Per Ende 2015 hatte die Swatch Group die Belieferung von Grosshändlern mit Ersatzteilen für Uhren des Konzerns eingestellt. Ein englisches Unternehmen forderte am 16. März 2016 von der Swatch Group und von zwei ihrer Tochtergesellschaften die Wiederaufnahme der bisherigen Belieferung. Gleichzeitig drohte das Unternehmen mit einer Klage wegen Verletzung des europäischen Kartellrechts.

Drei Tage später gelangte die Swatch Group ans Berner Handelsgericht und beantragte die Feststellung, dass das Unternehmen keine Pflicht zur Belieferung treffe und dass Swatch Group dem englischen Unternehmen wegen der Einstellung der Belieferung nichts schulde.

Das Berner Handelsgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage, ob die Swatch Group an ihrer "negativen Feststellungsklage" ein ausreichendes Rechtsschutzintresse habe. Es verneinte dies, weil für das Interesse einer Partei, sich mit einer negativen Feststellungsklage einen Gerichtsstand in der Schweiz zu sichern, gemäss bisheriger Rechtsprechung kein ausreichendes Rechtsschutzinteresse bestehe. Das Handelsgericht trat auf die Klage deshalb nicht ein.

ÄNDERUNG DER RECHTSPRECHUNG

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde nun gemäss dem am Dienstag veröffentlichten Urteil gut. In Änderung der bisherigen Rechtsprechung sei jedenfalls im internationalen Verhältnis das Ziel einer Partei, sich bei einem bevorstehenden Gerichtsverfahren einen ihr genehmen Gerichtsstand zu sichern, als genügendes Rechtsschutzinteresse für eine negative Feststellungsklage zu qualifizieren.

Für diese Praxisänderung bestünden ernsthafte und sachliche Gründe. Unter anderem sei zu beachten, dass bis anhin im internationalen Verhältnis Parteien, welche zur Sicherung des Gerichtsstandes in der Schweiz klagen wollten, benachteiligt gewesen seien. Gemäss bisheriger Praxis sei ihnen eine Klagemöglichkeit verwehrt worden, während im Ausland von dieser Möglichkeit habe Gebrauch gemacht werden können.

Das tatsächliche Interesse einer Partei, einen Prozess in diesem oder einem anderen Staat zu führen, könne allein wegen der unterschiedlichen Verfahrensrechte, der Sprache, der Dauer oder der Kosten eines Verfahrens erheblich sein, hält das Bundesgericht fest.

Die Angelegenheit wird nun ans Berner Handelsgericht zurückgewiesen. Dieses wird vor einer materiellen Beurteilung der Klage der Swatch Group über die bisher offen gelassene Frage seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit entscheiden müssen.

(AWP)