White Tale - bestehend aus dem US-Familienunternehmen Standard Industries und dem aktivistischen Hedgefonds Corvex - hält mittlerweile 15,1% an Clariant, wie aus einem offenen Brief an VR-Präsident Rudolf Wehrli und CEO Hariolf Kottmann hervorgeht. Das sind 5% mehr, als die zuletzt im Juli gemeldeten 10,06%.

Clariant solle sich nach Alternativen umsehen, wiederholt White Tale frühere Forderungen. Die Muttenzer werden zudem aufgefordert, auf der Stelle eine unabhängige Investmentbank anzuheuern, um alle strategischen Alternativen zu evaluieren.

VERKAUF VON PLASTICS AND COATINGS

Gleichzeitig solle Clariant seinen eigenen Weg der vergangenen Jahre auf dem Weg zu einem "reinen" Spezialchemie-Unternehmen fortsetzen. Der sofortige Verkauf der Division Plastics & Coatings etwa würde das Unternehmen zu einem "pure player" machen, nennt White Tale erstmals eine konkrete Alternative zur Fusion. Die Sparte steht für 40% des Clariant-Umsatzes.

White Tale fordert zudem weitere Kostensenkungen: Clariant sei in der Lage, die Kosten um weitere 300 Mio CHF zu drücken. Die 400 Mio USD an jährlichen Kostensynergien, welche die Fusion mit Huntsman bringen soll, werden als "ehrgeizig" bezeichnet. Und fast die Hälfte dieses Wertes werde an Huntsman vergeben.

Der Fusionsvertrag sieht vor, dass die Clariant-Aktionäre 52% am neuen Unternehmen halten werden, diejenigen von Huntsman 48%. Die Fusion von Clariant und Huntsman ist für Ende Jahr oder Anfang 2018 geplant.

"GEZWUNGEN", GEGEN TRANSAKTION ZU STIMMEN

Sollte Clariant also keine Alternativen zur Fusion mit Huntsman in Betracht ziehen, sieht sich White Tale laut dem Brief "gezwungen", gegen die Transaktion zu stimmen. Die ausserordentliche Generalversammlung von Clariant - diese wird voraussichtlich im vierten Quartal abgehalten - muss den Deal mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Aktienstimmen absegnen.

Unter der Annahme, dass die Fusion von den Aktionären abgeschmettert wird, werde man darauf bestehen, dass die besagte Evaluation von Alternativen "auf der Stelle" aufgenommen wird. Etwas, das nach Meinung der Aktionärsgruppe bereits vor dem Merger hätte getan werden sollen.

FRAGWÜRDIGE LOGIK

Es war zwar lange still um White Tale, untätig war man aber offenbar nicht. Man habe in den vergangenen zwei Monaten - abseits der öffentlichen Scheinwerfer - mit dem Clariant-Management zusammengearbeitet, um die "fragwürdige Logik" der vorgeschlagenen Fusion besser zu verstehen.

"Leider sind wir nach wie vor davon überzeugt, und das in zunehmendem Masse, dass die vorgeschlagene Fusion für die Aktionäre nachteilig ist", lässt White Tale Wehrli und Kottmann wissen. "Wir sind bereit, mit dem Unternehmen und seinen Beratern konstruktiv zusammenzuarbeiten." Der Investor wäre auch gerne bereit, im Verwaltungsrat von Clariant Verantwortung zu übernehmen, schliesst der Brief.

ES BLEIBT DABEI

In Reaktion auf den Brief lässt Clariant mitteilen, dass man an der geplanten Fusion festhalte und diese weiterhin für strategisch äusserst sinnvoll halte. Der Verwaltungsrat von Clariant habe die Entscheidung bekräftigt, dass der Merger die beste Option sei, um Wert für alle Beteiligten zu schaffen, und er werde nicht von dieser Vereinbarung abweichen, heisst es in einer Mitteilung vom späten Dienstagabend nach hiesigem Börsenschluss. Den von White Tale gemachten Aussagen stimme man nicht zu.

Das Schreiben beinhalte zudem keine neuen Forderungen - insbesondere keine konkreten Alternativen zur Wertschöpfung. Seit der Ankündigung der Fusion habe sich die grosse Mehrheit der Aktionäre für den Deal ausgesprochen, so Clariant weiter.

BÖRSE BLEIBT COOL

Die Anleger bewegte das neue Kapitel in dieser Geschichte zunächst kaum. Clariant fielen am Dienstag - in einem festeren Gesamtmarkt - um 0,5% auf 23,68 CHF zurück. Nicht zuletzt die mittlerweile sehr hohe Bewertung der Aktien dürfte mit ein Grund für die Zurückhaltung sein. Denn mit 24,00 CHF im Tageshoch wurde für die Papiere seit fast 15 Jahren nicht mehr so viel bezahlt.

Auch Analysten reagierten zurückhaltend. So liess etwa der für Kepler Cheuvreux tätige Christian Faitz in einem Kommentar durchblicken, dass er den Ausführungen und Forderungen von White Tale nicht folgen könne.

Seines Erachtens würden mit der Huntsman-Fusion Aktionärswerte geschaffen, und nicht - wie der Finanzinvestor sagt - vernichtet. Er bezeichnete die Vorschläge des Grossaktionärs gar als etwas "naiv". In der Chemieindustrie werde das wahre Leben nicht an einem Flip-Chart eines Investmentbankers bestimmt, so der Analyst.

ra/ys

(AWP)