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Selbst wenn sich am Schweizer Aktienmarkt bis vor wenigen Tagen noch ein Indexrekord an den nächsten reihte: Die Flut hebt nicht mehr länger alle Boote. Das Handelsgeschehen ist launischer - und dadurch unberechenbarer - geworden.

Das erschwert nicht nur das Leben der Anleger, sondern auch das eines manchen Aktienanalysten. Zu lange galt: Nur wer am lautesten schreit, geht im Grundlärm des Marktgeschehens nicht unter. Aggressive Kauf- und Verkaufsempfehlungen und atemraubende Kursziele waren an der Tagesordnung.

Und diese rächen sich nun - wenn auch nicht für die Analysten, die sich dazu hinreissen liessen. Die Zeche bezahlen einmal mehr die Anleger. Denn liegt ein Analyst daneben, nennt man das Schätzungsrevision. Liegt hingegen ein Anleger daneben, kostet das Geld.

Auf das Prinzip Hoffnung setzt Analyst Eoin Mullany von der Berenberg Bank bei den Aktien der UBS. Wie schon sein Vorgänger während fast sieben Jahren empfiehlt auch er die Papiere zum Kauf. Mit 17 Franken liegt das Kursziel etwas unter jenem seines Vorgängers.

Mullany räumt zwar ein, dass die grösste Schweizer Bank auf schwierige Monate zurückblickt. Er spielt dabei sowohl auf das milliardenschwere Urteil in Frankreich als auch auf das eher schleppend laufende Wealth Management an. Dennoch sagt der Analyst der UBS in eben diesem wachstumsreiche Jahre vorher. Deshalb bestünde berechtigte Hoffnung, so schreibt Mullany wortwörtlich.

Jetzt erst recht, dürfte sich Thomas Fossard wohl gedacht haben, als der für die britische HSBC tätige Analyst sein Kursziel für die Aktien von Swiss Re kürzlich auf 115 (zuvor 112) Franken erhöhte und seine Kaufempfehlung bekräftigte. Dass Fossard seine Gewinnschätzungen im Zuge eines schwachen ersten Quartals um bis zu 14 Prozent zusammenstreichen muss, passt nämlich so gar nicht zum angehobenen Kursziel. Vielmehr begründet der Analyst seine Kaufempfehlung mit dem sich abzeichnenden Börsengang von ReAssure sowie mit dem Restrukturierungspotenzial bei Corporate Solutions. Ausserdem rechnet er über die kommenden Jahre mit einer kontinuierlich steigenden Jahresdividende - was angesichts der eher mageren Eigenkapitalrendite alles andere als selbstverständlich ist.

Der Kurs der Swiss-Re-Aktien entfernt sich immer weiter vom Kursziel des HSBC-Analysten. (Quelle: cash.ch)

Zusehends in Erklärungsnot sieht sich Analyst Reto Amstalden von Helvea bei den Aktien von Oerlikon, blickt der Zürcher Industriekonzern doch auf ein enttäuschendes erstes Quartal zurück. Der Abschwung in der Automobilindustrie macht dem Unternehmen zu schaffen. Und das, obwohl die Abhängigkeit von diesem Wirtschaftszweig durch den Verkauf von Drive Systems weiter reduziert werden konnte. Gerade der Margenrückgang in der Oberflächentechnologie - dem eigentlichen Kerngeschäft von Oerlikon - lässt aufhorchen.

Das hält Amstalden allerdings nicht davon ab, in Erwartung einer Belebung des Tagesgeschäfts mit einem optisch hohen Kursziel von 17 Franken an seiner Kaufempfehlung festzuhalten. Eine solche Belebung ist denn auch dringend notwendig, will der Industriekonzern seine Zielvorgaben im laufenden Jahr erfüllen.

Dass Analysten manchmal auch in die andere Richtung falsch liegen können, beweist der ebenfalls für Helvea tätige Knut Woller. Er empfiehlt die Aktien der Genfer Bankensoftwareschmiede Temenos mit einem Kursziel von gerade mal 56 Franken zum Verkauf - und das seit einer gefühlten Ewigkeit.

Sein Hauptargument: Das Unternehmen stelle die Umsatzentwicklung zu optimistisch dar und das Wachstum habe zuletzt kontinuierlich an Qualität eingebüsst.

Beeindruckende Kursentwicklung der Temenos-Aktien über die letzten fünf Jahre. (Quelle: cash.ch)

Blöd nur, trennen die Aktien von Temenos keine 10 Prozent mehr vom letztjährigen Rekordhoch bei etwas mehr als 180 Franken. Die Papiere trennen mittlerweile wieder Welten vom 56 Franken lautenden Kursziel Wollers.

Ähnlich verhält es sich bei der Verkaufsempfehlung von Achal Sultania für die Aktien des Sensorenherstellers AMS. Erst vor wenigen Tagen sah sich der Technologieanalyst der Credit Suisse zu einer Verdoppelung seines Kursziels auf 35,50 (zuvor 18,50) Franken gezwungen.

Sultania hält die Absatz- und Margenhoffnungen für übertrieben und die Papiere folglich für überbewertet.

Man kann den fünf Analysten vieles vorwerfen, beispielsweise, die Geschäftsentwicklung der von ihnen mitverfolgten Unternehmen völlig falsch eingeschätzt zu haben. Eines muss man ihnen jedoch zugute halten: Eine Fahne im Wind sind sie nicht.
 

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