Überreicht wurden die Leoparden für den besten Film, die beste Regie, die besten Schauspielerinnen und Schauspieler und weitere Auszeichnungen am Samstagabend auf der Piazza Grande. Der chinesische Filmemacher Jia Zhang-ke hatte den Vorsitz der internationalen Jury inne.

Mit einem Spezialpreis wurde der Dokumentarfilm "M" der Französin Yolande Zauberman ausgezeichnet. Die jüdische Filmemacherin thematisiert sexuellen Missbrauch innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft in der israelischen Stadt Bnei Brak.

Der Leopard für die beste Regie ging an die Chilenin Dominga Sotomayor für "Tarde para morir joven". Der Spielfilm handelt vom Erwachsenenwerden in einer Aussteigerkolonie im Sommer 1990 - kurz nach dem Ende der Diktatur in Chile.

Als beste Darstellerin wiederum zeichnete die Jury Andra Guți für die Hauptrolle in"Alice T." aus. Guți inkarniert im rumänischen Teenager-Drama von Radu Muntean eine rebellische 17-Jährige, die mit einer Schwangerschaft ihre Adoptivmutter herausfordert.

Der Leopard für die beste männliche Rolle ging an KI Joobong als lebensmüder Dichter im südkoreanischen "Gangbyun Hotel". Regie in der melancholisch humorvollen Schwarzweiss-Miniatur führte Locarno-Rückkehrer Hong Sangsoo, der 2015 für "Right Now, Wrong Then" den Goldenen Leoparden erhalten hatte.

Mit einer besonderen Erwähnung bedachte die Jury schliesslich das britische Sozialdrama "Ray & Liz" von Richard Billingham. Leer ging hingegen der einzige Schweizer Beitrag im Internationalen Wettbewerb aus: "Glaubenberg" von Thomas Imbach handelt von einer wahnhaften Geschwisterliebe.

Ausserhalb des Leoparden-Wettbewerbs erhielt die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli ("Die Herbstzeitlosen") für "Le vent tourne" den Variety Piazza Grande Award. Mit dem Kritikerpreis fördert die US-amerikanische Fachzeitschrift die internationale Karriere eines Kinofilms. In die Schweizer Kinos kommt die im Jura spielende Dreiecksgeschichte Ende Jahr.

Den Publikumspreis für den besten auf der Piazza Grande gezeigten Film ging dieses Jahr an "Blackkklansman" von Spike Lee. Der Streifen über einen schwarzen Polizeidetektiv, der den Ku-Klux-Klan infiltriert, ist bereits Ende August in den Kinos zu sehen.

In der Sektion Cineasti del presente, dem zweitwichtigsten Wettbewerb des Festivals, erhielt die 35-jährige Schweizerin Nicole Vögele einen Spezialpreis für ihren Dokumentarfilm "Closing Time" über einen Nachtimbiss in Taipeh. Mit dem Wettbewerb für Erstlings- und Zweitlingswerke bietet das Locarno Festival eine Plattform für aufstrebende Filmemacher.

Der Hauptpreis ging an die in Wien lebende Syrierin Sara Fattahi für ihren Film "Chaos" über drei syrische Frauen, die an verschiedenen Orten leben. Den Preis für die beste Nachwuchsregie bekam Tarık Aktaş (Türkei) für "Dead Horse Nebula".

Am Samstagabend stand zum letzten Mal der scheidende künstlerische Leiter Carlo Chatrian auf der Bühne der Piazza Grande. Als Abschiedsgeschenk erhielt der Italiener einen Spezial-Leoparden und ein Flugticket nach Berlin - inklusive Rückflug.

Festivalpräsident Marco Solari würdigte Chatrian als "ausserordentliche Persönlichkeit" von grosser Sensibilität, Intelligenz und Loyalität. Chatrian, der an die Berlinale berufen wurde, hatte das Locarno Festival während sechs Jahren geleitet. Das Piazza-Publikum verdankte es ihm mit warmem Applaus.

Mit seiner letzten Ausgabe empfahl sich Chatrian für sein neues Engagement in Berlin, denn seine Filmauswahl stiess auf viel Zuspruch. Die "NZZ" etwa sprach vom stärksten Wettbewerb "seit vielen Jahren".

www.locarnofestival.ch

(SDA)