Die Probleme hatten sich bereits seit Anfang August abgezeichnet. Die beiden Konzerne warnten, dass die Auflagen der US-Wettbewerbsbehörde FTC höher ausfallen könnten als bis dahin angenommen. Am Mittwochmorgen kam nun die Bestätigung: "Auf Basis weiterer Rückmeldungen von Wettbewerbsbehörden ist nunmehr davon auszugehen, dass die umsatzbezogene Obergrenze für Veräusserungszusagen überschritten wird", teilte Linde in München mit. "Linde und Praxair setzen ihre konstruktiven Gespräche miteinander fort und diskutieren mit den Wettbewerbsbehörden, wie deren Anforderungen erfüllt werden können", hiess es weiter.

Linde und Praxair hatten in ihrer Fusionsvereinbarung festgelegt, dass bei den kartellrechtlich notwendigen Verkäufen von Unternehmensteilen die Grenze von 3,7 Milliarden Euro Umsatz oder 1,1 Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) nicht überschritten werden darf. Wäre dies doch notwendig, müssten beide Unternehmen dem zustimmen. Kommt es zu einer Einigung, müsste sich dann womöglich auch noch einmal der Linde-Aufsichtsrat damit befassen und grünes Licht geben. Den Aktionären zur direkten Abstimmung in der Hauptversammlung gestellt hatte Linde den Deal im Gegensatz zu Praxair nicht.

Commerzbank-Analyst Michael Schäfer sieht indes nun kein erhebliches Zusatzrisiko für die Fusion. Es gebe einen Spielraum für weitere Verkäufe im Volumen von einer Milliarde Euro. So könnte Linde sich komplett von seinem US-Gasegeschäft in Nordamerika trennen und nicht nur von Teilen, wie bereits vereinbart worden war. "Natürlicher Käufer" wäre aus Sicht des Experten erneut Konkurrent Messer in Verbindung mit CVC, die bereits einige US-Gas-Geschäftsteile von Linde übernehmen wollen. Ein weiterer Marktexperte schätzt, dass die erforderlichen Veräusserungen letztlich ein Umsatzvolumen von 4,5 Milliarden Euro betreffen könnten, anstelle der 3,7 Milliarden Euro.

Aus Sicht der DZ Bank wird eine Fusion durch noch höhere Verkäufe für Investoren unattraktiver. Die Experten verweisen dabei unter anderem auf zu erwartende hohe Abschreibungen. Es sei schwierig, aber weiterhin möglich, die geforderten Verkäufe zeitgerecht umzusetzen.

Probleme könnte es für Linde mit den Gewerkschaften geben. Dort forderte man bereits Anfang August, die vereinbarte Grenze bei den Verkäufen einzuhalten, da sonst die Kosten grösser seien als der Ertrag. Zudem fürchten die Arbeitnehmervertreter einen noch grösseren Stellenabbau.

Die Europäische Union hatte den Deal bereits Anfang der Woche unter Auflagen genehmigt. Dafür muss Praxair sein gesamtes Gasgeschäft im Europäischen Wirtschaftsraum verkaufen und seine Beteiligung an dem italienischen Gemeinschaftsunternehmen Siad abgeben. Zudem sollen Helium-Bezugsverträge veräussert werden. Offen sind neben der Zustimmung in den USA auch noch die Entscheidungen der Kartellwächter in Brasilien, Argentinien, Südkorea, Indien und China.

Der Kurs der im Dax notierten zum Umtausch eingereichten Linde-Aktien gab am Mittwoch mehr als 1 Prozent nach. Seit der Mitteilung im August ist das Papier damit bereits um mehr als neun Prozent abgesackt. Bei den nicht zur Fusion eingereichten Papieren fällt das Minus mit bislang rund drei Prozent deutlich geringer aus. Auch am Mittwoch verloren diese Anteilsscheine mit minus 0,7 Prozent deutlich weniger.

Linde und Praxair wollen sich zum grössten Industriegasehersteller der Welt zusammenschliessen. Mit 80 000 Mitarbeitern und 28 Milliarden Euro Jahresumsatz würden sie ein Viertel des Weltmarkts beherrschen. Praxair ist Marktführer in den USA, Linde ist stark in Europa und Asien, im US-Medizingeschäft und im Anlagenbau. Das Unternehmen soll von Praxair-Chef Steve Angel aus den USA heraus geführt werden. Die Aktionäre haben bereits zugestimmt. Deswegen kann die Fusion nur noch an zu hohen Auflagen oder dem Veto der Kartellbehörden scheitern./zb/nas/tav/jha/

(AWP)