Zudem liess der Manager Hoffnung aufkommen, dass das Mittelfristziel bis 2025 von 10 Milliarden Euro Umsatz erreichbar sei. Branchenexperte Alex Short vom Analysehaus Davy Research äusserte sich durchaus positiv. Das Unternehmen entwickle sich weiterhin bemerkenswert und wachse - anders als andere Corona-Profiteure - auf Jahresbasis weiter. Gleichwohl gebe es erste Anzeichen, eines nachlassenden Schwungs bei den Kundenzahlen, während die hohe Inflation und der schwache Euro der Umsatzentwicklung zugutekomme.

Der Manager versuchte die rückläufige Kundenentwicklung zu relativieren: "Das zweite Quartal ist erfahrungsgemäss immer schwächer als das erste", sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Im vergangenen Jahr habe der Dax-Konzern zudem zwischen den ersten beiden Quartalen davon profitiert, dass Menschen noch wegen der Corona-Pandemie häufiger zu Hause waren und entsprechend Kochboxen bestellten. Und auch, dass das zweite Quartal in Vor-Corona-Zeiten schwächer war als das erste, stimmt. Allerdings sank die Zahl der aktiven Kunden damals nicht so stark wie im zweiten Quartal 2022.

Als aktive Kunden zählt der Konzern Menschen, die innerhalb der vergangenen drei Monate ab Ende des entsprechenden Quartals mindestens eine Box erhalten haben. Dazu zählen neben regulären Bestellungen auch Neu- und Testkunden. In den USA drehten vom ersten zum zweiten Quartal unter dem Strich rund 220 000 Menschen Hellofresh den Rücken zu, in den restlichen Märkten waren es kumuliert gar 300 000.

Auch die Summe an Bestellungen konzernweit ging zurück: Waren es im Auftaktquartal des laufenden Jahres noch rund 34,6 Millionen, zählte Hellofresh jetzt noch knapp 32,3 Millionen. Dabei geht mehr als die Hälfte jeweils auf das Konto der USA, die mit Abstand der wichtigste Markt des Konzerns sind: Im zweiten Quartal erzielte Hellofresh mehr als die Hälfte seines Erlöses dort. Dabei entwickelte sich der Umsatz verglichen mit allen anderen Märkten deutlich dynamischer.

Wie wichtig die Vereinigten Staaten für das Unternehmen sind, wird beim operativen Gewinn des zweiten Quartals noch klarer: Während das Berliner Tech-Unternehmen zusammengerechnet in all seinen anderen Märkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Rückgang um fast ein Viertel auf 64,8 Millionen Euro hinnehmen musste, legte das US-Betriebsergebnis um fast 23 Prozent auf 112,2 Millionen Euro zu. Insgesamt machte Hellofresh drei Viertel des operativen Gewinns in den USA.

Der Konzernumsatz der Monate April bis Juni stieg gegenüber dem Vergleichszeitraum um rund ein Viertel auf knapp zwei Milliarden Euro. Dabei halfen neben einer Aufwertung des US-Dollars auch ein Anstieg des durchschnittlichen Bestellwertes und dass Kunden öfter zu Zusatzprodukten griffen.

Allerdings schwächt sich das Wachstum in der Essenslieferbranche seit einigen Monaten ab: Auch andere Unternehmen wie Delivery Hero oder Just Eat Takeaway haben mit der gedämpften Konsumlaune zu kämpfen. Hellofresh muss also noch mehr dafür sorgen, dass Kunden bei der Stange gehalten werden - und erhöhte die Kosten für Werbung in Form von Gutscheinen oder Anzeigen. Mit knapp 16 Prozent des Umsatzes ist das aber noch weniger als vor der Corona-Pandemie. Konzernchef Richter sagte in der Telefonkonferenz, dass er mit einer Reduzierung der Marketingausgaben rechne, je mehr Kunden Hellofresh für sich gewinne.

Im operativen Geschäft musste der Manager gleich an mehreren Baustellen mehr ausgeben. Neben teureren Einkäufen der Lebensmittel und Zutaten nahmen Logistikkosten infolge von Preissteigerungen bei Treibstoffen zu. Doch auch der Ausbau der Produktionsstätten und die damit verbundenen Einführungs- und Anlaufkosten hätten sich bemerkbar gemacht, hiess es.

Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) ging entsprechend um 7,5 Prozent auf 145,9 Millionen Euro zurück. Branchenexperten hatten aber mit einem deutlicheren Rückgang gerechnet. Die dazu gehörende Marge reduzierte sich um 2,6 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent. Damit bestätigte das Unternehmen seine vorläufige Zahl zum Quartalsumsatz und konkretisierte die bereits bekannte Spanne für den operativen Quartalsgewinn von 140 bis 150 Millionen Euro. Unter dem Strich verdiente Hellofresh mit 62,5 Millionen Euro gut ein Viertel weniger als noch im Vorjahreszeitraum.

Die zuvor gesenkte Jahresprognose bestätigte der Vorstand, wenn auch er optimistischer eingestellt war. Ausgehend vom Vorjahreswert von knapp 6 Milliarden Euro soll der Konzernumsatz 2022 offiziell um 18 bis 23 Prozent zulegen. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll auf 460 bis 530 Millionen Euro sinken, nachdem Hellofresh im Vorjahr einen operativen Gewinn von 527,6 Millionen Euro vermeldet hatte. Richter stellte laut einem Händler nun in Aussicht, die Jahresziele zumindest noch teilweise auf dem alten Niveau erreichen zu können./ngu/mne/mis

(AWP)