Eigentlich beginnt die Basler Fasnacht 2014 erst am 10.März mit dem schrecklichen Befehl: "Moorgestraich! Vorwärts, marsch!" Danach folgen die "drey scheenste Dääg", und dann ist Schluss.

Die internationale Bööggen-Community, historisch angeblich schon vor 3000 Jahren in Mesopotamien aktiv, startet ihre karnevalistischen Orgien schon heute, am 11. November. Und sie dauern bis zum 10. November des nächsten Jahres, 365 Tage lang. Mehr darüber später.

Die Basler interessiert das alles nicht. Mit ihrer eigentümlichen Neigung zum Masochismus begeben sie sich in finsterer Wintersnacht auf die Gassen, allwo dann eine Veranstaltung beginnt, die von der "Basler Zeitung" journalistisch immer wieder mit der erwärmenden Schlagzeile begleitet wird: "Scheen, aber saukalt." Variante: "Saukalt, aber scheen."

Mit der selbstverordneten Basler Ergriffenheit sagte mir mal ein Swissair-Werbemann, der sich wunderte, dass es mir 13 Jahre lang in seiner Heimatstadt so gut gefallen hatte: "Wenn am Morge-n-am vieri d’Liechter usgöhn, d’Drummele aaföhn ruesse, d’Piccolo bis in Himmel uffe jubiliere und d’Ladärne drvoo wangge, denn laufe-mer under der Larve d’Drääne aabe."

Natürlich gibt es in der Basler Fasnacht auch die grotesken Elemente des fasnächtlichen Treibens, das wir sogar in Zürich kennen. Dazu gehört zum Beispiel das ohrenbetäubende Schränzen der Guggenmusiken.

Was die Basler Fasnacht auszeichnet, ist die kreative Verbissenheit, mit der jedes Jahr versucht wird, das aktuelle Geschehen auf der ganzen Welt vielfältig und witzig zu kommentieren. Das geschieht, wie wir ja alle wissen, mit der sauglatten Hochliteratur der Schnitzelbänke, also mit gesungenen und bebilderten Versen, die von Schnitzelbängglern, zu Deutsch Bänkelsängern, vorgetragen werden. Solche werden aber auch von den einzelnen Cliquen auf "Zeedeln" verteilt, sie handeln aber nur in meist gereimter Form das von der betreffenden Gruppe ausgespielte Thema, "Sujet" genannt, ab. (Beides wird von schlecht integrierten BaslerInnen und im Rest der Schweiz allzu gern verwechselt.)

Und damit endlich zum Kern der Sache: Nachdem das politische Kabarett seit vielen Jahren kaum noch eine Chance hat, mit pointierten Aussagen aufzufallen, weil die politische Realität die Satire regelmässig übertrifft, wird die Kreativität der Basler Fasnachts-Poeten auch bald einmal obsolet.

Grund: Wenn im Frühsommer ein Cliquen-Sujet bestimmt wird, hat das Publikum das Thema schon bald  vergessen. War alles für die Katz! Weil inzwischen tagtäglich, 365 Tage lang, von "Experten", "Kennern", Verteidigungsministern, CEOs, Fussballtrainern, und Intendanten  soviel idiotischer Schwachsinn gesagt wird, dass jeder Witz von heute Eis-Kaffee von gestern ist. Und es wird jeden Tag schlimmer. Was sollen denn da die guten Schnitzelbänggler noch erfinden? Sie können und müssen nur noch abschreiben. Zum Beispiel die Abstimmungsresultate über Zürcher Fussballstadien. Kommentarlos.

Oder mein Erlebnis in einer Cliquen-Beiz frühmorgens, als die durchfrorenen Ladärne-Träger ihre Mehlsuppe auslöffelten, ein "Schwoob" hereinkam und anbiedernd fragte: "Na, wie schmeckt sie denn, die Schokoladentunke?"

Facit: Wir Zürcher und die Deutschen sind die Pièce de Résistance der Basler Fasnacht. Alles andere ist Déjà-vu.

(Redaktionelle Mitarbeit und Zensur: Rolf Preisig, ex GGK Basel und Zürich.)