"Der Aufsichtsrat hat den Rücktritt mit grossem Bedauern akzeptiert", teilte das Unternehmen mit. Wer Kengeters Nachfolger werden soll, wolle man "in Kürze" bekanntgegeben. Der Manager werde den Konzern so lange weiter führen und habe dafür "das volle Vertrauen des Aufsichtsrats". Kengeter selbst erklärte, die Entscheidung sei ihm schwergefallen. "Angesichts der öffentlichen Vorwürfe und Behauptungen will ich mit diesem Schritt vor allem die Deutsche Börse schützen", sagte er laut Mitteilung. "Ich werde mein Verfahren mit Sorgfalt zu Ende bringen. Für die Deutsche Börse mache ich mit meiner Entscheidung den Weg frei für einen Neuanfang."

Seit Februar ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen Kengeter wegen eines Aktiengeschäfts. Der Manager hatte Mitte Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro 60 000 Deutsche-Börse-Aktien gekauft, die er nicht vor Ende 2019 veräussern darf. Der Konzern packte in dem eigens für Kengeter geschnürten Vergütungsprogramm weitere 69 000 Anteilsscheine drauf.

Gut zwei Monate nach dem Aktiendeal machten die Deutsche Börse und die London Stock Exchange (LSE) ihre - inzwischen gescheiterten - Fusionspläne öffentlich, was die Kurse trieb. Die Ermittler werfen Kengeter vor, schon im Sommer 2015 mit der LSE-Führung Gespräche über einen Zusammenschluss geführt und das lukrative Aktiengeschäft in diesem Wissen getätigt zu haben. Aufsichtsrat, Vorstand und Kengeter persönlich hatten die Vorwürfe zurückgewiesen.

Der Versuch, eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu erreichen, war Anfang der Woche am Widerstand des Frankfurter Amtsgerichts gescheitert. Kengeter hätte 500 000 Euro aus seinem Privatvermögen an die Staatskasse zahlen sollen. Die Börse war bereit, zwei Geldbussen in Gesamthöhe von 10,5 Millionen Euro zu akzeptieren. Dabei ging es um die Rolle des Unternehmens im Zusammenhang mit den Insidervorwürfen sowie die Kritik, die Börse habe die Finanzmärkte zu spät über die Fusionsgespräche mit der LSE informiert. Das Amtsgericht meinte: Angesichts des Gewichts der Vorwürfe und der Stellung des Beschuldigten sei eine Einstellung nicht angemessen.

Daher ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter - Ausgang offen. Nach dem Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens wollen zudem noch die Finanzaufsicht Bafin und die hessische Börsenaufsicht die Causa Kengeter genauer unter die Lupe nehmen. Die Hängepartie verärgerte sowohl Mitarbeiter als auch Investoren des Dax-Konzerns.

Den Verantwortlichen bei der Deutschen Börse lief die Zeit davon: Der Aufsichtsrat hatte sich darauf festgelegt, erst nach dem Abschluss aller Verfahren über eine Verlängerung von Kengeters Ende März 2018 auslaufendem Vertrag zu entscheiden.

Als Kengeter am 1. Juni 2015 den Chefposten vom glücklosen Reto Francioni übernahm, blühte die Deutsche Börse zunächst auf. Kaum im Amt, zog der Manager zwei Übernahmen für mehr als 1,3 Milliarden Euro durch, krempelte den Vorstand um, gab dem Aktienhandel wieder ein stärkeres Gewicht und legte ein Effizienzprogramm mit dem bezeichnenden Namen "Accelerate" ("Beschleunigen") auf.

Zuletzt verliess Kengeter allerdings auch das Glück im Tagesgeschäft: Die Ruhe an den Finanzmärkten zwingt den Konzern nach den ersten drei Quartalen dazu, seine Prognose in Frage zu stellen. Die Deutsche Börse werde die "Ziele für das Gesamtjahr 2017 sehr wahrscheinlich nicht ganz erreichen können", erklärte Finanzvorstand Gregor Pottmeyer am Donnerstagabend. Wo die Deutsche Börse nun am Jahresende herauskommen will, verriet er indes nicht.

Die Deutsche Börse wollte die Nettoerlöse im Gesamtjahr eigentlich um 5 bis 10 Prozent steigern - nach neun Monaten liegt der Zuwachs bei 3 Prozent. Der Überschuss sollte auf bereinigter Basis um 10 bis 15 Prozent steigen - geschafft nach neun Monaten sind 5 Prozent.

Schon die Halbjahresbilanz hatte Zweifel daran geschürt, dass die Deutsche Börse ihre ursprünglichen Jahresziele erreichen kann. Die erhoffte Belebung an den Märkten blieb nun im dritten Quartal aus: Die Nettoerlöse stiegen um 3 Prozent auf 576,3 Millionen Euro. Der Überschuss verbesserte sich zwar um 20 Prozent auf 204,3 Millionen Euro - ohne Sondereffekte lag das Plus aber auch hier nur bei 4 Prozent.

Nach den politischen Wirren um das Brexit-Referendum und um die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten war relative Ruhe am Finanzmarkt eingekehrt. Die Flaute hatte sich bereits in den Ergebnissen grosser Banken wie der Deutschen Bank niedergeschlagen. In den Jahren 2018 und 2019 will zumindest die Deutsche Börse wieder ihr geplantes Wachstumstempo erreichen - hier stehen die Ziele ausdrücklich./ben/das/DP/stb

(AWP)