Die Beendigung des Vorhabens sei "im besten Interesse aller Anspruchsgruppen", erklärte Clariant-Chef Hariolf Kottmann am Freitag an einer Telefonkonferenz. Die Entscheidung sei einvernehmlich gefallen.

Angesichts des anhaltenden Aktienzukaufs des aktivistischen Investors White Tale und seiner Opposition gegen die Transaktion, die mittlerweile von weiteren Aktionären unterstützt werde, sei eine erfolgreiche Durchführung zu ungewiss.

Der Aufhebungsvertrag sieht für keine der beiden Seiten eine Strafgebühr vor. Somit vermeidet Clariant sowohl die Abbruchzahlung von 210 Mio USD als auch die Strafzahlung von 60 Mio bei Nichtzustimmung durch die ausserordentliche Generalversammlung, wie es im Fusionsvertrag ursprünglich vereinbart worden war.

KÜNFTIGER WEG NOCH OFFEN

Mit dem Abbruch der Fusion ist Clariant weiterhin als eigenständiges Unternehmen unterwegs. Das Unternehmen werde sich nun auf seine Strategie konzentrieren, die Marktposition weiter auszubauen. Einem möglichen Verkauf von Unternehmensteilen und einem Rücktritt erteilte Konzernchef Kottmann eine Absage.

Kottmann bedauerte den Abbruch der Fusion. Welchen Weg Clariant nun einschlagen wird, kann er aus heutiger Sicht noch nicht benennen. "Es ist zu früh für eine Aussage, in welche Richtung wir nun gehen werden."

Gleich wie in der Vergangenheit stünden verschiedene Optionen zur Debatte: Die Weiterentwicklung als eigenständiges Unternehmen, ein Zusammenschluss unter Gleichen mit einem anderen Unternehmen oder eine grosse, transformative Akquisition.

Man werde das weitere Vorgehen nun zusammen mit White Tale - und mit den anderen Aktionären, die alle gleich behandelt würden - diskutieren und dann eine Entscheidung fällen. Immerhin teile man mit White Tale das gemeinsame Interesse, den Wert von Clariant zu steigern. Darauf lasse sich aufbauen, so Kottmann.

White Tale will sich derzeit nicht in die Karten schauen lassen. "Wir suchen zuerst das Gespräch mit der Gesellschaft, danach informieren wir", liess ein Sprecher am Freitag auf Anfrage von AWP ausrichten.

VORWURF IST 'NONSENS'

Der oppositionelle Aktionär White Tale hatte von Clariant das Engagement einer Investmentbank gefordert, um "alle Optionen zu evaluieren". Man werde diese Forderung gerne diskutieren, sagte Kottmann. "Wir können die ganze Übung auch ein drittes oder ein viertes Mal mit denen durchführen", fügte er lakonisch an.

Der Vorwurf von White Tale, Clariant habe sich nicht genügend umgeschaut, sei "Nonsens", stellte Kottmann fest. "Ich habe bis heute nicht herausgefunden, warum White Tale den Deal wirklich verhindern wollte. Ich habe kein einziges logisches Argument gehört."

Der von White Tale kritisierte Fusionspartner Huntsman legte am Berichtstag übrigens glänzende Quartalszahlen vor. Zwischen Juli und September 2017 setzte Huntsman 2,17 Mrd USD (+18%) um und verdreifachte den Reingewinn auf 179 Mio. Clariant wird kommenden Dienstag die Drittquartalszahlen vorlegen.

AKTIEN UNTER DRUCK

Die Aktien des Chemiekonzerns Clariant schlossen 0,9% tiefer bei 25,30 CHF. Ganz überraschend kommt nach den jüngsten Entwicklungen die Kehrtwende aber nicht. Einige Analysten sehen Clariant nun wieder auf dem Einkaufszettel von anderen Unternehmen auftauchen.

Helvea Baader etwa bezeichnet Clariant als "No. 1 takeover target" im europäischen Chemiesektor und misst deren Aktien in einem solchen Szenario einen Wert von 30 CHF das Stück bei.

ra/tp

(AWP)