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Am Nachmittag des 20. Mai dürfte an der Börse in New York der eine oder andere Champagnerkorken geflogen sein. Grund zum Feiern gab es alleweil, kletterte der S&P-500-Index bei 2135 Punkten doch auf den höchsten Stand in der Geschichte. Seither scheiterte das breit gefasste Börsenbarometer gleich zweimal beim Versuch, die bisherige Bestmarke zu übertreffen.

Das scheint die Anleger allmählich zu zermürben. Die Anhaltspunkte häufen sich, wonach die Stimmung zu kippen droht. Gerade amerikanische Hedgefonds haben Blut gewittert. Erhebungen der Credit Suisse zufolge kommen auf fünf Dollar Wetten auf steigende nicht weniger als sechs Dollar Wetten auf rückläufige Aktienkurse. Noch pessimistischer war die Stimmung unter diesen Fondsmanagern nur gerade im Frühjahr 2009. Wenige Wochen später sollte der S&P-500-Index bei "teuflischen" 666 Punkten die Talsohle durchschreiten, um sich danach innerhalb von sechs Jahren zu verdreifachen. Der technologielastige Nasdaq Composite Index erfuhr seither sogar eine Vervierfachung.

Auf vergleichbare Stimmungseintrübungen folgte Anfang 2014 und im März dieses Jahres jeweils eine Gegenbewegung, welche die amerikanische Leitbörse auf neue Rekordstände klettern liess.

An dieser Stelle beisst sich der Hund allerdings in den Schwanz. Denn zumindest für die amerikanischen Marktauguren steht fest: Die Stimmung ist so schlecht, dass die Kurse am heimischen Aktienmarkt gar nicht fallen können.

Dahingehend äussert sich auch Michael Hartnett, seines Zeichens Chefstratege bei Merrill Lynch. Er berichtet von milliardenschweren Umschichtungen aus den mit Risiken behafteten Schwellenländeraktien und Ramschanleihen in die vermeintlich sicheren Staatsanleihen sowie in den Geldmarkt.

Hartnett und seine Kollegen werten diese Umschichtungen als Flucht der Anleger in sichere Anlagewerte. Als Folge davon ist der von Merrill Lynch berechnete "Bull & Bear Index" zuletzt auf 2 Punkte und damit in den extrem pessimistischen Bereich gefallen. Noch Anfang Juni lag der Stimmungsbarometer mit 5 Zählern im neutralen Bereich.

Dass amerikanische Anleger zuletzt für mehr als drei Milliarden Dollar europäische Aktien gekauft haben, will allerdings nicht so recht in dieses Bild passen. Erhebungen der amerikanischen Grossbank erzielte der alte Kontinent während 29 der vergangenen 31 Wochen einen Mittelzufluss. Letzterer summiert sich mittlerweile auf 87 Milliarden Dollar oder 8,5 Prozent des in diesen Investmentgefässen angelegten Kapitals.

Dennoch wähnt man die heimische Leitbörse aufgrund der schlechten Stimmung auch bei Merrill Lynch vor einer grösseren Erholungsbewegung. Was die Grossbank nicht schreibt: Obschon die amerikanischen Ramschanleihen für gewöhnlich eng mit dem Aktienmarkt korrelieren, hat sich die Kursentwicklung dieser beiden Anlageklassen schon seit Wochen voneinander abgekoppelt - die Anleihen von Schuldnern fragwürdiger Qualität notieren auf dem tiefsten Stand seit vier Jahren. Mit anderen Worten: Entweder sind die Marktakteure bei den Ramschanleihen viel zu vorsichtig, oder bei den Aktien zu euphorisch.

Sollte die Stimmung unter den Anlegern wie Hartnett und seine Kollegen schreiben extrem pessimistisch sein, dann trifft das zumindest auf den heimischen Aktienmarkt nicht zu.

Interessant ist auch, dass der Chefstratege bei den allseits beliebten Aktienfonds aus dem Gesundheits- und dem Biotechnologiesektor eigenen Angaben zufolge erste Ermüdungserscheinungen ausmacht. Dabei verweist er auf den zuletzt mit 10 Millionen Dollar geradezu lächerlich tiefen Kapitalzufluss. Es sei dies der mit Abstand schwächste Zufluss seit 11 Wochen, so Hartnett.

Wie die Credit Suisse schreibt, haben Hedgefonds begonnen, sich aus den amerikanischen Pharma- und Biotechnologieaktien zurückzuziehen. Gleichzeitig zeigen Statistiken der Grossbank, dass die regulären Aktienfonds so viele Engagements halten wie seit mehr als 12 Jahren nicht mehr - etwas das durch die aggressiven Kaufempfehlungen aus dem Analystenlager bestätigt werde.

Die gängige Meinung, wonach die Stimmung unter den Anlegern so schlecht ist, dass die Kurse am amerikanischen Aktienmarkt gar nicht fallen können, ist sehr gefährlich. Auf den zweiten Blick scheint mir die Stimmung an der Börse in New York allen Unkenrufen zum Trotz noch immer ausgelassen und sorglos. Bester Indikator ist die auf einem historischen Tiefststand verharrende Volatilität. Raum für Rückschläge sehe ich vor allem im Segment hochgejubelter Wachstumsaktien (siehe Kolumne vom 11. Juni).

Noch nie konnte sich unser Schweizer Aktienmarkt für längere Zeit von der amerikanischen Leitbörse abkoppeln. Gerade deshalb sollten hiesige Marktakteure und Anleger über die kommenden Wochen mit Argusaugen in Richtung New York blicken.

 

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