Roboter, die aufgrund perfektionierter Algorithmen menschlich scheinen, waren immer wieder Gegenstand von Hollywood-Blockbustern. Egal ob »Matrix«, »iRobot« oder »A.I.«, sie alle zeigen eindrucksvoll auf, was auf die Menschheit zurollen könnte. Doch viel kann, nichts muss. Eines allerdings dürfte sicher sein: »Künstliche Intelligenz (KI)« wird den nächsten Quantensprung in der technologischen Entwicklung einläuten.

Technologische Revolution

Bereits seit dem 19. Jahrhundert krempeln Maschinen die Fertigungsprozesse um. Aufgrund fortgeschrittener Computer- und Steuerungstechnik steht die Welt aber vor einem neuen (industriellen) Umbruch. Maschinen sollen eigenständig unternehmerische Prozesse und Abläufe vollziehen, Stichwort »Industrie 4.0«. Aber auch im alltäglichen Leben findet die Technologie bereits Einzug: Siri (Apple), Cortana (Microsoft) oder auch Alexa (Amazon) nennen sich die digitalen Assistenten grosser Tech-Konzerne, welche allesamt auf künstlicher Intelligenz basieren.

Unter KI vereint sich eine Vielzahl der sogenannten Megatrends wie Big Data, Cloud Computing oder auch Deep Learning. Bei Letztgenanntem sollen mithilfe von neuronalen Netzen Effizienzgewinne, beispielsweise durch autonome Optimierung, in unterschiedlichen Branchen erzielt werden. Die Beratungsfirma McKinsey geht davon aus, dass vor allem in Fertigungsindustrien durch vorausschauende Wartungsarbeiten die Anlagennutzung um ein Fünftel verbessert werden könnte. Aber nicht nur Produktionsprozesse wie beispielsweise im Automobilbereich profitieren von KI, auch das Gesundheitswesen steht vor weitreichenden Neuerungen. Geht es nach dem Marktforscher Gartner, wird KI bereits in fünf Jahren hochqualifizierte Mitarbeiter zum Beispiel in der Medizin ersetzen.

Den Daten gehört die Zukunft

Die Beispiele zeigen das Potenzial der »denkenden« Maschinen eindrucksvoll auf. Dieses lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Weltweit sollen KI-Umsätze, die 2015 bei rund 2 Milliarden US-Dollar lagen, innerhalb von nur zehn Jahren auf 127 Milliarden US-Dollar steigen. Das würde einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von mehr als 50 Prozent gleichkommen. Ob dieses Wachstum auch generiert werden kann, hängt entscheidend von den vorhandenen Daten ab. Die schnell wachsende Anzahl an vernetzten Geräten und Maschinen steigert die Informationsflut zwar stetig: Bis zum Jahr 2025 wird sich die gesamte Anzahl der Daten laut dem Marktforschungsunternehmen IDC auf 36 Zettabyte verfünffachen. Doch um damit eine Maschine intelligent zu machen, bedarf es einer entsprechenden Analysemöglichkeit. Dies geht umso schneller, je mehr die Daten »strukturiert« zur Verfügung stehen. Noch sind zwar erst rund ein Zehntel der digitalen Informationen in dieser Form vorhanden, doch bis zum Jahr 2020 soll sich deren Anteil auf 21 Prozent mehr als verdoppeln.

Nicht nur die Datensammlung und -analyse, sondern auch sogenannte Open-Source-Plattformen, wie zum Beispiel die »Cognitive Kit« von Microsoft oder »TensorFlow« von der Google-Mutter Alphabet, sind entscheidende Treiber auf dem Gebiet der KI. Durch sie können komplexe Probleme wie die natürliche Sprachverarbeitung besser und schneller erforscht werden. Bereits heute greift zum Beispiel die neueste Version des digitalen Assistenten Alexa von Amazon seinen Nutzern beim Shoppen erfolgreich unter die Arme. Die »smarte Dame« beherrscht aktuell rund 70 Prozent des Sprach-Computing-Marktes.

»Deep Learning« begleitet aber nicht nur den Amazon-Kunden im Internet auf Schritt und Tritt. Diese revolutionäre Technologie ermöglicht es unter anderem auch dem Streaming-Dienst Netflix, individuell zugeschnittene Empfehlungen für jeden Nutzer zu erstellen. Die grossen Tech-Konzerne nutzen diese Technologie bislang am intensivsten. Sie verfügen über enorme Datenbestände und können so von der Systemoptimierung mittels KI besonders profitieren. Am Ende geht es bei allen darum, aus einem verbesserten Nutzererlebnis eine steigende Nachfrage zu generieren, die sich wiederum in höheren Erlösen widerspiegelt.

Damit sich die wirtschaftlichen Erfolge einstellen können, bedarf es der Weiterentwicklung wichtiger Technologien. Eine grosse Bedeutung fällt dabei der Cloud zu. So lassen sich mit Hilfe der digitalen Wolke weltweit Millionen von Entwicklern schnell zusammenführen. Auch soll künstliche Intelligenz zunehmend in Software eingebettet werden, die dann als Teil von Cloud-Services angeboten wird. Die Marktforscher von Gartner sehen viel Potenzial in dem Bereich. Sie prognostizieren eine Steigerung der Public-Cloud-Erlöse von 75 Milliarden US-Dollar in 2015 auf 204 Milliarden US-Dollar in 2020.

