Für Oliver Adler, Chefökonom Schweiz der Grossbank Credit Suisse, steht fest: "Die Geldpolitik der Nationalbank ist nicht zu locker." Sie sei vielmehr angemessen, und sie wirke, sagte er am Dienstag vor den Medien. Die Nebenwirkungen halten sich zudem laut den CS-Experten in Grenzen.

Diese Meinung überrascht. Denn in den letzten Wochen und Monaten hatten Bankenvertreter und -lobbyisten den aktuellen Kurs der Nationalbank zunehmend lauter kritisiert. Die Banken sehen sich bekanntlich als besonders stark betroffen vom aktuellen Zinsumfeld.

So hofften die Ökonomen der zweiten Grossbank UBS kürzlich, dass es bald zu einer Zinsanhebung kommt. Und laut der Bankiervereinigung haben die Negativzinsen nicht nur schädliche Folgen für die Schweizer Wirtschaft, sie erfüllen auch ihren Zweck nicht mehr.

Tatsächliche Belastung unklar

Die CS-Ökonomen zeigten bis zu einem gewissen Grad Verständnis für die Kritik der Bankenbranche. Denn die Finanzinstitute litten wegen der Negativzinsen tatsächlich unter erodierenden Margen. Die exakten Kosten, die wegen der Negativzinsen anfallen, seien aber schwierig zu ermitteln.

CS-Experte Maxime Botteron verwies ausserdem darauf, dass die SNB die Freibeträge erhöht habe, was die Negativzinsausgaben der inländischen Banken um rund 900 Millionen Franken jährlich reduziere. Zudem hätten die Banken selber in einem regulatorischen Offenlegungsbericht sehr uneinheitliche Angaben dazu gemacht, wie sich eine Zinsänderung auswirke.

Franken noch immer teuer

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive habe die Steuerung des Wechselkurses über die Zinsdifferenz jedenfalls die gewünschte Wirkung, sagte Adler. Und sie sei auch gerechtfertigt, weil der Franken "tendenziell immer noch teuer ist". Konkret sei er gemäss seinen Berechnungen gegenüber dem Euro 10 Prozent überbewertet.

Die Branchen könnten aber unterschiedlich gut mit dieser Situation umgehen. So lebe die Pharmabranche mit dem aktuellen Wechselkurs offensichtlich gut, wie die Exportstatistiken zeigten. Für andere Exportbranchen liege der "faire Wechselkurs" hingegen deutlich höher.

Spielraum für höhere Ausschüttung

Laut Botteron haben die Negativzinsen auch Nutzniesser. So habe die öffentliche Hand und damit der Steuerzahler in den letzten Jahren Milliarden eingespart.

Und der Staat könnte weiter profitieren: Es gebe wegen den Erträgen auf den angehäuften Fremdwährungsreserven einen Spielraum für höhere Ausschüttungen an den Bund und die Kantone, sagte Botteron. Eine Diskussion darüber sei auf jeden Fall "legitim". Heute ist die Ausschüttung auf 2 Milliarden Franken pro Jahr begrenzt. Die künftige Ausschüttungspolitik soll bis Ende 2020 neu verhandelt werden.

De-emotionalisieren

Keine Änderung zeichnet sich hingegen laut den Bankökonomen bei den Negativzinsen ab. "Die grossen Notenbanken werden eher noch länger als erwartet ihre Tiefzinspolitik beibehalten", sagte Adler.

Und die SNB könne nicht vorpreschen. "Ein Ausstieg aus der derzeitigen Negativzinspolitik scheint erst möglich, wenn sich die anderen Notenbanken bewegen", so Adler.

Seinen "Support" für die SNB wollte er übrigens nicht als Replik auf die Kritik der Bankenvertreter verstanden haben. "Wir wollen das Thema Negativzins de-emotionalisieren", meinte er gleichwohl.

rw/tt

(AWP)