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Hierzulande dürfte der Name Stifel Nicolaus nur institutionellen Grossinvestoren geläufig sein. Ganz anders in Übersee. Dort finden die Strategiestudien des amerikanischen Brokers rege Beachtung.

In den vergangenen Monaten stemmte sich der für Stifel Nicolaus tätige Chefstratege vehement gegen die gängige Meinung seiner Berufskollegen und sagte dem heimischen Aktienmarkt eine schwierige zweite Jahreshälfte vorher. Gleich mehrere seiner Kommentare widmete er den "Vier Vorreitern der Apokalypse" und damit den vier Gründen für seine vorsichtige Haltung: Der restriktiveren Zins- und Geldpolitik der US-Notenbank, den geopolitischen Unruhen in der Ukraine und im Mittleren Osten, den konjunkturellen Gefahren sowie dem Umstand, dass der amerikanische Aktienmarkt seit über fünf Jahren keinen Rückschlag von mindestens 20 Prozent mehr zu beklagen hatte. Für den breit gefassten S&P-500-Index veranschlagte der Experte in der Folge ein Jahresendziel von 1‘850 Punkten.

Davon will der Chefstratege in seiner aktuellsten Studie allerdings nichts mehr wissen, wechselt er darin doch aus dem Lager der Baissiers in das der Haussiers. In Folge dessen sieht der Experte das Börsenbarometer bis Ende Jahr in die Region von 2‘300 Punkten vorstossen, was einem rechnerischen Aufwärtspotenzial von nicht weniger als 17 Prozent entspricht.

Er sei sich zwar bewusst, dass der heimische Aktienmarkt im September und Oktober in eine saisonal schwierige Phase übergehe. Und auch was das geopolitische Umfeld anbetreffe, könne er keine zuverlässigen Prognosen abgeben. Die Gefahr einer Überhitzung der Wirtschaft sei allerdings gering, die Zinskurve alles andere als invers und die realen Zinsen würden noch immer deutlich unter der magischen Marke von 2 Prozent liegen. Dadurch verlängere sich der konjunkturelle Aufschwung um weitere drei Jahre, so zeigt sich der Verfasser der Studie sicher. Der amerikanische Aktienmarkt werde diesen vermutlich schon in den kommenden Monaten einpreisen und noch einmal deutlich ansteigen.

Nicht nur, dass der Chefstratege von Stifel Nicolaus in seiner aktuellsten Studie aus dem Lager der Baissiers in das der Haussiers wechselt. Er gehört mit seinem neuen Jahresendziel für den S&P-500-Index auch gleich noch zu den optimistischsten Experten überhaupt. Ich bin ehrlich gesagt etwas irritiert, was diesen plötzlichen Sinneswandel anbetrifft.

Meines Erachtens befindet sich der amerikanische Aktienmarkt in einer weit fortgeschrittenen Phase seiner seit mittlerweile gut fünf Jahren zu beobachtenden Aufwärtsbewegung. In dieser Phase gehören Übertreibungen zur Tagesordnung. Das gilt nicht nur für den Markt selber, sondern auch für die Gilde der Aktienstrategen.

Anleger sollten nicht vergessen, dass sich der vom Experten mitverfolgte S&P-500-Index seit dem Frühjahr 2009 mehr als Verdreifacht hat. Der für Wachstums-Aktien wichtige Nasdaq Composite Index gilt heute sogar knapp viermal soviel wie damals. Beide Börsenbarometer haben sich in dieser Zeit substanziell von der Entwicklung der Unternehmensgewinne nach oben gelöst.

Nicht zuletzt deshalb wäre ich schon sehr überrascht, sollte der Chefstratege von Stifel Nicolaus mit seinem geradezu euphorischen Jahresendziel von 2‘300 Punkten im S&P-500-Index Recht bekommen.

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Schon seit Wochen geraten die Namenaktien von ABB immer wieder unter Verkaufsdruck. Obschon sich die Papiere des in Zürich beheimateten Industriekonzerns zuletzt über 20 Franken behaupten konnten, treffen vermehrt Anfragen besorgter Aktionäre bei mir ein.

Ich habe mich in den vergangenen Tagen auf die Suche nach möglichen Gründen für die Formschwäche gemacht. Ganz offensichtlich sind die Aktien des einstigen Börsenlieblings einem allgemein rückläufigen europäischen Investitionsgütersektor zum Opfer gefallen. Nicht zuletzt aufgrund der immer zahlreicher werdenden geopolitischen Brandherde haben die Wachstumsaussichten eine spürbare Eintrübung erfahren.

Der immer wieder zu beobachtende Verkaufsdruck alleine mit diesem Umstand zu erklären, wäre jedoch etwas gar einfach. Vermutlich spielen hier auch firmenspezifische Faktoren mithinein.

Einem Kommentar aus dem Hause Deutsche Bank entnehme ich, dass die Papiere seit Jahresbeginn um rund 6 Prozent schlechter als der europäische Investitionsgütersektor abgeschnitten haben. Damit trage der Markt der geringen Erwartungshaltung im Vorfeld des diesjährigen Investorentages vom 9. September Rechnung, so der Verfasser.

Der Experte rechnet an diesem Tag nicht mit einem strategischen Kurswechsel. Dass sich ABB neuen Mittelfristzielen verschreibt, schliesst er hingegen nicht aus. Die bis Ende 2015 definierten und erst im Februar nach unten korrigierten Zielgrössen seien aus heutiger Sicht noch immer zu ambitiös. Mit dieser Einschätzung steht der Experte nicht alleine da, spiegelt diese sich doch in den Konsensschätzungen für das kommende Jahr wider.

Ob die Aktien von ABB nach dem Investorentag vom 9. September wieder zur früheren Stärke zurückfinden, wird sich zeigen müssen. Nach mehreren Ergebnisenttäuschungen in Folge haben die Firmenverantwortlichen um CEO Ulrich Spiesshofer einen Grossteil des Anlegervertrauens verloren. Dieses zurückzugewinnen dürfte vor allem eines: Zeit in Anspruch nehmen.