Angesichts des raschen Zinsanstiegs – nächste Woche wird die US-Notenbank erneut an der Zinsschraube drehen – wächst die Befürchtung, dass die USA um eine Rezession kaum herumkommen werden. Für die Fed hat die Inflationsbekämpfung Priorität, was insofern nachvollziehbar ist, als ein Tolerieren der hartnäckigen Teuerung von über 8% mittel- und längerfristig Wirtschaft und Bevölkerung noch grössere Schmerzen zufügen würde.
In Europa ist die hochschnellende Energierechnung das Problem Nummer eins. Der kräftige Anstieg der Gas-, Erdöl- und als Folge davon der Strompreise mag begrenzt sein, wie Hargreaves Lansdown anfügt. Aber die steigende Nahrungsmittelinflation ist nicht minder eine Sorge, die die Menschen dies- und jenseits des Atlantiks beschäftigt.
Wirtschaftshorizont verdüstert sich
Die im Hochsommer aufgekommene Hoffnung, in den USA und in Europa könne der Zinsgipfel greifbar nahe sein, haben sich nach den jüngsten weiterhin bedrohlich hohen Teuerungszahlen zerschlagen. Die Ängste sind an die Anlagemärkte zurückgekehrt.
Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht. Es gilt abzuwarten, wie weit die Notenbanken noch gehen und die Geldpolitik weiter verschärfen werden, wie die Haushalte, staatliche und private, auf die erschwerten Umstände reagieren werden und wie resistent bzw. anfällig Wirtschaft und Unternehmensgewinne gegenüber dem erschwerten Umfeld sind.
Vor diesem Hintergrund, solange positive Nachrichten ausbleiben resp. deutlich in der Minderheit sind, bleibt das Anlegervertrauen angeschlagen. Es gibt kaum Strategen, die die Hand ins Feuer legen würden, dass die Märkte den Boden schon erreicht haben. Die Möglichkeit eines weiteren Rückschlags schliesst niemand aus, so dass sich die Investoren, institutionelle und private, kaum zurück aufs Parkett wagen. Immerhin ist das eine positive Nachricht. Die Stimmung kann kaum mehr deutlich schlechter werden. Viel Ungemach ist in den Kursen eingepreist.
Wenn Private verkaufen...
Die Plattform von Hargreaves Lansdown zählt über 1,7 Mio. Kundinnen und Kunden mit einem Gesamtvermögen von rund 120 Mrd. Pfund (CHF 135 Mrd.). Der HL-Investor-Confidence-Index gilt deshalb durchaus als repräsentativ. Und weil Privatanleger und -anlegerinnen oft die letzten, die im Abschwung verkaufen, genauso, wie sie im Aufschwung den institutionellen Investoren hinterherhinken. Auch das ein Faktor, der Raum für Zuversicht lässt: Der kräftige Rückgang des HL-Vertrauensbarometers von August bis September um 38% könnte in Signal sein, dass es an den Märkten bis zur die Talsohle nicht mehr weit ist.
Susannah Streeter, Senior Investment and Markets Analyst von Hargreaves Lansdown macht "Vorsicht im Überfluss" aus. Die Erwartung wachse, dass ein schwächerer geldpolitischer Kurs erst 2024 eintreten könnte. Doch auch schwierige Zeiten würden nicht ewig andauern. Wichtig sei, dass Anleger ihre langfristige Strategie überprüften und widerstandsfähig bleiben, wenn die Märkte nervös sind.
Perioden erhöhter Volatilität "sind ein wesentlicher Bestandteil des Investierens", und selbst starke kurzfristige Kursrückgänge sollten einen nicht dazu veranlassen, von den langfristigen Zielen abzurücken.
Ruhe bewahren und Einstiegskurse glätten
Regelmässige Investitionen kommen in Zeiten wie diesen oft zur Geltung und glätten die Einstiegskurse. Wenn die Märkte fallen, gibt es mehr fürs Geld und das Gewinnpotenzial steigt, gibt Streeter verängstigten Investoren mit auf den Weg.
"Wir wissen nicht genau, was um die Ecke ist." Aber die Ruhe bewahren, anstatt impulsiv zu verkaufen und der gewählten Strategie treu bleiben war tatsächlich noch in jeder Krise das beste Rezept.