Jeder Börsianer dürfte sich wohlwollend an den 9. November 2016 zurückerinnern. An diesem Tag wurde an der Wall Street eine Kursrallye entzündet, die bis heute Bestand hat. Der S&P 500 verteuerte sich in diesem Zeitraum um rund ein Zehntel. Der Grund: Donald Trump gewann mit vollmundigen Konjunkturversprechen die Wahl zum neuen US-Präsidenten. 

Steigende Kurse bei verändertem Zinsumfeld

Zuversicht macht sich seither breit. Egal, ob Unternehmen, Investoren oder Konsumenten – der Optimismus, der auf dem Schlagwort «Trumponomics» gründet, ist allerorts zu spüren. Die Märkte preisen den zusätzlich erwarteten fiskalischen Stimulus inmitten einer konjunkturellen Aufschwungphase ein – und das trotz steigender Zinsen. Die Notenbank schraubte den Leitzins seit der Finanzkrise nun bereits dreimal nach oben. Mitte März hob das Fed den Satz zuletzt um einen Viertelprozentpunkt auf 0,75 bis 1,0 Prozent an. Fed-Chefin Janet Yellen hat dabei entgegen der Erwartung der Analysten den Zinsausblick nicht verschärft und geht für 2017 weiterhin von insgesamt drei Erhöhungen aus. Investoren hatten angesichts des kräftigen Anstiegs der Inflation mit vier Aufschlägen gerechnet. 

Auch wenn die Aktienmärkte dies erneut mit einem Kursplus quittierten, geriet die Klettertour zuletzt etwas ins Stocken. Die von Trump versprochenen Massnahmen wie niedrigere Steuern, höhere Infrastrukturausgaben, weniger Regulierung sowie die Abschaffung von Obamacare wackeln nämlich. Vor allem letzteres Thema liess zuletzt Zweifel aufkommen, ob und wie schnell Trump seine Wahlversprechen tatsächlich umsetzen kann. Grund war die Schlappe im Kongress, bei der mehrere republikanische Abgeordnete es verweigerten, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama zurückzuschrauben. 

Steuern im Zentrum

Trump wäre nicht Trump, hätte er nicht schnell eine Antwort parat. Nach der Niederlage geht er sofort die Steuerreform mit Hochdruck an. Für ihn habe das Projekt nun eine »enorme Priorität«, heisst es aus Regierungskreisen. Sollte alles nach Plan laufen, könnte im August die grösste Umbildung im amerikanischen Steuersystem seit 1986, damals unter Ronald Reagan, vollzogen sein. Um seinen Wählern einen noch schnelleren Erfolg präsentieren zu können, hob Trump die Klimaschutzpolitik von Obama Ende März per Dekret auf. 

Die Sprunghaftigkeit des Präsidenten macht es nicht nur Anlegern schwer, die kommenden Monate einzuschätzen. Auch das Fed ist bemüht, die Folgen der Trump-Politik für die Wirtschaft abzuwägen. Nach Meinung des US-Notenbankdirektors Jerome Powell ist es «schwierig, Auswirkungen einer Politik zu berücksichtigen, wenn es so unsicher ist, was diese Politik sein könnte». Daher möchte er zum jetzigen Zeitpunkt die weitere Zinspolitik im laufenden Jahr noch nicht fixieren. Allerdings verweist er auch auf die derzeit starke Wirtschaft, welche durchaus Erhöhungen rechtfertige. 

Florierende Unternehmensgewinne

Von Unternehmensseite sind derweil positive Töne zu vernehmen. Zum einen wächst die Zuversicht unter kleinen und mittleren Unternehmen in den USA, andererseits wurden die Gewinnerwartungen der US-Konzerne anders als gewöhnlich am Ende des vergangenen Jahres nicht nach unten korrigiert. Und der Ausblick fällt darüber hinaus ebenfalls positiv aus. Aktuell wird im S&P 500 mit einem durchschnittlichen Gewinnplus von 9,1 Prozent im ersten Quartal 2017 gerechnet. Das wäre der höchste Anstieg im Quartalsvergleich seit dem Schlussviertel 2014. 

Acht von elf Sektoren wird ein positiver Beitrag zugetraut. Den grössten Anteil zu dem hohen Wachstum wird den Erwartungen zufolge die Energiebranche liefern. Ein Grund dafür ist der gestiegene Ölpreis, auch wenn dieser zuletzt wieder etwas zurückgekommen ist. Mit Blick auf den Durchschnittskurs zeigt sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum immer noch ein grosses Gap. Im abgelaufenen Quartal betrug dieses 52,07 US-Dollar und lag damit 54,5 Prozent über dem Niveau von 2016. Insgesamt prognostizieren die Analysten einen aufsummierten Quartalsgewinn der Energie-Konzerne von 7,7 Milliarden US-Dollar für das erste Quartal 2017. Im Vorjahr stand noch ein Verlust von 1,5 Milliarden US-Dollar zu Buche. Würde man die erwarteten S&P-500-Gewinne um die Energiebranche bereinigen, läge das erwartete Wachstum bei 5,2 Prozent. 

Noch herrscht also breiter Optimismus in den USA, welcher die Aktienkurse weiter antreiben könnte. Aus Sicht der Politik wird es entscheidend sein, dass Trump seine Steuererleichterungen und die geplanten Infrastrukturmassnahmen durch den Kongress bekommt. Die Unternehmen müssen dagegen die hohen Erwartungen erfüllen, denn andernfalls könnte die aktuell hohe Bewertung im S&P 500 schnell abgebaut werden. Das aktuelle KGV liegt mit 14 ein Viertel über dem 10-Jahres-Durchschnitt. Beim Kurs-Buchwert-Verhältnis beträgt die Diskrepanz zum langjährigen Mittel sogar knapp 28 Prozent. 

Grafik 1: S&P 500 Gewinnwachstum – Energiesektor schiebt die Gewinne an

Grafik 2: S&P 500 – Kurs-Gewinn-Verhältnis

Grafik 3: S&P 500 – Dividendenrendite