Erdogan sagte in der Bosporus-Metropole: "Eure Methoden unterscheiden sich nicht von den früheren Nazi-Methoden." Er habe gedacht, diese Zeit sei in Deutschland längst vorbei - "wir haben uns geirrt".

Der Präsident äusserte sich auf einer Grossveranstaltung vor mehreren tausend Anhängerinnen, auf der er für ein "Ja" beim Verfassungsreferendum im April warb, mit dem er weitreichende Machtbefugnisse erhalten will.

An einer anderen Veranstaltung am Abend in Istanbul sagte Erdogan: "Wenn ich will, komme ich nach Deutschland". Und weiter: "Wenn Ihr mich an der Tür stoppt und mich nicht sprechen lasst, werde ich die Welt aufmischen."

Bislang ist nicht bekannt, ob Erdogan in Deutschland für das geplante Präsidialsystem werben will. Mehrere Auftritte von türkischen Ministern waren aber in den vergangenen Tagen abgesagt worden und hatten für Wut in Ankara gesorgt.

Zugleich nannte Erdogan bei seinen Auftritten den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel einen "Terroristen" und "deutschen Agenten". Leider stelle die deutsche Regierung seine Minister auf dieselbe Stufe wie den Korrespondenten der Tageszeitung "Die Welt".

Der Fraktionschef von CDU und CSU im Bundestag, Volker Kauder, wies den Nazi-Vergleich scharf zurück. In der ARD-Fernsehsendung "Bericht aus Berlin" sprach er von einem "unglaublichen und nicht akzeptablen Vorgang". Erdogan sei einer, "der mit dem Rechtsstaat ja erhebliche Probleme hat". Ein Auftrittsverbot von türkischen Politikern in Deutschland lehnte Kauder weiterhin ab.

"Unverschämt, geschichtsvergessen, anmassend!", urteilte CDU-Vize Julia Klöckner auf Twitter; Erdogan solle sich entschuldigen. Und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Passauer Neuen Presse": "Das ist eine ungeheuerliche Entgleisung des Despoten vom Bosporus. Der Nazi-Vergleich ist ebenso unverschämt wie abwegig."

Justizminister Heiko Maas reagierte empört. "Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen", sagte der SPD-Politiker in der ARD-Sendung "Anne Will".

Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel warnte am Sonntagabend vor einer weiteren Eskalation. Er machte deutlich, dass er nicht generell gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland ist. "Wer bei uns reden will, muss uns nicht nach dem Mund reden, aber er muss unsere Regeln respektieren", schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag".

Gabriel telefonierte zudem mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu, wie am Abend aus offizieller türkischer Quelle verlautete. Gabriel habe das Gespräch gewünscht, hiess es ohne weitere Einzelheiten. Die beiden Minister treffen sich am Mittwoch in Berlin. Am Samstag hatte zudem Kanzlerin Angela Merkel mit Ministerpräsident Binali Yildirim telefoniert.

Am Sonntagabend trat der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci in einem Kölner Hotel auf. Vor dem Hotel forderten Demonstranten Freiheit für Journalisten.

Cavusoglu will am Dienstag in Hamburg an einer Veranstaltung teilnehmen, wie die Polizei mitteilte. Um welche Art Veranstaltung es sich dabei handelt, war nach Angaben eines Sprechers aber noch unklar.

Die vorangegangenen Absagen von Veranstaltungen mit Zeybekci und Justizminister Bekir Bozdag hatte Erdogan bereits am Freitagabend zu schweren Vorwürfen an Deutschland bewogen. Die türkischen Minister dürften dort nicht sprechen, während Vertreter verbotener Kurdenorganisationen öffentlich das Wort ergreifen dürften, sagte er.

(SDA)