Cevian ist mit einem Anteil von 18 Prozent nach der Krupp-Stiftung zweitgrösster Aktionär von Thyssenkrupp. Deren Chefin Ursula Gather versicherte am Dienstag erneut, die Stiftung werde den Auftrag, "die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren, auch weiterhin verantwortlich wahrnehmen". Die Stiftung hält noch 21 Prozent des Kapitals von Thyssenkrupp. Ihr Anteil war in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken.

Gather will nicht Nachfolgerin von Ulrich Lehner an der Spitze des Aufsichtsrats werden. Der ehemalige Hochtief-Chef und frühere BDI-Präsident Hans-Peter Keitel hat laut einem Bericht des "Handelsblatts" (Mittwoch) gute Chancen auf die Nachfolge von Lehner. Er hatte am Montagabend seinen Rückzug von diesem Amt für Ende des Monats angekündigt. Dadurch verschärfte sich die Führungskrise bei Thyssenkrupp noch einmal. Zuvor hatte bereits Vorstandschef Heinrich Hiesinger das Handtuch geworfen. Zuletzt war die nach dem Tod des Krupp-Patriarchen Berthold Beitz angetretene Stiftungschefin Gather ins Zentrum der Kritik geraten. Beschäftigte warfen ihr mangelnde Rückendeckung für die Konzernspitze im Konflikt mit den einflussreichen Investoren vor.

Die IG Metall äusserte sich kritisch zu den Rücktritten. "Manager können wegrennen. Unsere Leute in den Werken und Verwaltungen können das nicht", sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Markus Grolms (IG Metall) der "WAZ" (Mittwochausgabe). Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wilhelm Segerath forderte: "Es darf nicht zu einer Zerschlagung kommen." Die Arbeitnehmervertreter wollten "gemeinsam mit der Stiftung und allen Aktionären versuchen, das Unternehmen zu erhalten".

Das Thyssenkrupp-Management war von Anteilseignern wie Cevian und dem US-Hedgefonds Elliott mit der Forderung nach einem drastischen Konzernumbau unter Druck gesetzt worden. Chefaufseher Lehner hatte seinen Rückzug daraufhin mit mangelndem Vertrauen der grossen Aktionäre begründet.

Cevian-Gründer Förberg erneuerte am Dienstag seine Forderungen. Thyssenkrupp müsse herunter "von unverhältnismässig hohen Kosten und Bürokratie". Nur so könnten die Sparten "nachhaltig erfolgreich sein". Als langfristig ausgerichteter Grossinvestor wolle Cevian Thyssenkrupp beim Erreichen dieser Ziele unterstützen. Das sei im Interesse aller am Unternehmen beteiligten Gruppen.

Über die Nachfolge für Lehner solle "kurzfristig" entschieden werden, hatte Thyssenkrupp betont. Beobachter gehen davon aus, dass der neue Aufsichtsratsvorsitzende aus den Reihen des bestehenden Kontrollgremiums kommen dürfte, weil ein neues Mitglied erst in einem zeitaufwendigen Prozess gerichtlich bestellt werden müsste.

An der Börse machte sich derweil Vorfreude vor einer möglichen Zerschlagung von Thyssenkrupp breit. Die Aktie schnellte am Dienstag zunächst an die Dax -Spitze, zuletzt legte sie um fast 9 Prozent zu. Ein Händler mutmasste, dass allein die Aufzugsparte mehr wert sei als der gesamte aktuelle Börsenwert von Thyssenkrupp. Derzeit beträgt dieser etwas mehr als 13 Milliarden Euro.

Der Rücktritt Lehners sei Wasser auf die Mühlen derer, die unter einer neuen Führung auf mehr Offenheit gegenüber Anteilsverkäufen setzen, schrieb Commerzbank-Analyst Ingo-Martin Schachel. Er verwies darauf, dass Lehner die vielgliedrige Konzernstruktur bis zuletzt verteidigte, während Grossaktionäre wie die Finanzinvestoren Cevian oder Elliott auf eine Aufspaltung dringen. Cevian verwaltet für internationale Anleger derzeit ein Vermögen von rund 13 Milliarden Euro. Die schwedische Gesellschaft hält inzwischen gut 18 Prozent der Thyssenkrupp-Anteile und ist nach der Stiftung zweitgrösster Aktionär.

Da mit Lehner ein langjähriger Unterstützer Hiesingers gehe, dürften die "aktivistischen" Investoren aus dem derzeitigen Machtvakuum wohl siegreich hervorgehen, glaubt Branchenexperte Analyst Seth Rosenfeld./uta/DP/she

(AWP)