgendwann dürften das auch die Leerverkäufer einsehen und ihre Wetten (siehe Kolumne vom 31. August) gegen die seit knapp zwei Jahren stagnierenden Namenaktien schliessen.

Noch länger dauert die Durststrecke der Aktionäre von ABB. In den vergangenen sechs Jahren liess sich mit den Valoren des in Zürich beheimateten Industriekonzerns kaum Geld verdienen. Nun steht dem langjährigen Grossaktionär Investor AB mit Cevian Capital eine weitere finanzkräftige Beteiligungsgesellschaft zur Seite. Obwohl sich über die Pläne dieses Zweigespanns nur spekulieren lässt, liegen diese eigentlich auf der Hand: Es müssen endlich nachhaltig Aktionärswerte geschaffen werden.

Anlässlich des diesjährigen Investorentags legte ABB am Mittwoch die Basis dazu. Neben weiteren Kosteneinsparungsmassnahmen gab das Unternehmen auch die Bündelung des Stromübertragungsgeschäfts in einer eigens geschaffenen Sparte bekannt. Für diese will man strategische Lösungen ausloten.

Mit einer Lösung für das "Sorgenkind" Stromübertragung ist frühestens in eineinhalb bis zwei Jahren zu rechnen. Sofern sich das Umfeld nicht grundlegend aufhellt, werden den Anlegern weiterhin viel Geduld und gute Nerven abverlangt.

Nicht viel besser dürfte es den Aktionären von Sulzer ergehen. Immerhin bietet sich ihnen bis Anfang Oktober die Gelegenheit, vom Pflichtangebot des russischen Milliardärs Viktor Vekselberg Gebrauch zu machen und ihre Titel anzudienen (siehe Kolumne vom 9. September).

Selbst nach dem überraschenden Rücktritt des bisherigen Chefs Klaus Stahlmann ist der Erfolg der strategischen Neuausrichtung und der Restrukturierung von zwei der drei Geschäftszweigen alles andere als sicher. Schon seit Monaten ist im Berufshandel von unternehmensinternem Widerstand gegen diese Massnahmen die Rede. Auf den Nachfolger von Stahlmann wartet bei Sulzer viel Arbeit.

Ähnlich verhält es sich bei Syngenta. Nachdem der in Basel beheimatete Agrarchemiehersteller die Übernahme durch den amerikanischen Rivalen Monsanto in letzter Minute vereitelte, stehen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung nun in der Pflicht. Denn die Geschäftsentwicklung der letzten Jahre lässt vermuten, dass man mit der Integrationsstrategie gescheitert ist.

Ob sich die aufgebrachten Aktionäre mit der bekanntgegebenen Aufstockung des Aktienrückkaufprogramms und dem geplanten Verkauf der Gemüse-Saatgut-Sparte besänftigen lassen, wage ich zu bezweifeln. Zum einen gehen die Meinungen über den Verkaufserlös für diese Geschäftsaktivitäten weit auseinander und zum anderen erfährt die Gewinnentwicklung zumindest auf kurze Sicht keine Verdichtung.

Interessant wird es aus Sicht der Aktionäre erst dann, wenn Syngenta unter ihrem Druck wieder Verhandlungen mit dem Rivalen Monsanto oder Verhandlungen mit dem langjährigen Partnerunternehmen DuPont aufnimmt.

Auf sich alleine gestellt, sind die Basler jedenfalls auf eine Nachfragebelebung in den Absatzmärkten angewiesen. Gerade im Pflanzenschutzgeschäft graben ihnen immer öfter Billiganbieter aus den Schwellenländern das Wasser ab. Gegen diese Rivalen ist wortwörtlich kein Kraut gewachsen.

Mit Widrigkeiten muss sich auch SGS auseinandersetzen. Der Preiszerfall bei den Rohstoffen fordert seinen Tribut und nach wachstumsreichen Jahren bleiben die Aufträge aus dem Bergbau sowie der Öl- und Gasindustrie immer öfter aus. Mit einer Nachfragebelebung ist frühestens ab dem kommenden Jahr zu rechnen.

Für den Genfer Warenprüfkonzern hat die Auftragsflaute aber nicht nur Nachteile. Was den Kauf kleinerer Anbieter anbetrifft, so fliegen ihm die gebratenen Hähnchen geradezu in den Mund. Mit diesen lassen sich längerfristig Aktionärswerte schaffen.

Die grundsolide Bilanz und die starke Marktstellung lassen jedenfalls einen Turnaround aus eigener Kraft erwarten. Und bis dahin werden die Aktionäre mit einer grosszügigen Dividendenpolitik bei Laune gehalten.

Als Anleger Anfang Februar Aktien von Sunrise Communications zeichneten, war ihnen noch nicht bewusst, dass sie sich in einen Turnaround-Kandidaten einkaufen würden. Heute, zwei schwächer als erwartete Quartalsergebnisse und eine Gewinnwarnung später, herrscht im Aktionariat Katerstimmung. Alleine seit Anfang August ist der Börsenwert des Telekommunikationskonzerns um knapp 30 Prozent geschmolzen.

Nach einer ersten grösseren Preisoffensive des Rivalen Salt sind Verwaltungsrat und Geschäftsleitung von Sunrise Communications gefordert. Allerdings können die Entscheidungsträger auf eine solide Bilanz sowie auf reichlich vorhandenes Kosteneinsparpotenzial zurückgreifen. Sollte beides nicht die gewünschte Wirkung entfalten, ist ein Schulterschluss mit Salt gegen den übermächtigen Marktführer Swisscom denkbar. Den Aktionären winken über die nächsten Jahre, unabhängig von den Problemen, attraktive Dividenden. Für Fantasie ist jedenfalls in mehrfacher Hinsicht gesorgt.
 

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