Der Kompromiss sieht einen Aufschub des Brexits bis mindestens zum 12. April vor. Sollte das britische Unterhaus dem bereits ausgehandelten Brexit-Abkommen mit der EU nächste Woche zustimmen, soll der Austritt am 22. Mai geregelt über die Bühne gehen. Gelingt das nicht, kann Grossbritannien bis zum 12. April neue Vorschläge zum Ablauf unterbreiten.

Die Erleichterung über diesen Kompromiss war auf beiden Seiten gross. So begrüsste etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Einigung. Es sei ein "sehr intensiver, aber auch sehr erfolgreicher Abend" gewesen, sagte die CDU-Politikerin. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratschef Donald Tusk zeigten sich erleichtert über den Beschluss der 27 bleibenden EU-Länder. "Ich war traurig, jetzt bin ich optimistischer", sagte Tusk. Juncker sagte: "Wir sind hoffnungsvoll, dass der Vertrag vom britischen Unterhaus angenommen wird."

Und auch May lobte die EU-Vereinbarung. Sie appellierte dann an das britische Parlament, den Vertrag mit der EU doch noch zu billigen. Das Unterhaus hat den Vertrag allerdings bereits zwei Mal abgelehnt.

May wollte eigentlich einen Aufschub bis zum 30. Juni erreichen. Doch die EU sah die Europawahl vom 23. bis 26. Mai als entscheidende Hürde. Der zweistufige Beschluss zur Verschiebung orientiert sich an diesem Datum: Der 22. Mai ist der letzte Tag vor der Wahl. Wird der EU-Austrittsvertrag rechtzeitig beschlossen und ratifiziert, steht einem geordneten Ausscheiden nichts mehr im Weg. Ein Chaos wäre abgewendet. Der 12. April ist der Tag, an dem Grossbritannien spätestens entscheiden müsste, ob es an der Europawahl teilnimmt. Wollte es noch einige Monate EU-Mitglied bleiben, müsste es die Wahl abhalten und Europaabgeordnete bestimmen.

Angesichts der gut achtstündigen Brexit-Gespräche konnte ein zweites grosses Gipfelthema am Donnerstag nicht mehr behandelt werden: Die 28 EU-Staaten suchen nach einer gemeinsamen Strategie im Umgang mit dem Machtstreben Chinas. Gegen die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt tritt die EU bisher eher als zahnloser Tiger auf.

Verquickt mit dieser Frage ist die gemeinsame Industrie- und Wettbewerbspolitik. Braucht Europa neue Regelungen, die Fusionen grosser Konzerne erleichtern, damit sie auf dem Weltmarkt bestehen können? Vor allem Deutschland und Frankreich machen sich dafür stark.

Die Staats- und Regierungschefs werden die EU-Kommission am heutigen Freitag wohl auffordern, bis März 2020 eine langfristige Industriestrategie vorzulegen. Erstmals beraten die EU-Spitzen die langfristige Klimaschutzstrategie für die nächsten Jahrzehnte. Zu Beginn des Tages werden zum 25-jährigen Jubiläum des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zudem Vertreter Liechtensteins, Norwegens und Islands erwartet.

(SDA)