Wir halten es für einen Glücksfall, dass mit Mario Draghi ein ausgezeichneter Ökonom die Geschicke der Europäischen Zentralbank lenkt. Einem Technokraten wären wahrscheinlich längst die Zügel entglitten. Draghi versteht es, die wirklich wichtigen Erfolgsfaktoren zu benennen und unermüdlich darauf hinzuarbeiten, dass Verbesserungen erzielt werden. Seine Kernbotschaft kann man etwas vereinfacht auf die folgende Kurzformel bringen: Aufzeigen der Grenzen der Geldpolitik, Verbesserung der eingeschränkten Transmissionsmechanismen der Geldpolitik und Kreditvergabe, und Hinarbeiten auf eine Vertiefung der Währungsunion.

Die EZB ist voll entschlossen, Preisstabilität über einen mittleren Horizont zu gewährleisten und die Integrität des Euros zu sichern. Der Weg, die mangelhafte Währungsunion zu vervollständigen, führt über eine Bankenunion. Ohne glaubwürdige Bankenunion ist der Euro eine fragmentierte Währung und die Geldpolitik kann nicht effizient wirken. Die Fragmentierung ist Folge von Misstrauen, zu wenig Transparenz und der Verflechtung von Banken mit ihren Heimatländern, die sich in der Finanzkrise als Teufelskreis erwiesen hatte.

Eine glaubwürdige Bankenunion bedeutet, dass die neue Europäische Aufsichtsbehörde, Single Supervisory Mechanism (SSM), welche per 1. Januar 2014 von der 63-jährigen Französin Danièle Nouy geführt wird, über genügende Kompetenzen verfügt. Neben mikro- und makro-prudenziellen Instrumenten wäre vor allem die Einberufung einer Abwicklungsbehörde (Single Resolution Mechanism – SRM) wichtig. Nur wenn eine Behörde nach einheitlichen Massstäben marode Banken abwickeln kann und eine Rekapitalisierung aus einem europäischen Topf geäufnet wird, kann der unheilvolle Nexus von Banken und Staaten gekappt werden.

Deutschland blockiert

Die Bankenunion kommt zwar - aber nur als Light-Version. Die Folgen für die Wirtschaft der Peripherieländer dürften verheerend sein. In den nächsten Jahren bleibt eine vollwertige  Bankenunion reines Wunschdenken, weil weiterhin die Nationalstaaten souverän handeln. Spanien entscheidet also weiterhin, ob eine spanische Bank abgewickelt wird oder nicht. Im Fall einer Insolvenz werden zuerst die privaten Gläubiger zur Kasse gebeten, und danach muss Spanien die Bank retten, solange es das kann. Erst an letzter Stelle kommt der europäische Rettungsfonds.

Das engstirnige Handeln Deutschlands ist vor dem Hintergrund der jüngsten Daten der EU-Bankenaufsicht European Banking Authority (EBA) problematisch. Am 16. Dezember publizierte die EBA einen Transparenzbericht zu den 64 größten Banken aus 21 Ländern der EU. Die gegenseitige Abhängigkeit europäischer Banken und ihrer Heimatstaaten wächst wieder. Die 64 Banken hielten per 30. Juni 2013 9,3 Prozent mehr Staatsanleihen als noch Ende 2011. 2011 hatten die Banken die Bestände unter dem Stress der Staatsschuldenkrise noch um neun Prozent abgebaut. Dabei hatten sich die Bankenregulierer eigentlich vorgenommen, die Verflechtung von Kreditinstituten mit ihren Heimatländern zu beenden. Insgesamt zog die Aufsichtsbehörde eine positive Bilanz: Die Eigenkapitalquote der 64 Banken sei in den 18 Monaten bis Juni 2013 im Schnitt von 10.0% auf neu 11.7% gestiegen.Das ist erfreulich. Bedenklich bleibt die Tatsache, dass die Anreize des verhängnisvollsten Carry Trades des 21. Jahrhunderts weiterhin bestehen!

Tail Risk

Die Banken der Peripheriestaaten kaufen mit billigem Zentralbankgeld  deutlich höher verzinste Staatsanleihen ihrer Herkunftsstaaten, wie aus der Erhebung der EBA hervorgeht. Am Beispiel Spaniens wird die Brisanz deutlich. Die fast 200 Milliarden EUR von spanischen Staatsanleihen sind nicht weit gestreut, sondern befinden sich fast ausschliesslich im Besitz der vier bei der Erhebung erfassten spanischen Banken (Banco Santander SA, BBVA SA, Caja de Ahorros y Pensiones de Barcelona, Banco Popular Espanol SA). Der Tail Risk besteht darin, dass sich in der Dreiecksbeziehung Staaten, Geschäftsbank- und Zentralbanken eine verhängnisvolle Abhängigkeit eingeschlichen hat. Die Geschäftsbanken verdienen an der Zinsdifferenz, die Staaten reduzieren ihre Finanzierungskosten und für die Zentralbanken wäre eine Insolvenz der Geschäftsbanken und Staaten ein Desaster. Der Anreiz für diesen Carry Trade wird erst abgemildert, wenn die Eigenkapitalvorschriften Staatsanleihen nicht mehr begünstigen. Aktuell wird für das Halten von Staatsanleihen kein Eigenkapital vorgeschrieben. Dieser Subventionierung muss, wie Draghi betont, auf Ebene einer globalen Diskussion und Regulierung ein Riegel geschoben werden, und das Basler Komitee ist das richtige Forum dafür.

Kreditvergabe und mögliche Störungen

Draghi weist seit Monaten darauf hin, dass für Unternehmen je nach Domizil ganz unterschiedliche Kreditkonditionen herrschen. Eine deutsche KMU bekommt Kapital deutlich günstiger als eine spanische oder italienische KMU. Für die Eurozone als Ganzes funktioniert die geldpolitische Transmission nur auf eingeschränkte Weise. Zinssenkungen, welche die EZB beschlossen hatte, werden den Unternehmen nicht eins zu eins weitergereicht. Die Kreditvergabe von Banken an Unternehmen ist schwach und hat 2012 um 20 Milliarden Euro abgenommen. Diesem Rückgang der Bankkredite steht eine Netto-Erhöhung der Kapitalmarkt-Emissionen von Bankanleihen im Umfang von 34 Milliarden Euro gegenüber. Je eher sich Unternehmen über den Kapitalmarkt finanzieren, desto besser können sie sich von der Abhängigkeit einer Bankfinanzierung lösen. Die Geldpolitik der EZB hat nicht optimal funktioniert, weil Banken der Peripherieländer aufgrund riskanter Anlagen unterkapitalisiert waren und es teilweise noch sind. Schauen wir an, welche Rolle die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe übernehmen. Schließt eine Geschäftsbank mit einem Kunden einen Kreditvertrag ab, dann schreibt sie ihm den vereinbarten Betrag auf seinem Girokonto gut. Es ist also die Kreditvergabe, welche die breit gefasste Geldmenge ausweitet! Stockt die Kreditvergabe, bestehen deflationäre Risiken, egal wie expansiv die Basisgeldmenge erhöht wird. Eine expansive Geldpolitik entfaltet ohne eine funktionierende Kreditvergabe keine Wirkung. Die Basisgeldmenge steigt zwar steil an, doch was zählt ist die breit gefasst Geldmenge, welche auch Bankeinlagen umfasst.

Europa tut gut daran, nach dem Vorbild der USA die Banken zu zwingen, ihre Eigenkapitalpolster zu stärken.

 

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