Auf die Leistung kommt es an

Auch ist die Rechengeschwindigkeit entscheidend. Hier führt kein Weg an Nvidia vorbei. Der Prozessorspezialist zog im Bereich der KI jüngst zwei neue Trümpfe aus dem Ärmel: die GPU-Beschleuniger »Tesla P4« und »Tesla P40«. Die neuen Rechenkarten verfügen über eine immense Leistungsfähigkeit und verkürzen Anfragen auf wenige Bruchteile einer Sekunde. Geschwindigkeit ist vor allem im Bereich autonomes Fahren entscheidend. Um vollautomatisiertes Fahren zu realisieren, muss das Auto nicht nur Teil eines lernenden Systems werden, sondern die Datenflut auch in Echtzeit auswerten können. Auf diesem Gebiet arbeitet Nvidia unter anderem mit dem deutschen Halbleiterspezialisten Infineon zusammen. Zudem ist der Konzern bereits mit renommierten Autoherstellern verbunden. Erst Anfang Mai verkündeten die Kalifornier eine neue Partnerschaft im Bereich KI mit Toyota. So soll die KI-Plattform »Drive PX« bei entsprechenden Fahrzeugen der Japaner zum Einsatz kommen. Aber nicht nur im Pkw-Bereich finden die Nvidia-Prozessoren Anklang; Facebooks Big Data-Rechenzentrum ist ebenfalls mit diesen Rechenkarten ausgestattet. Das weltweit grösste soziale Netzwerk setzt künstliche Intelligenz beispielsweise ein, um terroristische Inhalte oder auch suizidgefährdete Nutzer auf seiner Plattform zu entdecken.

Europas grösster Softwarekonzern SAP hat sich beim Thema KI ebenfalls viel vorgenommen. »Wir wollen der führende Anbieter von maschinellem Lernen im Firmenkundengeschäft werden«, sagte CEO Bill McDermott Ende letzten Jahres in einem Interview. Bereits 100 Entwickler beschäftigen sich derzeit im Konzern mit diesem Zukunftstrend. Mittelfristig hat sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, in allen Cloud-Lösungen Künstliche Intelligenz zu hinterlegen.

Grafik 1: Drei Big Player im Bereich Künstliche Intelligenz heben ab

Amazon versus Google versus Nvidia, fünf Jahre. Indexiert: 29. Juni 2012 = 100

Stand: Juni 2017; Quelle: Thomson Reuters

Grafik 2: »Übernahmeziel« Künstliche Intelligenz

Stand: Juni 2017; Quelle: CB Insights

Milliardeninvestitionen

Den privaten Bereich prägt dagegen die Google-Mutter Alphabet wie kaum ein anderer. Ein Quizexperiment der New Yorker Agentur 360i hat jüngst herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit, beim vernetzten Heimassistenten Google Home eine zufriedenstellende Antwort zu bekommen, im Vergleich zu Amazons Echo sechs Mal so hoch ist. Zudem soll der Google-Dienst vom Fernseher bis zur Heizung alles im Haus regeln. Auf der jüngsten Entwicklerkonferenz I/O stellte CEO Sundar Pichai unmissverständlich klar, wie wichtig Künstliche Intelligenz ist und bezeichnet Google als »AI-first (KI zuerst)«-Unternehmen. Die Firma steckt daher Milliarden in die Forschung. Doch ist Google bei weitem nicht der einzige Technologie-Konzern mit Ambitionen. Einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey zufolge haben im vergangenen Jahr Big Player der Branche wie Google, Apple und Amazon in den USA oder auch Baidu und Alibaba in China insgesamt zwischen 20 und 30 Milliarden US-Dollar in KI gesteckt. Viel Geld fliesst zudem in Start-ups. Gemäss CB Insights investierten Venture Capital-Geber im vergangenen Jahr mehr als 5 Milliarden US-Dollar in Unternehmen, die sich in irgendeiner Form mit KI befassen – 61 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein 11 der 55 laut Ansicht der CB Insights-Analysten wichtigsten Unternehmenszukäufe in diesem Bereich entfallen seit 2011 auf Google.

Trotz dieser immensen Zahlen steckt der KI-Sektor noch in den Kinderschuhen. Aufgrund des schnellen technologischen Fortschritts dürfte das Erwachsenwerden allerdings relativ schnell vonstatten gehen. Daher ist Künstliche Intelligenz auch ein hochinteressantes Anlagethema, welches vielfältige Chancen bietet.

Grafik 3: Hohes Wachstum bei Public Cloud Services erwartet

Stand: Juni 2017; Quelle: Gartner

Grafik 4: Marktvolumen von Big Data steigt rasant

Stand: Juni 2017; Quelle: IDC