Wenn Angela Merkel und Emmanuel Macron am 22. Januar nach Aachen reisen, wird es ein deutsch-französische Symbolfoto mehr geben. Denn dann wollen sie den "Aachener Vertrag" unterzeichen, der den 1963 geschlossenen Elysée-Vertrag ergänzen soll. Auf 16 Seiten legen beide Regierungen dabei fest, dass die einstigen Gegner in zwei Weltkriegen künftig immer enger zusammenrücken sollen.

Doch anders als vor 56 Jahren schweben diesmal dunkle Wolken über dem Projekt. So kämpft Macron mit innenpolitischem Gegenwind durch die "Gelbwesten"-Proteste. Der deutschen Regierung wird vorgeworfen, Macrons Reformvorstösse in der Europapolitik zu bremsen. Zudem hagelte es zuletzt auch Kritik.

"Der neue Elysée-Vertrag ist enttäuschend unambitioniert", sagt etwa die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner am Mittwoch zu Reuters. Sie beklagt, dass die Deutschland im Laufe der Abstimmung ambitionierte Ziele gerade der französischen Seite in der Wirtschafts- und Finanzpolitik verwässert habe. Schon in den vergangenen Monaten war Macron mit weitreichenden Vorschlägen in diesem Bereich auf Widerstand in Deutschland aber auch in vielen anderen Euro-Staaten gestossen.

Engere Koordination

Zwei Punkte loben allerdings die meisten Beobachter: In der Aussen- und Sicherheitspolitik rückten beide Staaten wesentlich enger zusammen, sagt der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Andreas Jung zur Nachrichtenagentur Reuters. "Und die angestrebte grenzüberschreitende Zusammenarbeit in allen Alltagsbereichen ist innovativ", meint Claire-Demesmay, Europa-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

"Damit wird das Tor für eine Integration unterhalb der staatlichen Ebene geöffnet". Deutschland und Frankreich kämen zurück zu ihrer alten Rolle als Experimentierfeld der Integration in der EU. "Das Signal ist vor der bevorstehenden Europawahl und dem Brexit wichtig: Deutschland und Frankreich wollen nicht weniger, sondern viel engere Zusammenarbeit", sagt Demesmay.

Der Vertrag liest sich aber auch wie eine Absicherung gegen das drohende Erstarken anti-europäischer Kräfte in der EU und den Nationalismus eines US-Präsidenten Donald Trump. Denn zum einen unterstreichen beide Regierungen, dass sie die Fähigkeit Europas stärken wollen, "eigenständig zu handeln". Ausdrücklich wird betont, dass sich beide Staaten im Falle bewaffneter Angriffe gegenseitig verteidigen. Der Hinweis wäre eigentlich unnötig, weil die Nato und die EU eine Beistandsklausel kennen. Aber weil der Vertrag für die kommenden Jahrzehnte gelten soll, ist die Passage auch eine Absicherung gegen ein Auseinanderfallen der Nato und der EU. Dass beide Regierung nun einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat als "Priorität" sehen, bedeutet zugleich eine Absage an einen gemeinsamen EU-Sitz im höchsten Gremium der Vereinten Nationen.

Frankreich in der Krise

Kleiner Schönheitsfehler: Anders als beim Elysée-Vertrag kann sich die deutsche Regierung heute angesichts der Stärke links- und rechtspopulistischer Kräfte in Frankreich nicht sicher sein, dass eine Pariser Regierung nach Macron noch zu dem "Aachener Vertrag" stehen wird.

Konkrete Projekte werden in dem Vertrag nicht benannt. Eine Liste mit mehreren Dutzend Vorhaben soll erst nach der Ratifizierung der Parlamente am 22. Januar vorgelegt werden. Genau hier steckt auch das Problem. Denn die "blumigen Worte" des Vertrages kaschieren für Grünen-Politikerin Brantner nur das Fehlen ehrgeiziger Umsetzungsziele. Ob dies mit der dann vorgelegten Liste besser wird, ist fraglich. Denn solche Listen hatte es schon zu Zeiten der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy von 2007 bis 2012 gegeben. Aber etwa die mehrfach versprochene gemeinsame Unternehmensbesteuerung lässt immer noch auf sich warten.

Immerhin sind sowohl in dem künftigen "Aachener Vertrag" als auch dem bereits 2018 geschlossenen Abkommen beider Parlamente diesmal Überprüfungsklauseln festgelegt: Regierung und Parlamente müssen künftig jährlich Rechenschaft ablegen, wie weit die beschriebene Zusammenarbeit gediehen ist. 

(Reuters/cash)