Am Wochenende taten sich gleich zwei Zentralbanker mit offensiven Bemerkungen hervor. Notenbankchef Andrew Bailey warnte in einem Zeitungsinterview vor einer schädlichen Episode mit hohen Inflationsraten, falls die Geldpolitik nicht rechtzeitig agiere. Er rechne nicht mit einem nennenswerten Anstieg der Arbeitslosigkeit, obwohl die Regierung ihr coronabedingtes Stützungsprogramm für den Jobmarkt unlängst beendet hatte.

Noch deutlicher äusserte sich Notenbankmitglied Michael Saunders, der für eine straffe geldpolitische Linie bekannt ist. Die Finanzmärkte lägen richtig, wenn sie raschere Zinsanhebungen der Bank of England erwarteten als noch vor einiger Zeit, erklärte Saunders. Konkrete Hinweise, wann mit einer geldpolitischen Straffung zu rechnen sei, liess er aber nicht fallen.

In der vergangenen Woche hatte bereits der neue Chefökonom der Notenbank, Huw Pill, vor einer länger anhaltenden Inflation gewarnt. Wie in vielen anderen Ländern ist die Inflation in Grossbritannien derzeit deutlich erhöht. Mit zuletzt 3,2 Prozent liegt sie klar über dem Zielwert der Bank of England von zwei Prozent. Analysten halten es für gut möglich, dass die Teuerung im Jahresverlauf weiter anzieht.

Hintergrund der anziehenden Preise ist eine Kombination aus hoher Güternachfrage aufgrund der anziehenden Konjunktur und erheblichen Engpässen im weltweiten Warenhandel. Hinzu kommen stark steigende Energiepreise, insbesondere für Erdgas. Darüber hinaus ziehen die Löhne in einigen Bereichen wieder stärker an.

Nicht nur in der Bank of England, auch in anderen grossen Notenbanken scheint sich die Einschätzung zur Inflation gegenwärtig etwas zu ändern. Zwar herrscht noch die Meinung vor, die hohen Inflationsraten seien ein überwiegend temporäres Phänomen. Allerdings wird zunehmend eingeräumt, dass die Phase erhöhter Teuerungsraten länger anhalten könnte als bisher erwartet. Andere grosse Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) lassen aber noch keine Neigung zu Zinsanhebungen erkennen./bgf/jkr/mis

(AWP)