"Schweizer Aktionärsdemokratie mit Füssen" ist nach der Generalversammlung von LafargeHolcim um ein Kapitel reicher: Der Entlastung von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat haben am Mittwoch in Zürich nur 61% der Aktionäre zugestimmt, 38% waren dagegen. Die Konsultativabstimmung über den Vergütungsbericht endete mit 84% Ja- und 15% Nein-Stimmen.

"Das ist kein schönes Resultat", kommentierte Verwaltungsratspräsident Beat Hess. Er erinnerte an den enttäuschten Credit-Suisse-Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner, der vier Tage vorher gleichenorts beim Vergütungsbericht nur 58% der Aktionäre hinter sich brachte.

GRÜNDE FÜR RÜCKTRITT LASSEN FRAGEN OFFEN

Die Schweizer Anlagestiftung Ethos empfahl wegen den Vorfällen in Syrien, die Entlastung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung zu verweigern. Die Entlastung ebenfalls abgelehnt hat der amerikanische Stimmrechtsberater ISS.

Darüber hinaus wirft Ethos dem Konzern vor, es habe bei der Abstimmung Unregelmässigkeiten gegeben, wie die Tagesschau des Schweizer Fernsehens SRF berichtete. Grosse Aktionäre hätten sich selbst Entlastung erteilt, so der Vorwurf. Ethos behalte sich in dieser Sache weitere Schritte vor, hiess es.

Vor den Abstimmungen versuchte die Konzernführung die Aktionärskritik am Strafverfahren im Zusammenhang mit Syrien, dem Abgang des Konzernschefs, aber auch der Vergütung aufzufangen. Offensiv machte Verwaltungsratspräsident Beat Hess klar, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Vorfällen in Syrien und dem Rücktritt des Konzernchefs per Mitte Juli gebe.

Er stellte Eric Olsen einen Persilschein aus. "Die internen Untersuchungen zu Syrien bei der damaligen Lafarge haben den Verwaltungsrat zu dem Schluss verholfen, dass der Konzernchef Eric Olsen nicht verantwortlich ist für das Fehlverhalten", sagte Hess.

Laut Hess tritt Olsen nach nur zwei Jahren zurück, weil der Konzern gut aufgestellt ist und Olsen bereit sei, zu neuen Ufern aufzubrechen. Noch-Konzernchef Olsen sprach von "grossen Spannungen im Zusammenhang mit Syrien, aber auch anderswo". Er sei bereit, die nächste Seite aufzuschlagen.

KEIN GOLDENER FALLSCHIRM

Einen Nachfolger für Olsen hofft Hess bis Ende Jahr zu finden. "Wir suchen international nach einer Führungskraft mit einem langjährigen guten Leistungsausweis." Im Übrigen erhalte Olsen keine Abfindungen, die über den Lohnplan hinausgehen. "Seit dem Minder-Gesetz sind goldene Fallschirme in der Schweiz verboten."

Davon, dass der französische Teil von LafargeHolcim durch die Syrien-Affäre geschwächt wurde, wollte Hess gar nichts wissen. Der Konzern sei "eine geeinte Firma und wer stärker ist oder nicht, ist kein Thema."

Ethos-Direktor Vincent Kaufmann warnte die Aktionäre davor, dass die Strafuntersuchung wegen Syrien für den Konzern und damit die Aktionäre finanzielle Folgen haben werde.

Hess hielt dem entgegen, LafargeHolcim sei heute eine andere Firma. Die bemängelten Vorgänge lägen drei Jahre zurück. "Heute sind andere Leute im Verwaltungsrat, die damals nicht bei Lafarge waren", sagte Hess weiter.

Tatsächlich hat LafargeHolcim bereits bekannt gegeben, dass Co-Präsident Bruno Lafont nicht zur Wiederwahl stehe. Ein Grund wurde nicht angegeben. Er war in der Zeit des Syrien-Vorfalls, vor der Fusion, von 2007 bis 2015 als Konzernchef und Präsident von Lafarge.

Positionen mit viel Verantwortung besetzten damals auch die Verwaltungsräte Bertrand Collomb, Oscar Fanjul, Nassef Sawiris und Gérard Lamarche. Sie wurden von den Aktionären wiedergewählt. Zu seinem Vizepräsidenten ernannte Beat Hess Verwaltungsrat Oscar Fanjul.

Gegenüber den Medien sagte Hess nach der Generalversammlung, dass er keine Kenntnis habe von Strafverfahren, die sich gegen die derzeitigen Verwaltungsräte richten.

ZAHLUNG AUCH WEGEN ENTFÜHRUNGEN

Während der Generalversammlung im Hallenstadion gab Hess einige neue Aspekte zu Syrien bekannt. Im Lafarge-Werk in Syrien hätten zwischen 2013 und 2014 nicht nur verschiedene bewaffnete Truppen das Werk zu kontrollieren versucht. Es sei auch zu Entführungen gekommen. "Wir haben bezahlt, man macht das Beste um die Leute frei zu kriegen".

Weiter gab Hess bekannt, dass aus dem Untersuchungsbericht nicht hervorgehe, an wen die regionalen und lokalen Mitarbeiter Geld bezahlt haben. Mit den Zahlungen wurden Vereinbarungen mit bewaffneten und sanktionierten Truppen getroffen, um den Betrieb weiter zu führen.

PASSABLES QUARTALSERGEBNIS

Das gleichentags bekannt gegebene Resultat für das erste Quartal hat die Erwartungen leicht übertroffen. Dank dem Verkauf des Vietnam-Geschäfts hat der Zementkonzern einen Reingewinn von 226 Mio CHF erzielt. Ohne die Zusatzeinnahmen schreibt der Konzern noch einen Verlust von 19 Mio CHF, nach einem Minus von 80 Mio CHF im Vorjahr.

Die LafargeHolcim-Aktien gingen nach einem Tag mit leichten Zugewinnen für SMI mit einem Minus von 2,3% bei 56,10 CHF aus dem Handel.

(AWP)