Vor allen Wahlen weiss ich: Jetzt rufen dann wieder all die Journis an, die wissen wollen, was ich denn zu diesem braven, langweiligen Wahlkampf sage. Es sind oft Volontärinnen und Schnupperlehrlingedenen man diese tolle Aufgabe übergibt. Sie ist seit Jahren fest programmiert, egal, ob die Einschätzung stimmt oder nicht, es ist ein Obligatorium, eine Pflicht für jede brave Redaktion.

Dabei ist diese Fragerei ein heuchlerisches Understatement. Die Intensität der Diskussion, die Polarisierung der öffentlichen Meinung und die "heisse" Phase vor Wahlen und Abstimmungen wird seit langem von den Medien selber bestimmt. Sie planen all die Einzel- und Zweier-Interviews, organisieren kontradiktorische Events
querbeet durch alle Kandidaten, notfalls in Form von simulierten Boxkämpfen. Sie dominieren die Auswahl der Teilnehmer und bestimmen damit auch die Themen, die ihre Leserschaft wohl am meisten interessiert. Und sie vertreten natürlich zurecht ihre eigene politische Haltung.

Umgerechnet in bezahlte Werbung übertrifft der Wert dieser Kommunikation die Budgets der Parteien und Komitees um ein Vielfaches. Eigenartigerweise lösen aber vermutete Millionenbudgets für politische Kampagnen in den Gazetten höchste Aufmerksamkeit aus, die absurderweise an Empörung grenzt. Denn in diesen schwierigen Zeiten der Anzeigenbaisse finanzieren doch solche Kampagnen einen steigenden Lohnkosten-Anteil der Verlage.

Politische Kampagnen zu organisieren, zu finanzieren, zu konzipieren und zu realisieren ist also derzeit eine herrliche, kreative, stressige, aber für unser politisches System unentbehrliche Herausforderung.

Was mich zum honorarfreien Rat veranlasst: Liebe Kandidaten und Parteien: Hört doch endlich auf mit der Aufforderung "2 x auf jede Liste!" Die Wählerinnen und Wähler können ja nur eine Liste wählen!  Ein klassischer Fehler in der Kommunikation: Absenderorientiert statt empfängerorientiert. Es muss doch logischerweise heissen "2 x auf Ihre Liste!"

Da machen es die Redaktionen besser: Sie orientieren sich am Interesse der Leserinnen und Leser.