Am Vortag hatten sich die Handelsplätze im Kielwasser der steigenden US-Börsen noch deutlich von ihrem jüngsten Rückschlag erholen können. An der Wall Street waren die Notierungen wieder angezogen, nachdem in den vorangehenden drei Handelstagen die wochenlange Aktienrally abrupt beendet worden war. Börsianer sahen die Entwicklung jedoch als notwendige Atempause. Jochen Stanzl von CMC Markets etwa sprach von einer "Abkühlung vor allem bei den heiss gelaufenen US-Technologieaktien". Eine Trendwende an den US-Märkten sei das aber nicht.

Am frühen Nachmittag richten sich die Blicke auf die EZB und deren Chefin Christine Lagarde. Zwar würden keine historischen Entscheidungen erwartet, doch bleibe die Erwartungshaltung auf das Signal einer anhaltenden Flut billigen Geldes hoch, schrieb Marktbeobachter Timo Enden. Einige Börsianer sehen die EZB nach dem Vorstoss der US-Notenbank in Zugzwang. Die Fed hatte jüngst ihre geldpolitische Strategie geändert und ihr Inflationsziel gelockert. Lagardes Rede dürfte deshalb vor allem auf Hinweise hinsichtlich des Strategieschwenks der US-Währungshüter abgeklopft werden. Deshalb dürfte auch die Haltung der EZB zur jüngsten Euro-Aufwertung im Vergleich zum US-Dollar im Rampenlicht stehen.

Auf Unternehmensseite zeigte sich die Mehrheit der Sektoren am Donnerstag europaweit geschwächt. Rohstoff- und Öl-und Gas-Aktien verloren am deutlichsten, aber auch Banken standen vor dem EZB-Entscheid stark unter Druck. Banco Santander etwa fielen im EuroStoxx 50 um zweieinhalb Prozent zurück. Zu den grösseren Gewinnern in Europa gehörten der Autosektor, sowie Lebensmittel- und Chemiewerte.

Der Chemiesektor wurde insbesondere durch gute Nachrichten aus den Niederlanden gestützt. Dort überraschte der Farben- und Lackehersteller Akzo Nobel mit einer unerwartet guten Zwischenbilanz zum dritten Quartal. Der BASF -Rivale sprach von einem weiter nachlassenden Gegenwind und stellte für das Jahresviertel einen Umsatz in etwa auf Vorjahresniveau in Aussicht. Analysten waren bisher von deutlichen Rückgängen ausgegangen. Bernstein-Experte Gunter Zechmann lobte die Entwicklung als "viel besser als gedacht". Akzo-Nobel-Papiere rückten um mehr als drei Prozent vor.

In London rutschten die Papiere der Supermarktkette WM Morrison nach der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen um mehr als vier Prozent ab. Wegen des Lockdowns hatten die Briten an ihren konzerneigenen Tankstellen weniger Benzin verkauft. Abseits dieses Effekts war der Umsatz jedoch gestiegen. Die Experten der US-Bank Goldman Sachs schrieben, die Gewinne seien zwar wie erwartet ausgefallen und die Erlöse befänden sich sogar leicht darüber, sie bemängelten jedoch den Anstieg bei der Nettoverschuldung.

Beim Elektronikhändler Dixons Carphone hatte die Corona-Pandemie für ein gutes Online-Geschäft gesorgt, womit das Unternehmen den Einbruch im heimischen Mobilfunkgeschäft mehr als wettmachen konnte. Die Aktie kletterte um fast sechs Prozent.

Aktien von IAG verloren angesichts einer Kapitalerhöhung mehr als vier Prozent. Der Flug-Konzern hatte zuvor mitgeteilt, dass die bereits Ende Juli angekündigte Massnahme voll bei den Investoren untergebracht sei und Bruttoerlöse von mehr als 2,7 Milliarden Euro bringen werde. Unterstützt wurde die Kapitalerhöhung vom grössten Aktionäre Qatar Airways. IAG will die Einnahmen zur Reduzierung seiner Schuldenlast verwenden./tav/fba

(AWP)