Analysten wurden von der Entwicklung überrascht. Sie hatten im Schnitt mit einer Eintrübung auf 91,4 Punkte gerechnet. Im März war Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer wegen des Einmarschs Russlands in die Ukraine eingebrochen und hat sich seitdem leicht erholt. Während sich die Einschätzung der aktuellen Lage im Mai spürbar verbesserte, wurden die Erwartungen an die künftigen Geschäfte von den befragten Unternehmen allerdings kaum besser eingeschätzt.

"Anzeichen für eine Rezession sind derzeit nicht sichtbar", kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der Umfrage. Die deutsche Wirtschaft erweise sich trotz Inflationssorgen, Materialengpässen und Krieg in der Ukraine als robust. "Die Unternehmen waren vor allem merklich zufriedener mit den laufenden Geschäften", fügte Fuest hinzu. Die Erwartungen hätten sich hingegen kaum verändert, die Unternehmen blieben also weiter skeptisch.

Im Bereich Dienstleistungen zeigten sich die Unternehmen "merklich zufriedener" mit den laufenden Geschäften, hiess es in der Mitteilung des Ifo-Instituts. Dagegen fielen die Erwartungen der Dienstleister pessimistischer aus. Insbesondere Transport- und Logistikunternehmen machten sich Sorgen. Im Bauhauptgewerbe hat sich das Geschäftsklima nach dem Absturz im April wieder etwas erholt.

"Es ist vor allem der verbesserten Lageeinschätzung zu verdanken, dass das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer im Mai zulegt", sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Bewertung der künftigen Geschäfte bleibe hingegen auf einem tiefen Niveau. Auf den zweiten Blick zeigte sich daher, dass es "für die deutsche Wirtschaft bei Herbst- und Winterstimmung bleibt".

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht zwar in den Lockerungen der Corona-Beschränkungen und der kräftigen Erholung im Dienstleistungssektor ein Gegengewicht zur sinkenden Industrieproduktion. Die Aufhellung des Ifo-Geschäftsklimas sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Industrie weiter unter der Null-Corona-Politik Chinas sowie unter kriegsbedingten Lieferproblemen leiden dürfte. Experte Krämer rechnet daher für das zweite Quartal mit einer Stagnation der deutschen Wirtschaft.

Am Devisenmarkt legte der Euro nach Veröffentlichung der Ifo-Daten zu und erreichte ein Tageshoch bei 1,0673 US-Dollar. Allerdings hatte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, etwa zeitgleich zu den Ifo-Daten auch Hinweise auf steigende Leitzinsen in der Eurozone im Juli geliefert, was dem Kurs des Euro ebenfalls Auftrieb verlieh./jkr/jsl/jha/

(AWP)