Mit der Lega Nord und der Fünf-Sternebewegung stehen zwei populistische Parteien vor der Regierungsübernahme in Rom. Die italienischen Wählerinnen und Wähler haben allen Grund mit den Leistungen ihrer bisherigen Regierungen unzufrieden zu sein: Während das Bruttoinlandsprodukt in der gesamten Währungsunion seit ihrem Beginn Anfang 1999 um 26% anstieg, erhöhte es sich in Italien um lediglich 6%. Dieser Wert beinhaltet sogar noch den Effekt einer steigenden Bevölkerung. Betrachtet man stattdessen das Pro-Kopfeinkommen so schmilzt jegliches Wachstum komplett daher. Der Trend seit der Finanzkrise hat sich sogar noch einmal verschlechtert. Aktuell sind die Pro-Kopfeinkommen 14% niedriger als das Niveau, das sich eingestellt hätte, wenn sie mit der durchschnittlichen Rate der 10 Jahre vor der Finanzkrise gewachsen wären.

Es sieht auch nicht so aus, als wenn sich an der unterdurchschnittlichen Performance der italienischen Wirtschaft schnell etwas ändern würde. Die OECD schätzt das Potenzialwachstum in Italien um ein Prozent niedriger ein als in der gesamten Währungsunion. Die EU-Kommission erwartet für dieses und nächstes Jahr in Italien mit 1,5% bzw. 1,2% ein schwächeres Wachstum als in allen anderen Ländern der Währungsunion. Zentral und symptomatisch für die italienische Wachstumsschwäche scheint die extrem schwache Investitionstätigkeit zu sein, die mit einer seit Jahren nicht mehr steigenden Stundenproduktivität einhergeht.

Die Fünf-Sternebewegung und die Lega Nord haben ihren Wählern fiskalisch viel versprochen. Mit den europäischen Stabilitätsbedingungen werden die massiven Steuersenkungen, eine Revision der Rentenreform von 2011 oder ein Grundeinkommen in den geplanten Ausmassen kaum kompatibel sein. Ein Clash mit der EU scheint vorprogrammiert. Den beiden populistischen Parteien mag dies sogar gelegen kommen, ist doch die Opposition zu der EU und ihren Regulierungen und Beschränkungen eines der Themen, die sie verbindet. Es dürfte absehbar sein, dass die Gründe für die wirtschaftliche Schwäche weiter nicht in der niedrigen Investitionsquote und dem geringen Produktivitätswachstum im Inland gesucht werden dürften. Stattdessen könnten die beiden Parteien die relativ europakritische Stimmung der Bevölkerung weiter ausbauen. Bereits jetzt liegt gemäss der Eurobarometer-Umfrage das Vertrauen in die EU mit 34% niedriger als im EU-Durchschnitt. Während sich 70% in der EU insgesamt als EU-Bürger fühlen, würden dies in Italien nur 54% von sich behaupten – ein geringerer Wert als in UK, der nur noch in Griechenland untertroffen wird. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Euro. Eine Mehrheit der Italiener befürwortet zwar den Euro, dieser Zuspruch fällt aber geringer aus als in allen anderen Ländern der Währungsunion.

Das geringe Wachstum Italiens auf einen zu starken Wechselkurs zu schieben, liegt allerdings nahe. Ganz falsch ist das natürlich nicht, selbst wenn Italien inzwischen Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaftet. Umgekehrt profitiert die deutsche Exportindustrie von einer zu schwachen Währung. So würde wohl auch kaum jemand daran zweifeln, dass eine eigene deutsche Währung real höher bewertet wäre und eine italienische Währung real niedriger. Entsprechend geringer wäre das Gewicht des deutschen Exportsektors an der Beschäftigung und des BIP, während es in Italien umgekehrt wäre. Ausdruck der makroökonomischen Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion und innerhalb Deutschlands bleibt der deutsche Leistungsbilanzüberschuss von rund 8% in diesem und letztem Jahr. Die Hoffnung, dass ein flexiblerer Arbeitsmarkt die Lenkungswirkungen eines flexibleren nationalen Wechselkurses ersetzen würden, hat sich nicht bestätigt. Dazu hätte es deutlich höhere Lohnabschlüsse in Deutschland geben müssen und zumindest vor der Finanzkrise niedrigere in Italien.

Es ist häufig zu hören, dass sich Italien mit einer eigenen Währung besser entwickeln würde, da es dann wieder über das Instrument der Abwertung verfügen würde. Das ist zwar richtig, kommt allerdings auch nicht umsonst. Noch Anfang 1996 lagen die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen in Italien bei über 10% und die Inflationsrate bei über 5%. Es resultierten Realzinsen von ebenfalls knapp 5%. Dies trug dazu bei, dass der italienische Staat 11% des BIP für Zinszahlungen ausgeben musste. Dieser Wert liegt inzwischen bei nur noch gut 4%. Die Aufgabe des Euro und die Wiedereinführung einer eigenen Währung hätten drei eindeutige Konsequenzen. (1) Höhere Inflationsraten, (2) höhere Realzinsen und als Konsequenz daraus (3) so stark ansteigende Nominalzinsen, dass der italienische Schuldenberg nicht mehr zu finanzieren wäre.

Es ist zu befürchten, dass die wahrscheinliche Regierungskoalition mit den anti-europäischen Ressentiments in Italien spielt. Die heutigen Gerüchte, dass die beiden Parteien, die Europäischen Verträge und die fiskalischen Regeln revidieren möchten sowie die von der EZB gekauften Anleihen nicht zurückzahlen wollen, bieten einen Vorgeschmack darauf, was an Diskussionen alles denkbar ist. Wir gehen nicht davon aus, dass die derzeitigen wirtschaftspolitischen Vorschläge aus Italien auch tatsächlich umgesetzt werden. Sie werden aber dennoch nachhaltig wirken, da sie extrem deutlich machen, wie wenig sie mit den französischen Vorstellungen einer Vertiefung der Währungsunion oder der deutschen oder nordeuropäischen Stabilitätskultur zu tun haben. Eine stärkere gemeinsame Haftung oder das Poolen von Risiken beispielsweise über eine europäische Einlagensicherung braucht in diesem Umfeld nicht weiter diskutiert zu werden – die Vergabe des Karlspreises nach Italien so schnell wohl ebenso nicht.