«Tages-Anzeiger»: Auftrag nicht erfüllt
Der «Tages-Anzeiger» zeigte sich enttäuscht vom GPK-Bericht: «Mit dem Bericht zu den Corona-Leaks verfehlen die Parlamentarier ihre Ziele deutlich.» So haben die GPK mit der Auswertung von 500 Medienberichten zwar «bemerkenswerte» Fleissarbeit geleistet - aber mehr auch nicht.
Die Zeitung bemängelte, dass während zehn Monaten nur 16 Personen befragt worden seien - trotz anderweitiger Beteuerungen im Vorfeld keine davon ausserhalb von Alain Bersets Innendepartement (mit Ausnahme der Bundesratsmitglieder). So schaute nur wenig Zählbares heraus: «Auch die zentrale Frage, ob Berset von den Indiskretionen gewusst hat, bleibt offen», so die Zeitung. Die GPK müssten sich auch bei sich ansetzen: «Trotz der wenigen Erkenntnisse kritisieren sie die Regierung - und die Medien - scharf. Ein bisschen Selbstkritik wäre eher angebracht.»
«Neue Zürcher Zeitung»: An Monsieur Teflon bleibt nichts hängen
Die «Neue Zürcher Zeitung» reagierte ernüchtert auf den GPK-Bericht. Demnach soll Alain Berset nichts über den Inhalt des Austauschs zwischen seinem damaligen Kommunikationschef Peter Lauener und Ringier-Chef Marc Walder gewusst haben. «Das ist einigermassen erstaunlich», schrieb die Zeitung. «Denn die Kommission fand heraus, dass aus 38 von 50 Bundesratssitzungen Geheimes an die Öffentlichkeit sickerte.» Allerdings müsse nicht für alle Indiskretionen das Innendepartement verantwortlich sein.
«Die Kultur der Indiskretion war im Bundeshaus weit verbreitet, und der Bundesrat machte lange nichts», bilanzierte die «Neue Zürcher Zeitung». «Zwar deutet einiges auf ein System Berset hin, allerdings auf eines, von dem der Bundesrat seltsamerweise nie etwas mitbekam.» An «Monsieur Teflon» bleibe nichts hängen.
«Schweiz am Wochenende»: Zahnlose GPK
Dass Alain Berset so wenig über die Indiskretion seines damaligen Kommunikationschefs wusste, wie er angab, ist für die «Schweiz am Wochenende» unwahrscheinlich. Auch wenn die GPK keine konkreten anderweitigen Beweise vorlegen konnte. «Das bedeutet keineswegs, dass Berset ahnungslos war - und dies wäre auch wenig plausibel, denn Berset und Lauener arbeiteten während zehn Jahren eng zusammen.»
Die Zeitung kritisierte die GPK scharf: «Die GPK ist eine zahnlose Behörde, womöglich fehlte es ihr auch am Willen, in die Tiefe zu schürfen.» Und sie wertete Bersets Nichtwiederantritt zur Bundesratswahl als Indiz - hatte er Ende 2022 doch noch gesagt, er hätte Lust, Bundesrat zu bleiben. «Das ist kein Schuldeingeständnis, aber ein Indiz dafür, dass Berset fürchtete, dass seine wahre Rolle jederzeit auskommen könnte.»
«Blick»: Einseitige Untersuchung
Der «Blick», der von Walders Ringier-Verlag herausgegeben wird, kritisierte die GPK-Untersuchung als unausgewogen: «Genau hingeschaut hat die Arbeitsgruppe bloss bei Bersets EDI. Bei keinem anderen Departement wurden Mails von Mitarbeitenden verlangt und ausgewertet», schrieb die Zeitung. «Eine unvoreingenommene, ausgewogene Untersuchung sieht anders aus.» Ein «unbändiger Wille, den Geschehnissen tatsächlich auf den Grund zu gehen», sei nicht zu spüren.
«Le Temps»: Bericht ist unvollständig
«Le Temps» fand den GPK-Bericht unvollständig: «Es musste Licht ins Dunkel gebracht werden», werde bedacht, dass die Corona-Leaks die Pandemiebewältigung beeinträchtigt hätten. Die Verantwortung Alain Bersets sei «offensichtlich», so die Zeitung, die auf den bevorstehenden Abgang des Bundespräsidenten hinwies.
«La Liberté»: Am Ziel vorbeigeschossen
Die GPK hätten am Ziel vorbeigeschossen, indem sie keine Verantwortlichkeiten benannt haben, so «La Liberté». Dabei erklärten die begrenzten Möglichkeiten der Politik dieses Ergebnis: Weigert sich etwa jemand, private E-Mails herauszugeben, hat ein politisches Organ nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten, wie die Zeitung schrieb.
(AWP)