Liz Truss nahm am Montag die Steuererleichterungen für die Reichen in Grossbritannien zwar zurück, die Auswirkungen ihres am vergangenen Freitag überraschend angekündigten Mini-Haushalt sind dennoch gravierend. "Die Bank of England, die sich beim letzten Meeting für eine Anhebung um nur 50 Basispunkte entschieden hatte, könnte nun gezwungen sein, die Zinsen in Schritten von 100 Basispunkten anzuheben, wenn die Regierung ihren Finanzplan nicht überarbeitet", sagt Axel Botte, Global Strategist bei Ostrum Asset Management, einer Tochtergesellschaft von Natixis. In der Zwischenzeit ist die Bank of England gezwungen, den Markt für britische Staatsanleihen (Gilt) zu stabilisieren, der von extremer Volatilität mit täglichen Renditeschwankungen von mehr als 50 Basispunkten bei 30-jährigen britischen Anleihen geprägt ist. Der Beginn des Bilanzabbaus wurde um einen Monat verschoben, und es wurde ein Rahmen von 65 Mrd. GBP für den Ankauf von britischen Staatsanleihen angekündigt, der 13 Tage lang zur Verfügung steht.
Der Ball liegt nun im Lager der Regierung Truss, die im Kreuzfeuer der Kritiker des IWF, der Fed und der Rating-Agenturen steht. Die Volatilität der Gilts schlug auf die wichtigsten Anleihemärkte durch (T-Notes erreichten in der Spitze 4%, Bunds 2,3%), was zu einem Einbruch der Aktienindizes und einer Ausweitung der Kreditrisikoprämien führte. "Die zaghafte Erholung des britischen Pfunds Ende letzter Woche scheint eine Lösung der Krise einzupreisen, aber die beiden Defizite bilden einen explosiven Cocktail für das Pfund. Wie die Fed zeigt auch die EZB, die sich der Risiken für die Finanzstabilität bewusst ist, keine Absicht, von ihrem geldpolitischen Straffungskurs abzuweichen. Die aktuellen Breakeven-Inflationsraten zeugen von der Glaubwürdigkeit ihres Engagements. Tatsächlich sind die 10-jährigen Inflationserwartungen innerhalb einer Woche um 20 Basispunkte gesunken," kommentiert Botte.
Der unverantwortliche Policy-Mix Grossbritanniens hat daher einen finanziellen Sturm ausgelöst. Das Fehlen zuverlässiger Prognosen für das öffentliche Defizit, das durch Steuersenkungen für die oberen Einkommensschichten und die Begrenzung der Strompreise hervorgerufen wurde, deutet lauf Botte auf eine fiskalische Dominanzmentalität hin, die in den Köpfen der Regierungen weiterhin vorherrscht. Das Defizit könnte sich auf mindestens 45 Milliarden Pfund belaufen.
Nach ihren jüngsten Erklärungen wird die EZB ihre straffere Politik fortsetzen, da die Inflation von 10% im September keinen Spielraum für eine andere Politik lässt. Vor einer quantitativen Straffung, die Christine Lagarde erst nach Abschluss der "Normalisierung" der Zinssätze in Betracht zu ziehen scheint, sind laut Botte weitere Massnahmen zu erwarten.