An den Zapfsäulen, an denen Autofahrer Sprit horteten, kam es teils zu chaotischen Szenen. US-Medien verbreiteten ein Instagram-Video von einer Schlägerei an einer Tankstelle in North Carolina, wo sich eine Fahrerin offenbar in der Schlange an einer Zapfsäule vordrängeln wollte. Die US-Verbraucherschutzbehörde CPSC sah sich am Mittwoch dazu gezwungen, auf Twitter davor zu warnen, Benzin in Plastiktüten zu füllen. Auch in der Region um die US-Hauptstadt Washington - in der nach De Haans Daten jede fünfte Tankstelle ausfiel - berichteten Autofahrer von langen Schlangen an den Zapfsäulen.

De Haan rechnete trotz der schrittweisen Wiederaufnahme des Betriebs der Pipeline mit einer möglichen Verschärfung der Benzin-Knappheit im Südosten der USA vor eine Entspannung der Lage an diesem Freitag. Die Engpässe haben die Spritpreise in den USA auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2014 getrieben. Die US-Regierung hatte die Bürger dazu aufgerufen, keinen Kraftstoff zu horten. "Wir haben Benzin, wir müssen es nur zu den richtigen Orten bringen", sagte Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag.

Die Betreibergesellschaft Colonial teilte am Mittwoch mit, die Pipeline habe den Betrieb schrittweise wieder aufgenommen. Nach Angaben des Unternehmens dürfte es aber mehrere Tage dauern, bis die Anlage wieder normal läuft. Die Firma hatte Ende vergangener Woche bestimmte Systeme nach einer Cyberattacke vom Netz genommen, um die Bedrohung einzudämmen. Der Betrieb der Pipeline kam dadurch komplett zum Erliegen. Die Colonial Pipeline ist für die Versorgung des Landes von grosser Bedeutung, sie transportiert etwa 45 Prozent aller an der Ostküste verbrauchten Kraftstoffe.

Viele Hintergründe des Cyberangriffs sind weiterhin unklar. So ist etwa unbekannt, wie viel Geld die Hackergruppe DarkSide, die als verantwortlich für die Attacke gilt, von Colonial erpressen wollte. Das Unternehmen hielt sich bislang auch bedeckt dazu, ob überhaupt Lösegeld gezahlt wurde. Eine stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin hatte am Montag im Weissen Haus erklärt, die Regierung habe dazu auch keine Informationen. Momentan sei von einem "kriminellen Akt" auszugehen. Es würden aber alle Hinweise geprüft, auch mit Blick auf eine mögliche Verwicklung staatlicher Akteure.

Als Reaktion auf die jüngsten Cyberangriffe will die US-Regierung den Schutz vor Hackern verbessern. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete am Mittwoch eine entsprechende Verfügung, wie das Weisse Haus mitteilte. Damit sollten unter anderem IT-Dienstleister verpflichtet werden, Informationen über ein Eindringen in ihre Netzwerke mit den Behörden zu teilen. Standards für stärkere Cyber-Schutzmassnahmen in der Bundesregierung sollten modernisiert werden.

Auch bei der Entwicklung von Software für die Bundesregierung sollen künftig höhere Sicherheitsmassstäbe gelten, wie das Weisse Haus weiter mitteilte. Für die Reaktion der Behörden auf Cyberangriffe soll ein Drehbuch entworfen werden. Die Verfügung sieht die Einrichtung eines Gremiums mit Vertretern der Regierung und der Privatwirtschaft vor, das nach Cyberangriffen konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheitsmassnahmen geben kann./cy/hbr/DP/zb

(AWP)